Klimaschutz-Engagement kommunaler Akteure messen
Die Überprüfung kleiner Fortschritte ist auch im kommunalen Klimaschutz ein gern genutztes Mittel, wenn es darum geht, Veränderungen voran zu bringen. So spornt das „Monitoring“- ein Verfahren zur Messung des Kohlendioxidausstoßes- dazu an, den jeweiligen IST-Zustand zu analysieren und entsprechend zu handeln. Könnte es jenseits technischer Instrumente aber nicht auch hilfreich sein zu wissen, wie hoch die Aktionsbereitschaft vor Ort generell ist? Wie wäre es mit einer Methode zur Bestimmung der Positionen, die kommunale Akteure beim Klimaschutz einnehmen? Wo stehen eigentlich die Bürgermeister bei diesem Thema, welche Haltung haben Amtsleiter, Stadträte oder auch sachverständige Bürger?
24.09.2015
Zur Unterstützung der klimafreundlichen Transformation bedarf es vielfältiger Hilfsmittel. Lange Zeit hat sich die Aufmerksamkeit vor allem auf technische Lösungen wie beispielsweise den Einsatz von Energiemanagementsystemen oder die Nutzung erneuerbarer Energien gerichtet. Auch die Frage nach der Akzeptanz bei den Bürgern stand zur Diskussion. Inzwischen fasst der Prozess des Wandels aber immer stärker Fuß; deshalb geht es jetzt darum, alle entscheidenden Akteure verpflichtend einzubinden. Die kommunale Verwaltung, die örtliche Wirtschaft, Wissensinstitutionen und natürlich die Bürger können und müssen ihre jeweiligen Beiträge leisten. Schließlich funktionieren Technologien nicht ohne Menschen – sie müssen angeschafft, implementiert und richtig bedient werden. Und ebenso wichtig ist es, dass gesellschaftliche Schlüsselakteure mit gutem Beispiel vorangehen.
Aber inwieweit sind diejenigen, auf die es dabei ankommt, auch bereit und in der Lage zu handeln? Eine weitere und durchaus heikle Frage schließt sich dem an. Was ist, wenn wichtige Protagonisten für das Thema Klimaschutz wenig übrig haben, oder zumindest kaum Interesse? Eine Patentlösung zur Anregung von Handlungsbereitschaft gibt es leider nicht. Durchaus möglich ist es jedoch, den Stand der Dinge abzubilden und damit ins Gespräch zu bringen. Möglich wird dies durch die Positionierung kommunaler Akteure in einer Matrix, die das Aktionspotenzial einer Kommune im Klimaschutz veranschaulicht. Weiterentwicklungen werden sichtbar und überprüfbar, indem man die Positionierungs-Analyse für verschiedene Zeitpunkte – t0, t1, t2 usw.- wiederholt.
Die vier Faktoren „Kennen“, „Können“, „Sollen“ und „Wollen“
Die Matrix, von der hier die Rede ist, entstand im Vorhaben „Klimaschutzdialog“, einem Auftrag des BMUB im Rahmen der „Nationalen Klimaschutzinitiative“. Zentrale Ziele des „Klimaschutzdialogs“ sind verschiedene Angebote zu Austausch, Vernetzung und Beratung. Unter anderem wurden in und mit zehn ausgewählten Kommunen die Entwicklungen reflektiert, die dort das Klimaschutzengagement ausgelöst haben. Um die gewonnenen Erkenntnisse einheitlich darzustellen, wurde die „Transformationsmatrix“ entwickelt.
Dieses Instrument bezieht seine theoretische Fundierung aus der Transformationsforschung von Kora Kristof. In ihrem Buch „Wege zum Wandel“ zeigt sie, dass Transformationsprozesse Veränderungsbereitschaft erfordern. Woran lässt sich Veränderungsbereitschaft festmachen? Grundbedingung dafür sind nach Kristof die vier Faktoren „Kennen“, „Können“, „Sollen“ und „Wollen“. Das klingt einfach, birgt jedoch den Schlüssel zum Verständnis vieler Hürden im kommunalen Klimaschutz.
Wenn es beispielsweise darum geht, die Handlungsoptionen vor Ort zu kennen, verweisen Beteiligte gern auf die internationale Klimapolitik. Eine einzelne Kommune könne doch kaum etwas bewegen, lautet manch skeptische Einschätzung. An dieser Stelle ist es sehr hilfreich, wenn Akteure mit detailliertem Wissen dagegenhalten. Ein hoher Informationsstand stellt daher den ersten Erfolgsfaktor für kommunales Klimahandeln dar. Dabei kommt es aber darauf an, wer genau Bescheid weiß. Vor allem der Faktor „Können“, also die Fähigkeit zur Umsetzung von Maßnahmen, spielt eine tragende Rolle. Nur die Ausstattung mit den nötigen Mitteln (Zeit, Geld, Mitarbeiter, Weisungsbefugnis, Legitimität) ermöglicht tatsächliches Handeln. Auf die Protagonisten, die über Ressourcen verfügen, liegt also das Hauptaugenmerk. Gerade die lokale Wirtschaft kann hier eine wichtige Rolle spielen.
Zum „Kennen und Können“ müssen sich jedoch auch „Sollen und Wollen“ gesellen. Die normative Ebene des „Sollens“ hat zwei Dimensionen – die Bereitschaft, gesetzliche Vorgaben sehr gut umzusetzen und die persönliche Überzeugung, wie notwendig klimafreundliches Handeln ist. „Wollen“ bezeichnet schließlich die unverzichtbare menschliche Triebfeder, ohne die kein Unterfangen gelingt. Wie aber kann aus „Kennen“, „Können“, „Sollen“ und „Wollen“ ein Messinstrument, also eine Transformationsmatrix entstehen? Dafür wurden für jeden dieser Faktoren drei Ausprägungen definiert, die nach dem Prinzip „– = nein“, „+/– = ein bisschen“ und „+ =ja“ funktionieren.
Das Beispiel Flensburg
Für die im Klimaschutz besonders ambitionierte (Masterplan-)Kommune Flensburg ergab sich dadurch folgendes Bild: der international renommierte Wissenschaftler Prof. Dr. Olav Hohmeyer erzielte jeweils „ja“-Ausprägungen bei allen vier Faktoren. Seine engagierten Vorträge inspirierten Raimund Dankowski, Vorstandsvorsitzender eines Flensburger Wohnungsbauunternehmens, der zunächst nur „ein bisschen“ interessiert war. Als Wirtschaftsakteur verfügte er jedoch über alle nötigen Ressourcen; er wies also schon am Anfang, zum Zeitpunkt „t0“, im Können eine „ja“-Ausprägung auf. Aufgrund seiner Position und seiner neu erworbenen Einsicht gelang es Raimund Dankowski weitere Wirtschaftsakteure ins Boot zu holen. Der Klimapakt Flensburg war geboren. Gemeinsam mit dem Bürgermeister konnte jetzt auch die Verwaltung überzeugt werden, jeweils die „ja“-Haltung einzunehmen. Aus dieser Position gemeinsamer Stärke wurden die politischen Fraktionen gewonnen (Zeitpunkt „t1“). Der Klimapakt Flensburg wiederum schaltete kontinuierliche Kommunikationskampagnen, sodass inzwischen auch viele Bürger/innen mit an Bord sind (späterer Zeitpunkt „t2“).
Die Transformationsmatrix
Wie sieht nun die eigentliche Transformationsmatrix aus? Wenn man die vier Faktoren „Kennen“, „Können“, „Sollen“ und „Wollen“ und ihre je drei Ausprägungen („nein“, „ein bisschen“, “ja“) tabellarisch anordnet, kann man jeden Protagonisten eintragen. Im Fall der Stadt Flensburg ergibt sich ein einfaches, regelmäßiges Muster der Willensbildung: Zum Zeitpunkt t0 stehen alle Akteure bis auf den Wissenschaftler an gleicher Position. Zum Zeitpunkt t1 sind alle Akteure auf die vier „ja“-Positionen des Wissenschaftler vorgerückt. (Zeitpunkt t2 ist nicht mehr Teil der Matrix.) Die Positionsdynamik wird durch einen farbigen Pfeil verdeutlicht.
Ein Medium zu Unterstützung des Wandels
Nicht in jeder Kommune zeigt sich natürlich ein so eindeutig positives Bild wie in Flensburg. Dies ist für die Nutzung der Transformationsmatrix aber auch gar nicht nötig. In einer Kommune mit kontroverseren Positionen wird sich bei der Analyse des „Ist“-Zustands ein unregelmäßiges Muster ergeben. Aussagekräftig sind vor allem Kombinationen von negativen Ausprägungen im „Kennen“, „Sollen“, „Wollen“ bei positiver Ausprägung im „Können“. Dabei handelt es sich um Entscheider, die kein Interesse an Klimaschutz haben und dadurch Prozesse blockieren. Maßgeblich werden hier die Fragen sein, welche Protagonisten sich wie bewegen müssen, damit dennoch eine transformationsfreundliche Willensbildung entsteht. Ein mögliches Instrument zur Kommunikation über das Thema steht mit der Matrix jetzt zur Verfügung.
Die Transformationsmatrix dient zwar in erster Linie der Beschreibung und Analyse. Sie kann aber den Blick schärfen und dazu motivieren, die Handlungsbereitschaft von Akteuren im kommunalen Klimaschutz zu thematisieren. Sich abzeichnende Entwicklungen können mit Hilfe der Matrix gut sichtbar gemacht und kommuniziert werden. Damit ist die Matrix ein Medium, das gleichzeitig Veränderungen abbildet und den Wandel unterstützt.
Um innovative Impulse auf lokaler Ebene, die der klimafreundlichen Gesellschaftstransformation auf den Sprung helfen können, geht es auch bei der Internationalen Kommunalen Klimakonferenz, ICCA2015. Am 1. und 2. Oktober 2015 werden in Hannover Kommunen und Akteure zusammentreffen und über die Rahmenbedingungen für erfolgreichen kommunalen Klimaschutz diskutieren. Die ICCA2015 bietet somit eine der wichtigsten Plattformen zur Umsetzung von Klimaschutz auf lokaler Ebene vor dem UN-Klimagipfel in Paris. Hier sollen Erfolgsfaktoren im kommunalen Klimaschutz herausgearbeitet und ausgetauscht werden.
Gastgeber der ICCA2015 sind das Bundesumweltministerium, das Niedersächsische Umweltministerium und das Deutsche Institut für Urbanistik. Das begleitende Ausstellungs- und Veranstaltungsprogramm „Climate Neighborhood – Klimanachbarschaft“ wird in Zusammenarbeit mit der Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen organisiert.