Energiewende

Wie die Ampel-Koalition Deutschland zur Wasserstoff-Nation machen will

Nach Schätzungen der EU-Kommission könnten bis zum Jahr 2050 bereits 24 Prozent des weltweiten Energiebedarfs mit grünem Wasserstoff gedeckt werden. Eine mehr als ambitionierte Zielmarke, die wie es der neue Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ausdrückte, einen „massiven Hochlauf für Wasserstoff“ auch in Deutschland voraussetzt. Was ist für eine nachhaltig funktionale Wasserstoffindustrie erforderlich und mit welchen Mitteln will die neue Bundesregierung den Weg dorthin gestalten?

17.02.2022

Wie die Ampel-Koalition Deutschland zur Wasserstoff-Nation machen will

Von Holger Schoenfelder

H2-Energiediplomatie und mehr Geschwindigkeit bei der Wasserstoffproduktion

Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP stellt die Weichen beim Thema Wasserstoff auf Beschleunigung. Nachdem bereits die Vorgängerregierung Merkel eine Fördersumme von circa neun Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte als „wichtige Vorhaben von gemeinsamen europäischen Interesse“ (IPCEI) veranschlagte, setzt die Ampel-Regierung nun bei der Umsetzung auf Tempo. Mit einem europäischen Zertifizierungssystem, das trotz der Kritik von Teilen der Industrie laut dem Bundeswirtschaftsministerium nur grünen Wasserstoff begünstigen soll, sowie der Etablierung von Kohlenstoffdifferenzverträgen will man weitere Rechts- und Investitionssicherheit schaffen. Dazu trägt auch die Anerkennung von Erdgas als Übergangstechnologie bei, die jedoch zugleich mit der Vorgabe verbunden wird, dass künftige Erdgaskraftwerke „H2-ready“ sein müssen.

Woher kommt Deutschlands Wasserstoff? Dieser Frage sind wir in dem folgenden Artikel  nachgegangen. Lesen Sie hier mehr dazu.

Die drei Regierungsparteien zögern nicht die nationale Wasserstoffstrategie (NWS) an etlichen Stellen neu auszurichten. Die im Koalitionsvertrag bereits angekündigte Verdopplung der angestrebten Elektrolyseleistung bis 2030 von fünf auf zehn Gigawatt ist bereits Gegenstand des in Gesetzesvorbereitung befindlichen „Osterpakets“. Zusätzliche Subventionsregelungen und die bereits eingeleitete Wasserstoffdiplomatie, über die vor allem in außereuropäischen Drittländern mit Hilfe deutscher Technologie Produktionsstätten und Transportwege für grünen Wasserstoff etabliert werden sollen, ergänzen den üppigen Maßnahmenkatalog auf dem Weg zu einem „Leitmarkt für Wasserstofftechnologie“.

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Wasserstoff für die Mobilitätswende: Das verkannte Potential der Brennstoffzelle

So bemerkenswert der neue politische Tatendrang beim Ausbau der Wasserstoffproduktion ist, befördert er doch ein programmatisches Ungleichgewicht zu Tage, wenn man gleichzeitig auf die bisher vorherrschende Konzeptarmut in Sachen wasserstoffbasierten Mobilitätslösungen blickt. Während die batteriebetriebene E-Mobilität prominent im Koalitionspapier verankert ist und aktuelle vekehrspolitische Planungsdiskurse bestimmt, scheint das Potential der Brennstoffzellen-Technologie bisher keine nennenswerte Rolle bei den Koalitionären zu spielen. Die Tankstelleninfrastruktur mit Wasserstoffangebot fristet bisher ein Nischendasein. Auf eine Wasserstoff-Tankstelle entfallen schon heute allein 274 elektrische Ladesäulen. Angesichts des ambitionierten Ziels, in Deutschland bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, sollte das Potential von Wasserstoff im Verkehrssektor nicht ungenutzt bleiben.

Denn noch immer deckt herkömmliches Gas nach Daten des Umweltbundesamtes mehr als ein Drittel des deutschen Endenergiebedarfs in Industrie und privaten Haushalten. Um hier die für die Klimaneutralität erforderliche Trendwende einzuleiten, braucht es einen gesamtheitlichen Ansatz, der alle Anwendungsbereiche für Wasserstoff und die dafür erforderliche Infrastruktur mitberücksichtigt. Privatwirtschaftliche Projekte wie sie bereits mit der H2-Global-Stiftung für die Wasserstoff-Produktion existieren, könnten dabei auch für Vereinigungen bei weiteren wasserstoffbasierten Anwendungsbereichen Pate stehen und durch politischen Impetus gestärkt werden.

Ein global umkämpfter Zukunftsmarkt

Angesichts der wachsenden globalen Konkurrenz auf dem Zukunftsmarkt für Wasserstoff erlangt die gemeineuropäische Perspektive auf globale energiepolitische Entwicklungen zunehmende Bedeutung. So setzt man in China auf die umfassende Verzahnung von Solarenergie-Ressourcen mit der Produktion von grünem Wasserstoff und investiert bereits massiv in die passende Technologieentwicklung. Anders als in Deutschland konkretisiert Peking seine Ziele im Verkehrssektor und will bis 2025 bis zu 100.000 Autos mit Brennstoffzellenantrieb auf die Straße bringen. In Japan, das zwischen 2010 und 2019 die meisten Wasserstoff-Innovationen weltweit patentierte, visiert man eine Jahresproduktion von zehn Millionen Tonnen Wasserstoff getragen von einer hocheffizienten Wertschöpfungskette in weniger als zehn Jahren an. Das zeigt: Mit ihren transformativen Bestrebungen sind Wasserstoff-Unternehmen in Deutschland und der EU nicht allein, sondern sehen sich verschärfter Konkurrenz gegenüber. Gerade jetzt werden sie politischen Rückenwind brauchen, um über neue Innovationen, Marktchancen im Bereich der nachhaltigen Wasserstofftechnologien und damit Wirtschaftswachstum am Standort Europa zu sichern.

Holger Schoenfelder, Teamleiter der Bereiche Wasserstofftechnologien und Prüfstandsplanung des Beratungsunternehmens MR Plan Group

Über den Autor:

Holger Schoenfelder ist Teamleiter der Bereiche Wasserstofftechnologien und Prüfstandsplanung des Beratungsunternehmens MR Plan Group. Die MR Plan Group ist an zehn Standorten tätig, mehrfach in Deutschland sowie in China und Ungarn. Die Bandbreite der Kunden reicht von der Automobil- über die Lebensmittel-, Luftfahrt-, Bahn- bis hin zur Schiffbauindustrie, inklusive deren Zulieferern.

Quelle: UD
 

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