Biodiversität

Die Geheimnisse der Biodiversität in Umweltproben entschlüsseln

Metabarcoding bietet vielfältige Möglichkeiten, um die komplexe Vielfalt von Arten in Umweltproben zu identifizieren und zu analysieren. Dadurch können Zustandsveränderungen von Ökosystemen aufgrund von Umwelteinflüssen präzise überwacht und der Erfolg von Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität bewertet werden. Jerome Moriniere, Geschäftsführer des Leipziger Unternehmens AIM, ist Experte auf diesem Gebiet. Im Gespräch mit Umweltdialog betont er die Bedeutung des Metabarcodings für Unternehmen, die ihren Einfluss auf die Umwelt messbar machen wollen.

06.06.2023

Die Geheimnisse der Biodiversität in Umweltproben entschlüsseln
Das Leipziger Unternehmen AIM ist Spezialist im DNA Barcoding und Metabarcoding.

Inwieweit unterscheidet sich Metabarcoding von der herkömmlichen Barcoding-Methode?

Jerome Moriniere: Beim „klassischen“ DNA Barcoding werden einzelne Arten identifiziert – also nur aus einer Quelle von DNA. DNA Barcoding wird zum schnellen und verlässlichen Identifizieren von Zielarten verwendet. DNA Barcoding dient dazu, Referenzsequenzen für bisher nicht in den Datenbanken enthaltenen Arten zu generieren und um diese den Datenbanken zuzuführen.

Beim Metabarcoding werden aus Mischproben nahezu alle der darin enthaltenen Arten nachweisbar. Hierfür wird die Probe extrahiert und das Zielamplicon (das Gen, das man zum Identifizieren braucht) vervielfältigt und mittels Hochdurchsatzsequenzierung „sichtbar“ gemacht. Metabarcoding identifiziert Mischproben aller Art, zum Beispiel Bodenproben, Kotproben oder Insektenmischproben.

Welche Technologien werden beim Metabarcoding verwendet?

Moriniere: Beim DNA Metabarcoding verwendet man Hochdurchsatzsequenzierungsmethoden, um die Vielzahl genetischer Sequenzen in Mischproben auslesen zu können, um einen digitalen Zwilling der Biodiversität zu erzeugen. Weiterhin verwendet man bioinformatorische Pipelines. Einerseits zur Nutzung genetischer Referenzbibliotheken. Anderseits zur Zuweisung detektierter Sequenzen zu Arten. Weiterhin können sogenannte Trait-Datenbanken herangezogen werden, um die detektierten Arten auf ihre funktionale Biodiversität hin untersuchen zu können.

Welche Herausforderungen und Einschränkungen gibt es beim Metabarcoding?

Moriniere: Zu den größten Herausforderungen zählt die Größe der Referenzdatenbanken – man kann nur nachweisen, was bekannt ist. Speziell seltene Arten, die sogenannte Dark Taxa, können derzeit nicht mittels Artnamen angesprochen werden. Aber: Datenbanken wachsen kontinuierlich. Leider kann mittels DNA Metabarcoding noch keine zuverlässige Quantifizierung oder Abundanzeinschätzung einzelner Individuen erfolgen. Die Detektion komplexer Umweltproben, selbst bei einer tiefen Sequenzierung der Proben oder bei der Verwendung mehrerer Replikate, kann mitunter nicht alle vorkommenden Arten nachweisen, wie zum Beispiel sehr kleine und einzeln vorkommende Individuen. Am Ende muss man hierbei entscheiden, welches Kosten-Nutzen-Verhältnis besteht.

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Wie kann Metabarcoding in der Umweltüberwachung und im Naturschutz eingesetzt werden?

Moriniere: Die Technologie kann angewendet werden, um Zustandsveränderung in der Biodiversität aufgrund von Umwelteinflüssen, wie zum Beispiel Klima oder anthropogen Einfluss, wechselnden Managementtypen und Landnutzungsformen nachhaltig und sicher überwachen zu können. Hierzu führt man zuerst ein Baselining der Biodiversität durch. Hierbei wird der Status Quo der Diversität von Lebensräumen erfasst. Über die Zeit, und auch im Vergleich zwischen verschiedenen Standorten führt man dann ein sogenanntes Benchmarking durch. Sprich, man erfasst, wie sich der Zustand verändert und an welchen Kenngrößen dies zu messen ist. Letzteres hat dann wiederum Einfluss auf die sogenannte Prediction. Wir fragen, ob zum Beispiel der Einsatz von Biodiversitätsmaßnahmen, der Einsatz von Dünger, Mahd, Insektiziden oder Pestiziden einen direkten Einfluss auf die zu messende Biodiversität hat.

Wie sieht die Zukunft des Metabarcodings aus? Auf welche Technologien oder Entwicklungen können wir uns freuen?

Moriniere: DNA Metabarcoding dient heutzutage in erster Linie zur Überwachung des Zustands von Ökosystemen. Der Fokus liegt darauf, komplexe Communities zu erfassen und über die Zeit, beziehungsweise räumlich miteinander zu vergleichen. Wir arbeiten derzeit an einem Scoring System für Biodiversität. Perspektivisch kann es die Zustandsbeurteilungen von Lebensräumen erleichtern und als Maßeinheit verwendet werden.

Mittels DNA Metabarcoding haben wir die Möglichkeit, die generierten digitalen Zwillinge durch Familien, Gattungen und Arten mit bekannten Merkmalen (Traits) zu versehen. Diese Traits können wir per Data Science auslesen sowie auswerten und erhalten Informationen zu ihrer Ökologie und ihrer Funktion im Ökosystem. Trait-Kataloge erlauben es, die Komplexität der Biodiversität auf weitere messbare Kenngrößen herunterzubrechen, um Zustandsbeurteilungen von Lebensräumen im raumzeitlichen Kontext im Hochdurchsatz realisieren zu können.

Zudem arbeiten wir an einer Cloud-basierten Lösung, um Metabarcoding-Sequenzdaten schnell und einheitlich auswertbar zu machen – ohne entsprechende Kenntnisse. Unsere Plattform spcfy wird zukünftig den schnellen und unkomplizierten Zugang zum Monitoring ermöglichen.

Weiterhin ist es wichtig, dass die prädiktiv, prognostischen Fähigkeiten unseres Machine Learning Tools zur Biodiversitätsmaß- und Zustandserhebung kontinuierlich mit einer wachsenden Datenmenge arbeitet. Mit jedem weiteren Datensatz wird das Tool besser, und die Ergebnisse zuverlässiger.

Wir arbeiten ebenfalls an einem Tool zur Erfassung von Bodengesundheit. Hierbei werden Erdproben genommen und auf ihre Diversität hin ausgewertet. Das ist eine spannende Möglichkeit zur Klassifizierung von Land- und Forstwirtschaftsformen und gibt Aufschlüsse über die Wasserspeicherfähigkeit und Nährstoffverfügbarkeit.

Welche Rolle spielt Metabarcoding für (Agrar-) Unternehmen beziehungsweise die Landwirtschaft?

Moriniere: Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern haben künftig die Pflicht über ihren „biodiversity impact“ zu berichten – im Rahmen der Sustainable Finance EU Taxonomie sowie der Corporate Sustainability Reportive Directive (CSRD).

Neben diesen extrinsischen Gründen spielen auch intrinsische Gründe für Unternehmen eine Rolle. Unternehmen in der Landwirtschaft haben durch den Einsatz der Technologie die Möglichkeit, wichtige Kenngrößen, beispielsweise zur Bestäuberdiversität- und performance, Nützlingsdiversität und das Vorhandensein von Schädlingen, überwachen zu können.

Jerome Moriniere, AIM

Vorgeschlagene Maßnahmen zum Schutz und Erhalt von Biodiversität können auf ihre Umsetzung und Effekte hin überprüft werden. Stellen Sie sich folgendes Beispiel vor: Die Strukturierung eines landwirtschaftlichen Lebensraums fördert die Diversität. Insekten sind natürliche Schädlingsbekämpfer. Unternehmen setzen weniger Insektizide ein und letztlich sinken die Kosten. Eine Reduktion von Dünger, Pestiziden sowie ein verringerter Einsatz von schweren Maschinen können potentiell durch DNA Metabarcoding begleitet werden.

Ein detailliertes Monitoring der Performance von Bestäubern ist ebenso wichtig, denn eine funktionale Diversität von Bestäubern sorgt stets für eine maximierte Bestäubung und damit maximalen Ernteerfolg. Landwirte, Lebensmittelhersteller oder andere Unternehmen könnten den Impact ihrer Maßnahmen belegen. Wäre es nicht fantastisch, wenn man hinter Aussagen wie „Bestäuberfreundlich“, „Insektenretter“ oder „Schmetterlingstraum“ tatsächliche Kennzahlen stellt?

Welche Rolle spielt Metabarcoding bei der Untersuchung von Wechselwirkungen von Arten?

Moriniere: Die Biodiversität natürlicher Ökosysteme ist in drei verschiedene Typen aufgeteilt – genetische Diversität, Artendiversität und Lebensraumdiversität. Die verschiedenen Arten haben eng miteinander verzahnte Wechselwirkungen.

Der Mensch greift sehr stark in die genetische Diversität und in die Lebensraumdiversität ein. Die natürliche Diversität geht verloren. Dies führt dann dazu, dass die Wechselwirkungen wegbrechen, und Ökosysteme aus dem Gleichgewicht kommen. Um hier vorbeugend zu handeln, ist es wichtig, dass wir als Menschen, als Landwirte, Forstwirte oder Unternehmer verstehen, was den größten Einfluss auf Ökosysteme hat, und was ausgleichend dagegen getan werden kann.

Noch wissen wir wenig, wenn es um die komplexen Wechselwirkungen von Arten in Ökosystemen geht. Moderne Methoden wie das DNA Metabarcoding, Data Science und Machine Learning liefern hierbei stetig neue Daten und spielen so eine wichtige Rolle bei dem Verständnis von Ökosystemen. Zum Beispiel gibt es erforschte Traits und wir wissen, dass eine Art bekannt dafür ist, eine bestimmte Pflanze zu bestäuben. Aber es gibt eben unzählige unbekannte Traits. Durch Machine Learning und Predictions wird man diese zukünftig näherungsweise identifizieren können.

Vielen Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen finden Sie hier.

Quelle: UD/cp
 

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