„Die wesentlichen Treiber des Artensterbens sind menschengemacht“
Etwa eine Million der derzeit bekannten rund acht Millionen Arten an Tieren und Pflanzen ist vom Aussterben bedroht, wenn der Mensch seine Lebensweise nicht gravierend ändert. Das ist das Fazit des Weltbiodiversitätsrats (IPBES). Helmholtz-Wissenschaftler waren an dem Zustandsbericht maßgeblich beteiligt und haben die Hintergründe und Konsequenzen für Deutschland vorgestellt.
08.05.2019
Zu Land, zu Wasser und in der Luft wird die Zahl der pflanzlichen und tierischen Arten von Jahr zu Jahr geringer. „Die Ökosysteme der Erde werden durch den Menschen massiv beeinflusst“, sagt Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle. Er ist einer der drei Vorsitzenden des Globalen Zustandsberichts des Weltbiodiversitätsrats. „Die immer stärkere Nutzung von Böden und Meeren, der Klimawandel und die Umweltverschmutzung sind menschengemacht und einige der wesentlichen Treiber des Artensterbens.“ Die Folge sei ein dramatischer Verlust der Artenvielfalt und damit auch der Leistungsfähigkeit der Ökosysteme wie etwa eine sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln weltweit.
„Jedes zweite Korallenriff ist seit 1870 verloren gegangen, zum Beispiel durch Bautätigkeiten“, sagt Julian Gutt vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) Bremerhaven und einer der Leitautoren für den marinen Bereich. Auch die Fischerei werde vielfach „im roten Bereich“ betrieben: Ein Drittel der Bestände seien überfischt, 60 Prozent seien am Limit. „Wir müssen es schaffen, das Meer nachhaltiger zu nutzen“, sagt er. Von einem radikalen Verzicht und umfassenden Verboten hält er nichts. „Aber die Nutzung muss so gestaltet werden, dass die Ökosysteme erhalten bleiben und auch unsere nachfolgenden Generationen versorgen können.“ Geeignete Maßnahmen seien beispielsweise der Ausbau von Schutzgebieten oder Fangquoten und der Klimaschutz.“
Begrenzte Ressourcen
Die Autoren des Berichts haben vor allem zwei wichtige Punkte ausgemacht, um die Natur nachhaltiger nutzen zu können: Die Weltbevölkerung sollte möglichst langsam wachsen und der Fleischkonsum sollte geringer sein als in den meisten Industrieländern heute. „Da kommen noch etliche weitere Punkte hinzu, die ebenfalls angegangen werden müssen“, sagt Almut Arneth, vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die als eine der Koordinierenden Leitautorinnen für das Kapitel „zukünftige Szenarien“ mitgearbeitet hat. „Besonders wichtig erscheint mir jedoch, dass die Menschen endlich verstehen, dass die Ressourcen wirklich begrenzt sind.“
Die Pflanzenproduktion ist dem Bericht zufolge seit 1970 um rund 300 Prozent gestiegen, die Holzproduktion um 45 Prozent. „Jedes Jahr werden weltweit rund 60 Milliarden Tonnen erneuerbare und nicht erneuerbare Rohstoffe aus der Natur gewonnen – das entspricht nahezu einer Verdopplung seit 1980“, sagt Ralf Seppelt (UFZ Leipzig), Landschaftsökologe und Leitautor im Kapitel „Szenarien und Wege in eine nachhaltige Zukunft“. Mehr als ein Drittel der Landoberfläche und fast 75 Prozent der Süßwasserressourcen würden derzeit für die Pflanzen- oder Viehproduktion genutzt. „Wir stoßen hier allmählich an natürliche Grenzen des Machbaren.“