Verpasste Chance? COP16 steht im Zeichen von Bürokratie und alten Finanzierungsmodellen
Die 16. Konferenz der Vertragsparteien zur Biodiversitätskonvention (COP16) ist zu Ende gegangen. Nun stellt sich die Frage: Wurde ein entscheidender Schritt im Kampf gegen die globale Biodiversitätskrise gemacht? Matto Barfuss, einer der Vordenker zum Thema „Biodiversity Credits“, hat im ARD Buffet am Freitag, den 1. November 2024, seine Einschätzung dazu gegeben und auch die Auswirkungen der historischen Dürre in Südafrika auf die Biodiversität beleuchtet.
06.11.2024
Von den 200 Vertragsstaaten haben sich lediglich 30 Vertreter:innen zur Weltnaturkonferenz in Cali eingefunden, was dem Treffen einen schwierigen Start bescherte. Im Mittelpunkt der Verhandlungen stand die Finanzierung von Maßnahmen, um den Biodiversitätsverlust zumindest zu begrenzen. Schon früh zeichnete sich jedoch ab, dass die von den Staaten benötigten Finanzmittel nicht vollständig bereitgestellt werden können und viele Vorhaben durch eine komplexe Bürokratie ins Stocken geraten. Anstatt eine umfassende Integration von Natur- und Artenschutz in das globale Finanz- und Wirtschaftssystem voranzutreiben, wird weiterhin auf traditionelle Finanzierungsmodelle gesetzt. Dadurch bleibt unberücksichtigt, dass für die Refinanzierung neuer Gelder wirtschaftliche Erträge erforderlich sind, was die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen letztlich begrenzt.
Matto Barfuss plädiert dafür, das bestehende Finanzsystem von Staaten und Wirtschaft an die aktuellen ökologischen Herausforderungen anzupassen. Er schlägt vor, neu geschaffenes Geld über ein verbindliches System mit der Rückgabe von Flächen an die Natur zu verknüpfen – ein Ansatz, den er als ehrlich und nachhaltig bezeichnet. Auch Banken und dasWeltwirtschaftsforum (WEF) warnen inzwischen vor den erheblichen Schäden, die das Überschreiten kritischer Kipppunkte der Biodiversität verursachen könnte. Laut WEF könnten bis zu 44 Billionen US-Dollar, etwa die Hälfte des globalen Bruttoinlandsprodukts, gefährdet sein. Angesichts dieser Risiken bleibt unverständlich, warum die Konferenzteilnehmer:innen nicht entschlossener an die Wurzel des Problems gehen. Noch vor Kurzem skeptisch gegenüber innovativen Naturschutzkonzepten, schließen sich nun auch Banken und das WEF den Mahnern an.
Der drastische Verlust der sogenannten „Biodiversity Hotspots“ blieb auf der Konferenz weitgehend unbeachtet und ohne konkrete Beschlüsse.
Ursprünglich machten diese Gebiete, die für eine hohe Artenvielfalt entscheidend sind, 15,7 Prozent der Erdoberfläche aus. Diese Hotspots, von denen sich viele um den Äquator befinden, umfassen 34 Regionen weltweit und beherbergen etwa 50 Prozent aller Pflanzenarten, 25 Prozent der Süßwasserfische und 77 Prozent der Landwirbeltiere. Besonders bemerkenswert ist, dass 42 Prozent der Landwirbeltiere und 50 Prozent der Pflanzenarten in diesen Regionen endemisch sind, also ausschließlich dort vorkommen. Durch menschlichen Einfluss sind inzwischen jedoch 86 Prozent dieser wertvollen Lebensräume verloren gegangen, und nur noch 2,3 Prozent der globalen Landfläche gelten heute als „Biodiversity Hotspots“.
Der Zusammenhang zwischen Artensterben und Klimawandel wurde auf der Konferenz kaum beachtet. Stattdessen wird die Klimakrise auf der separaten COP28 vom 11. bis 22. November 2024 in Baku (Aserbaidschan) diskutiert. Der Klimawandel ist bereits für den Verlust von elf bis 16 Prozent der Arten verantwortlich. Gleichzeitig führt der Rückgang der Artenvielfalt, zusammen mit der massiven Verbreitung von Nutztieren, zu einer zusätzlichen Erderwärmung. Nutztiere stoßen Methan aus, ein starkes Treibhausgas, das die Klimakrise weiter verschärft.
Seit 1970 hat der Mensch rund 60 Prozent der wildlebenden Säugetierarten ausgelöscht. Diese drastische Entwicklung zeigt sich auch in der Biomasse-Verteilung der Säugetiere: Heute entfallen 34 Prozent auf Menschen, 62 Prozent auf Nutztiere und nur noch vier Prozent auf wildlebende Säugetiere. Die Haltung von Nutztieren, besonders in Schwellen- und Entwicklungsländern, verstärkt diese Problematik. Im Gegensatz zu Wildtieren reißen Nutztiere wie Rinder das Gras anstatt es abzuschneiden. Diese Fressgewohnheiten führen zu erheblichen Erosionsschäden und verursachen auf über siebzig Prozent der Landflächen sinkende Grundwasserspiegel.
Es bleibt zu hoffen, dass die Zusammenhänge in Zukunft besser verstanden und vor allem die Gesellschaft stärker in die Verantwortung einbezogen wird. Matto Barfuss besucht aktuell zahlreiche Schulen, um Kinder mit seinen Vorträgen zu einem globalen Bewusstsein und einem verantwortungsvolleren Umgang mit der Natur zu inspirieren.