Neuer Schub für die Energiespeicherforschung in Europa
Bis 2050 wollen die Mitgliedsstaaten der EU die Klimaneutralität erreichen. Dafür müssen sie nicht nur die erneuerbaren Energien ausbauen, sondern auch in Energiespeicher investieren. Ihre Entwicklung soll nun das europäische Forschungskonsortium StoRIES beschleunigen.
04.10.2021
Koordiniert wird es vom Helmholtz-Institut Ulm (HIU), das vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Ulm gegründet wurde.
Um ihre Klimaziele zu erreichen, hat die Europäische Kommission im Dezember 2019 den „European Green Deal“ vorgestellt. Im Zentrum der politischen Initiativen steht dabei der Energiesektor, der durch eine konsequente Wende hin zur Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien umgebaut werden soll. Das alleine sei aber nicht ausreichend, sagt Professor Stefano Passerini, Direktor des HIU: „Um fluktuierende erneuerbare Energiequellen wie Wind und Sonne im großen Maßstab nutzen zu können, müssen wir außerdem entsprechende Energiespeicher bereitstellen.“ Eine Maßnahme im „Green Deal“ ist deshalb der Aufbau einer koordinierten Forschungs- und Entwicklungsarbeit in Europa – die nun unter anderem im neuen Forschungskonsortium StoRIES (Storage Research Infrastructure Eco-System) stattfinden soll. Forschende aus ganz Europa mit unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten werden dabei in enger Kooperation mit der Industrie an hybriden Energiespeichertechnologien arbeiten. „Wir wollen die Entwicklung von neuen, innovativen und marktfertigen Speicherlösungen beschleunigen und haben dafür ein gemeinsames Ökosystem geschaffen“, so Passerini, der das Projekt koordiniert. „Die Zusammenführung von Know-how eröffnet Synergien, die oft unterschätzt werden. Die Politik gibt uns mit dem ‚European Green Deal‘ eine immense Hausaufgabe, die wir nur gemeinsam bewältigen können.“ Am 1. November 2021 werden die Arbeiten offiziell starten.
Beschleunigte Entwicklung mit intelligenten Methoden
Das wichtigste technologische Ziel von StoRIES stellt die Entwicklung von zukünftigen Energiespeichern aller Art dar. Dabei setzt das Forschungskonsortium vor allem auf hybride Speichersysteme. „Wir benötigen leistungsfähige, ausdauernde, nachhaltige und kostengünstige Lösungen“, sagt Dr. Myriam Gil Bardají, die als Wissenschaftsmanagerin am KIT die Aktivitäten der Europäischen Energieforschungsallianz (EERA) betreut und an der Gründung von StoRIES mitgewirkt hat. „Allerdings ist keine einzige Energiespeichertechnologie momentan flexibel genug, um alle diese Kriterien zu erfüllen. Deshalb ist eine Kombination verschiedener Technologien erforderlich. So können wir Vorteile nutzen und Nachteile ausgleichen.“
Durch einen gemeinsamen Zugang zu erstklassigen Forschungsinfrastrukturen und -diensten sollen zudem Forschungshindernisse abgebaut und Innovationen vorangetrieben werden. Der Schwerpunkt der Forschung zielt auf die Verbesserung von Materialeigenschaften für aktuelle und künftige Anwendungen und die Optimierung der hybriden Energiespeichersysteme. „Ziel ist es außerdem, die Entwicklungszeiten für neue Technologien um den Faktor zehn zu verkürzen“, sagt Dr. Holger Ihssen vom Büro Brüssel der Helmholtz-Gemeinschaft, das zur Gründung des neuen Forschungskonsortiums beigetragen hat. „Wir wollen neue Innovationen schneller in den Markt bringen, sodass erneuerbare Energietechnologien auch schneller wettbewerbsfähig werden.“ Ermöglicht wird das unter anderem durch moderne Supercomputer, Automatisierungstechnologien und die Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) zur zielgerichteten Materialentwicklung für Energiespeicher. Darüber hinaus konzentriert sich StoRIES aber auch auf die Analyse soziotechnischer und ökologischer Aspekte. „Um die Umweltauswirkungen zu verringern, werden die neuen Speichertechnologien von Anfang an auf den schonenden Einsatz von Rohstoffen und auf ihre Wiederverwertbarkeit optimiert“, so Ihssen.
Transdisziplinäre Ausbildung für die Fachkräfte von Morgen
Die neue Allianz aus Energiespeicherforschung und Industrie will auch Verantwortung für die Ausbildung der nächsten Generation von Forschenden, Ingenieurinnen und Ingenieuren sowie Fachkräften übernehmen. Neben Schulungen für Unternehmen und Hochschulen sowie Kursen für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soll diese Ausbildung dabei um ökologische, rechtliche, ökonomische und soziale Aspekte rund um Energiespeicher ergänzt werden. „Für einen Erfolg der Energiewende brauchen wir nicht nur die richtigen Technologien, sondern auch ein Verständnis der nichttechnischen Aspekte – etwa zu Fragen der öffentlichen Zustimmung, der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Wirtschaftlichkeit“, sagt Dr. Olga Suminńska-Ebersoldt, Wissenschaftsmanagerin am HIU und eine der Initiatorinnen von StoRIES. „Durch ein gegenseitiges Verständnis über die Grenzen der heute oft sehr geschlossen agierenden Forschungsbereiche hinweg, wollen wir eine enge Zusammenarbeit erreichen.“ Gerade durch die Ausbildung der Fachkräfte von Morgen solle dieser transdisziplinäre Ansatz bei der Weiterentwicklung von Energiespeichertechnologien über die Laufzeit von StoRIES hinaus verstetigt werden.
StoRIES: Ein einzigartiges Ökosystem für die Energiespeicherforschung
Das neue Konsortium besteht aus Technologieinstituten, Universitäten und Industrie mit insgesamt 17 Partnerinstitutionen und 31 assoziierten Beteiligten aus 17 Ländern, die alle über einen umfassenden Hintergrund in allen Energiespeichertechnologien (elektrochemische, chemische, thermische, mechanische und supraleitende Magnetspeicher) aufweisen. Mit dabei sind unter anderem die Mitglieder der Europäischen Energieforschungsallianz (EERA) und der Europäischen Vereinigung für Energiespeicherung (EASE), die den Kern des neuen Ökosystems bilden. Von der Europäischen Kommission wird StoRIES im Rahmen des Horizon2020 Programms zunächst für vier Jahre mit fast sieben Millionen Euro gefördert.
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