Die Herausforderungen der Torfmoos-Zucht für den Klimaschutz
Wenn Moore wiedervernässt werden, tragen sie erheblich zur Speicherung von Kohlenstoff bei. Die Umstellung auf eine klimaneutrale Bewirtschaftung nach der Wiederherstellung ist sowohl ökologisch als auch ökonomisch sinnvoll. Ein Ansatz besteht darin, Torfmoose auszusäen. Ob dies in großem Maßstab gelingt, wird derzeit in den Laboren für Bioverfahrenstechnik an der Hochschule Anhalt erforscht.
23.02.2024
Bioverfahrenstechnik: Biomasseproduktion im großen Stil
Maria Glaubitz hält einen Glasbehälter mit einer flüssigen Substanz in ihrer Hand. Darin ranken sich ein paar Gramm einer Moospflanze zum Flaschenhals hoch. „Davon sollen zukünftig mehrere Kilogramm täglich kostengünstig und an nahezu jedem Ort produziert werden können. Unsere Aufgabe ist es, den Bioreaktor dafür zu entwickeln“, erklärt die Doktorandin des Promotionszentrums „Life Sciences“ an der Hochschule Anhalt. Seit Januar 2023 arbeitet sie im Projekt MOOSStart mit Unterstützung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft an der Erforschung von Torfmoos-Saatgut.
Torfmoos-Zucht als neues Forschungsgebiet
Bisher gibt es kaum Erfahrungen auf diesem Gebiet, aber im Vergleich zu anderen Pflanzen ist die Fortpflanzung von Moospflanzen ohne Samen effizienter. Dank der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Freiburg kann Maria Glaubitz überhaupt das Moos in einem Glasbehälter halten. Nach langjähriger Forschung konnten sie verschiedene Torfmoosarten im Labor züchten und eine technische Vermehrungsmethode entwickeln. Gemeinsam mit Ökobiologen der Universität Greifswald konnte das Saatgut erfolgreich in wiedervernässten Mooren ausgebracht werden – in sogenannten Paludikulturen. „Das waren noch kleine Flächen, jetzt geht es darum, die Torfmoose auf mehreren tausend Hektar auszusäen“, erklärt Maria Glaubitz das langfristige Ziel des Projekts, an dem sie zusammen mit Prof. Dr. Claudia Grewe von den Universitäten Freiburg und Greifswald arbeitet. Die NIRA GmbH & Co KG ist Industriepartner für den Praxistest des Bioreaktors.
Paludikultur zur Bewirtschaftung von Mooren
Ohne gezielte Aussaat würde das Moos auf den rehydrierten Moorflächen nur sehr langsam wachsen, nämlich nur etwa einen Millimeter pro Jahr. Dadurch würden verschiedene Potenziale ungenutzt bleiben, wie zum Beispiel die zusätzliche Speicherung von Treibhausgasen aus der Atmosphäre, die Nutzung der Moospflanzen als Einnahmequelle für Landwirte und als Alternative zu Torf. Durch die Ernte aus intakten Mooren könnte Torf ersetzt werden und somit diese Moore geschützt werden. Die Forscher aus Freiburg und Greifswald haben bereits festgestellt, welche Arten von Torfmoos sich besonders gut eignen. Diese Arten sollen nun im Labor für Bioverfahrenstechnik in Köthen schnell und in hoher Qualität vermehrt werden. „Die entscheidenden Faktoren sind – vereinfacht gesagt – immer die Versorgung mit Licht und Nährlösung, beides optimieren wir“, erklärt Professor Grewe und zeigt dabei auf verschiedene transparente Behälter. In diesen Behältern werden die zerkleinerten Moospflanzen in Bewegung gehalten. „Auf 35 Liter konnten wir die Biomasse bereits anwachsen lassen – ein Rekord“, freut sich die Leiterin des Projekts MOOSStart, die über langjährige Erfahrung in der Algen-Forschung an der Hochschule Anhalt verfügt: „Diese Expertise in Biotechnologie und Verfahrenstechnik sind wichtige Voraussetzungen, um andere Ideen der Bioökonomie umsetzbar und weitreichend nutzbar zu machen.“
In den kommenden Monaten wird sich erweisen, ob es noch Raum für weitere Anstiege bei den Ernteerträgen gibt. Das genaue Erscheinungsbild eines Bioreaktors für gezüchtete Moose, der bis zum Abschluss des Projekts im Jahr 2025 entwickelt wird, bleibt derweil ungewiss. Allerdings ist das erste Gewächshaus zur Kultivierung von Torfmoosen als unverzichtbare Komponente zum Erhalt von Mooren und zum Klimaschutz in greifbarer Nähe.
Moore für den Klimaschutz: Hintergrund
In Deutschland erstrecken sich Moore über eine Fläche von etwa 1,4 Millionen Hektar, was rund vier Prozent der Gesamtfläche des Landes entspricht. Im Laufe der vergangenen Jahrhunderte wurden nahezu alle diese Moore trockengelegt, um Torf abzubauen oder Flächen für die Land- und Forstwirtschaft zu gewinnen. Dadurch ging auch der Lebensraum vieler Arten, wie beispielsweise der Torfmoose, verloren. Während nasse Moore wertvolle Kohlenstoffspeicher sind, setzen trockene Moore riesige Mengen an Treibhausgasen frei: Allein aus den deutschen Mooren gelangen laut Angaben des Umweltbundesamtes jährlich 53 Millionen Tonnen in die Atmosphäre, was 7,5 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands entspricht. Aus diesem Grund spielt die Wiedervernässung der Moore auch politisch eine wichtige Rolle und ist beispielsweise im Klimaschutzgesetz der Bundesregierung festgelegt.