Heiße Luft: die wandlungsfähige Energiequelle
Energieerzeugung ist wahrlich eine „heiße Sache“. Wer ein Computernetzteil oder eine Motorhaube berührt, weiß: Dort, wo Verbrennungsantriebe oder elektrische Geräte im Einsatz sind, entsteht Wärme. Diese thermische Energie ist viel zu schade zum Verpuffen. Neuartige Lösungen nach dem Wärmepumpenprinzip machen daraus Heizwärme, Kälte und Strom.
08.01.2020
Viel zu oft entweicht die Abwärme technischer Systeme noch ungenutzt in die Umwelt. Dabei ist sie eine nützliche Ressource. Damit kann geheizt, gekühlt und Strom erzeugt werden. Allein das Potenzial von Abwärme zur Stromversorgung entspreche in Deutschland der Leistung von 10.000 Windrädern, die jeweils zwei Megawatt Strom produzieren, rechnete der Essener ORC-Fachverband 2012 vor.
Die Organisation hat sich der Förderung des „Organic Rankine Cycle“ (ORC) verschrieben. Diese Technologie ermöglicht es, auch vergleichsweise „kalte“ Abwärmetemperaturen ab etwa 80 Grad Celsius im industriellen Maßstab für die Erzeugung neuer Energie – Wärme, Kälte und Strom – zu nutzen.
Damit erweitern sich die Anwendungsmöglichkeiten für die Abwärmenutzung beträchtlich. Denn bisher wurden oft nur die in industriellen Prozessen anfallenden, mehr als 500 Grad Celsius heißen Abwärme-Gase direkt zum Antreiben von Turbinen genutzt. Dabei könnten mit neuen Wärme-Kraft-Prozessen aus Niedertemperaturabwärme bis zu 37,9 Terrawattstunden Strom pro Jahr erzeugt werden, schätzt das Fraunhofer-UMSICHT-Institut. Allein mit industrieller Abwärme ließen sich pro Jahr 7,3 Millionen Haushalte mit Strom versorgen, hat die Orcan Energy AG errechnet.
Nachrüstmodule wandeln Motor-Abwärme in Strom um
Orcan Energy hat „efficiency PACKs“ entwickelt – einfach nachrüstbare, effiziente Lösungen zur Verstromung von Abwärme auf Basis der ORC-Technologie. Aktuell zeigen zwei Kooperationen mit E.ON und mit MAN die Möglichkeiten dieser Applikation. „Die Kooperation ist ein weiterer Schritt in eine neue, nachhaltige und dezentrale Energiewelt: Dank der Abwärmelösungen von Orcan Energy können wir unseren Industrie- und Geschäftskunden helfen, ihre Energiekosten deutlich zu senken und ihre Prozesse zu dekarbonisieren“, betonte Dr. Alexander Fenzl, Country Head B2B Solutions Deutschland bei E.ON, bei der Vorstellung der Kooperation.
Installiert werden können efficiency PACKs an Verbrennungsmotoren im Kraftwerks- oder Schifffahrtsbereich, in Blockheizkraftwerke, in Geothermieanlagen wie auch an vielen Stellen in der Industrie. Sie produzieren aus flüssig vorliegenden Wärmequellen ab 80 Grad Celsius und Abgasen ab einer Temperatur von 150 Grad Celsius elektrischen Strom, der in den Energiekreislauf vor Ort eingespeist wird und sofort genutzt werden kann. Dadurch steigt die Energieeffizienz. Der Wirkungsgrad eines 18V48/60-Motors aus der eigenen Produktpalette verbessere sich beispielsweise um fast vier Prozent, schreibt MAN Energy Solutions. Dadurch würden 1.220 Tonnen Kraftstoff und 3.830 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart.
Die einfache Installation sei der wesentliche Vorteil der efficiency PACKs, hebt Orcan Energy-Vorstand Dr. Andreas Sichert hervor: „Mit diesem Modell geben wir unseren Kunden die Möglichkeit, gleich zweifach absolut ressourcenschonend zu agieren. Zum einen müssen sie keine großen Investitionen tätigen und können sich komplett auf ihre Kernkompetenz konzentrieren, und zum anderen machen sie ihre Prozesse fit für eine nachhaltige, saubere Zukunft.“
Kühlschranktechnologie auf dem neuesten Stand
Zur Stromerzeugung nutzen die efficiency PACKs das „Wärmepumpenprinzip“. Wärmepumpen kennt jeder prinzipiell vom Kühlschrank. Ein Kältemittel, das bereits bei geringen Temperaturen gasförmig wird – oft handelt es sich um Kohlendioxid –, nimmt die Temperatur von Wasser, Luft oder Erde aus der Umgebung auf. Es wird dann komprimiert und auf diese Weise erwärmt. Das dabei entstehende Gas kann über Turbinen in elektrischen Strom umgewandelt werden. Es kann aber auch an einem Wärmetauscher entlanggeführt werden und seine Wärme an einen Heizkreislauf abgeben. Oder es wird wie im Kühlschrank die Verdunstungskälte für die Abkühlung der Luft genutzt. Wärmepumpen sind deshalb besonders vorteilhaft, weil sie zusätzliche Energie lediglich zum Betrieb des Kompressors benötigen. Wird dazu Strom aus erneuerbaren Quellen genutzt, wird die Energieversorgung CO2-neutral.
Strom, Wärme und Kälte, die mittels Wärmepumpen erzeugt wurden, können sogar gespeichert und von einem Zustand in den anderen „zurückverwandelt“ werden. Diese „Sektorkopplung“ in Verbindung mit Speicherkonzepten bezeichnet der Branchendienst „stadt + werk“ als „ein Schlüsselkonzept für den Weg in eine klimaneutrale Zukunft“.
Entsprechend skaliert, können mit Sektorkopplungs-Energiemanagementsystemen bis zu 20.000 Haushalte mit Wärme, Kälte oder Strom versorgt werden. Dies leistet etwa die nach Ansicht von MAN Energy Solutions einzigartige Drei-Wege-Energiespeicherlösung MAN ETES. Die Abkürzung steht für „Electro-Thermal Energy Storage“. Die ab 2018 gemeinsam mit ABB entwickelte elektrothermische Lösung speichert Strom, Wärme und Kälte im großen Maßstab und verteilt diese an die Verbraucher. Mögliche Einsatzfelder sind unter anderem Fernwärmenetze, die Kühlung von Rechenzentren oder die Klimatisierung von großen Gebäuden.
Separate Speichertanks für Wärme und Kälte
Als Wärme- und Kältespeicher dienen ETES isolierte Tanks – auf einer Seite für warmes Wasser von 60 bis 150 Grad Celsius, auf der anderen Seite für Eis. Nutzung und Verteilung können dabei parallel zum Speicherungsprozess erfolgen.
Das Herzstück von ETES ist ein hermetisch gekapselter MAN-HOFIM-Turbokompressor. Dieser bringt das Arbeitsmedium CO2 in die jeweils gewünschten Zustände. Zur Erzeugung von Wärme komprimiert er das Kohlendioxid mit einem Druck von 140 Bar, so dass es sich auf 120 Grad Celsius erhitzt. Das heiße Gas wird dann in einen Wärmetauscher geleitet, wo es den Warmwasserspeicher erwärmt.
Das abgekühlte, aber noch unter Druck stehende CO2 wird danach mit einem Expander entspannt, wodurch es sich abkühlt und wieder verflüssigt. In einem weiteren Wärmetauscher entzieht es dem umgebenden Wasser Wärme, woraufhin im Eisspeichertank Eis entsteht.
Um die gespeicherte thermische Energie wieder zu Strom zu machen, wird der gesamte Prozess quasi „umgedreht“. Das CO2 wird dann zunächst mit Kälte aus den Eistanks kondensiert und dann komprimiert und in einen gasförmigen Zustand gebracht. Das heiße Gas treibt schließlich eine Turbine zur Stromerzeugung an.