Kaum betriebsbedingte Kündigungen durch Kohleausstieg
Der Kohleausstieg hat weniger Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der Braunkohleindustrie als befürchtet. Auch wenn die Förderung von Braunkohle bis zum Jahr 2030 stärker zurückgeht, sind kaum betriebsbedingte Kündigungen nötig. Eine aktuelle Studie des Öko-Instituts zeigt, dass im Jahr 2030 insgesamt noch 8.000 Beschäftigte in der Förderung von Braunkohle und der Stromerzeugung arbeiten, wenn die Klimaziele der Bundesregierung erreicht werden.
31.07.2018
Der Strukturwandel verläuft vor allem im Braunkohlebergbau entlang der natürlichen Altersgrenzen. So gehen hier bis zum Jahr 2030 fast zwei Drittel der Beschäftigten in den Ruhestand. Die Rekultivierung der Tagebaue schafft zudem weitere Arbeitsplätze für die Übergangszeit.
Beschäftigungsstruktur in der Braunkohlenindustrie
1990 arbeiteten allein im Braunkohlebergbau in Deutschland 100.000 Personen. Infolge der Deutschen Einheit gingen diese Zahlen innerhalb von zehn Jahren auf etwa 21.000 Beschäftigte zurück. Seit 2000 sanken die Beschäftigungszahlen um weitere 30 Prozent, obwohl die Braunkohleförderung etwa konstant blieb.
Ende 2015 arbeiteten rund 15.400 Menschen im Braunkohlebergbau und weitere 5.400 Personen in den Braunkohlekraftwerken – insgesamt betrug die Anzahl der Beschäftigten in der Braunkohlenindustrie etwa 20.800. Mehr als die Hälfte von ihnen sind über 50 Jahre alt.
Auswirkungen auf Strukturwandel in zwei Szenarien
Die Berechnungen des Öko-Institut im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigen: Bereits die heute beschlossenen Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung führen dazu, dass die Anzahl der Arbeitsplätze in der Braunkohlenindustrie zurückgeht. Denn als erstes werden vor allem ältere Kraftwerke, in denen mehr Fachpersonal benötigt wird, stillgelegt. Demnach sinken die Beschäftigtenzahlen bis zum Jahr 2030 um 30 Prozent auf etwa 14.500.
Der Klimaschutzplan der Bundesregierung strebt an, dass die CO2-Emissionen im Stromsektor bis zum Jahr 2030 um rund 62 Prozent gegenüber 1990 sinken sollen. Um diese Ziele zu erreichen, muss nach Auswertungen des Öko-Instituts die installierte Leistung der Braunkohlekraftwerke von rund 21 Gigawatt im Jahr 2015 auf neun Gigawatt im Jahr 2030 zurückgehen. In diesem Szenario arbeiten dann im 2030 noch rund 8.000 Personen in der Braunkohlenindustrie.
„Die Zahlen zeigen, dass die Altersstruktur der Beschäftigten in der Braunkohleindustrie den Klimaschutzplänen Deutschlands entgegenkommt“, fasst Hauke Hermann zusammen. „Die Gefahr zahlloser Kündigungen ist sehr gering. Vielmehr kann der Strukturwandel in den Braunkohlerevieren mit der Ansiedlung neuer, zukunftsfähiger Unternehmen gestaltet werden.“
Kritik an der Studie vom DEBRIV (Bundesverband Braunkohle)
„Diese Analyse legt willkürlich falsche Annahmen, beispielsweise zur Personalentwicklung in den Energieunternehmen, zu Grunde. Vor allem aber verkennt sie, indem sie ihre Betrachtung nur auf die Beschäftigten in der Braunkohlenindustrie begrenzt, die Tragweite der industriepolitischen und volkswirtschaftlichen Dimension eines raschen Kohlenausstiegs“, stellt Dr. Helmar Rendez, Vorstandvorsitzender des DEBRIV, fest. „Hier wird ein Thema mit großer gesellschaftlicher Relevanz bewusst kleingeredet. Mit dieser Realitätsferne kann die Studie des Öko-Instituts keine belastbare Grundlage für die Diskussion um die Zukunft der Reviere sein.“
Die Bedeutung der Braunkohlenindustrie werde von den Autoren der Studie systematisch unterschätzt: im Rheinland als Garant wettbewerbsfähiger Industriestrompreise, im mitteldeutschen Revier für den Verbund mit der Chemieindustrie und in der Lausitz als der zentrale industrielle Anker für die gesamte Wirtschaft der Region. Damit werden auch Auswirkungen eines vorzeitigen Kohlenausstiegs auf andere Unternehmen und Wirtschaftszweige nach Ansicht des DEBRIV-Vorsitzenden in der Analyse des Öko-Instituts nur unzureichend berücksichtigt.