Mehr Extremwetter durch die Störung der Atmosphäre
Computersimulationen zeigen einen starken Anstieg von Ereignissen, bei denen die Wellenbewegungen des Jetstreams in der Atmosphäre aufhören sich weiter voran zu bewegen. Dadurch könnten Wetterextreme am Boden häufiger werden: Wenn die Westwinde aufhören, Wettersysteme voranzutreiben, halten diese länger an – aus ein paar sonnigen Tagen kann eine Hitzewelle werden, anhaltender Regen kann zu Überschwemmungen führen.
28.12.2018
Ein internationales Team von Wissenschaftlern führt das auf die vom Menschen verursachte Erwärmung speziell in der Arktis zurück. "Wir erwarten, dass solche atmosphärischen Bedingungen um etwa 50 Prozent ansteigen, die einen langsamen, sich breit schlängelnden Jetstream und festgefahrene Wetterextreme begünstigen", sagt Michael Mann von der Pennsylvania State University in den USA, Hauptautor der in Science Advances veröffentlichten Studie. "Wir sprechen dabei von quasi-resonanter Verstärkung planetarer Wellen, aber was das bedeutet, ist ziemlich einfach: Menschen werden wahrscheinlich häufiger extreme und potenziell gefährliche Wetterereignisse erleben." Solche planetarischen Wellenereignisse waren auch Ursache der verheerenden Waldbrände in Kanada 2016, der Überschwemmungen in Europa 2013 und der Hitzewelle in Russland 2010.
Erstmals wurde das zukünftige Auftreten solcher Bedingungen, die zu Wachstum und Stillstand planetarer Wellen führen, jetzt in einer Vielzahl von modernen Klimasimulationen (CMIP5) durchgerechnet. Während der Zusammenhang zwischen der Störung atmosphärischer Wellen und Extremwetter bereits in früheren Studien und für vergangene Ereignisse nachgewiesen wurde, überraschte der Blick in eine mögliche Zukunft bei ungemindertem Treibhausgasanstieg. "Bei der Betrachtung einer großen Anzahl verschiedener Computermodelle haben wir interessante Unterschiede festgestellt", sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Ko-Autor der Studie. "Verschiedene Klimamodelle liefern teils deutlich unterschiedliche Zukunftsprognosen für Resonanzereignisse des Klimas. Im Mittel zeigen sie allerdings eine deutliche Zunahme. Zwei Faktoren scheinen die Häufigkeit solcher Resonanzereignisse zu bestimmen: Die Erwärmung der Arktis und die Luftverschmutzung."
Arktische Erwärmung und Luftverschmutzung
Die Arktis erwärmt sich schneller als der Rest des Planeten. Computersimulationen, die das berücksichtigen, zeigen einen stärkeren Anstieg der Ereignisse, bei denen die plantearen Wellen in ihrer Vorwärtsbewegung stocken. Gleiches gilt für Simulationen, die die Auswirkungen der Luftverschmutzung mit winzigen Partikeln – sogenannten Aerosolen – beinhalten. Eine starke arktische Erwärmung reduziert den Temperaturunterschied zwischen dem Nordpol und den Subtropen, und dieser Unterschied ist ein wesentlicher Treiber des Jetstreams. Die Arktis ist deshalb für die gigantischen Luftströme, die unsere Wettersysteme antreiben, von besonderer Bedeutung. Die Luftverschmutzung wiederum blockiert einen Teil der Sonnenstrahlung, etwa in Regionen mit vielen Kohlekraftwerken, und führt so zu einer leichten temporären lokalen Kühlung. Dadurch wird ebenfalls die Temperaturdifferenz zwischen mittleren Breiten und Nordpol reduziert.
"Unsere Ergebnisse weisen also auch darauf hin, dass eine Verringerung der Luftverschmutzung in den Industrieländern tatsächlich einen Teil der natürlichen Temperaturdifferenz zwischen den mittleren Breiten und der Arktis wiederherstellen könnte – was wiederum dazu beitragen würde, zukünftige Störungen der planetaren Wellen und die damit verbundenen Wetterextreme zu vermindern", sagt Stefan Rahmstorf. "Es ist interessant, dass die Stilllegung von Kohlekraftwerken in zweierlei Hinsicht zur Vermeidung von Klima-Destabilisierung beitragen kann: durch die Reduktion von Treibhausgasemissionen, die die globale und arktische Erwärmung vorantreiben, und durch die Verringerung der Luftverschmutzung. Wenn wir also den Anstieg gefährlicher Wetterextreme begrenzen wollen, scheint ein schneller Ausstieg aus der Kohle eine ziemlich gute Idee zu sein."
"Die Klimamodelle sind noch zu grob, um diese Art von extremen Wetterepisoden für bestimmte Zeiten oder Orte vorherzusagen", sagt Ko-Autor Dim Coumou, der sowohl am PIK als auch an der Vrije Universiteit Amsterdam arbeitet. "Die Modelle sind jedoch in der Lage, große Muster von Temperaturänderungen realistisch darzustellen", so Kai Kornhuber vom PIK, der ebenfalls Ko-Autor der Studie ist. "In Kombination mit früheren Forschungsarbeiten zu diesem Thema sehen wir in unseren Simulationen einen ziemlich besorgniserregenden Trend: Wetterextreme nehmen im Zusammenhang mit unserem Ausstoß an Treibhausgasemissionen zu, und ein häufigeres Stocken der gigantischen Luftströme hoch in der Atmosphäre scheint hier ein wichtiger Faktor zu sein."