Klimapaket: Wie Unternehmen jetzt punkten können
Wo man auch hinhört, die große Koalition ist die einzige, die das mancherorts als ‚Klimapaketchen‘ titulierte neue Maßnahmenbündel zum Klimaschutz feiert. Es sei zu kleinteilig, zu begrenzt, meinen Wissenschaftler. Besonders die C02-Bepreisung falle „viel zu zaghaft“ aus, so etwa Georg Teutsch vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig gegenüber faz.net.
09.10.2019
Von Daniel Silberhorn
Jetzt müssen die Unternehmen ran. Dass wir grundlegende Veränderungen brauchen, haben laut Fridays for Future parallel zur Sitzung des Klimakabinetts alleine in Deutschland 1,4 Millionen Teilnehmer am globalen Klimastreik gezeigt. Und die Wirtschaft hat entscheidenden Einfluss durch die reguläre Geschäftstätigkeit, durch ihr Angebot und Wirkung auf die Verbraucher. Und die Unternehmen sind es, die sich durch Innovationen neue Geschäftsfelder erschließen und die ökonomische Basis schaffen für eine nachhaltige Transformation. Gemeinsam mit der Politik und dem Finanzsystem sind Unternehmen die zentrale treibende Kraft unserer Gesellschaft.
Die gute Nachricht: Es lohnt sich. Wer sich als Unternehmen jetzt als Teil der Lösung zeigt, kann nicht nur ökonomisch punkten (z.B. durch zukunftssichere Produkte oder Einsparungen), sondern auch in Sachen Reputation. Change Leadership ist das neue Thought Leadership. Gerade der Mittelstand kann sich hier gegenüber den ‚Großen‘ positionieren.
Eine globale Analyse von FleishmanHillard dieses Jahres zeigt eindeutig die Verantwortung für den Umweltschutz als einen Treiber der Reputation – weltweit. Zugleich erfüllen Unternehmen weiterhin nicht die Erwartungen der Menschen. Da die Latte durch das Klimapaket relativ niedrig gelegt wurde, wäre es leicht, „mehr als verlangt“ zu tun, und sich damit positiv zu positionieren.
Dabei geht es nicht um klassisches Nachhaltigkeitsmarketing, das sich in die Nachhaltigkeitswerte der Verbraucher einklinkt, um etwas zu verkaufen. Dafür wurde zuletzt H&M in Norwegen gerügt. Die tatsächliche Chance liegt in einem Handeln, das sich das Prinzip der Circular Economy zu eigen macht. Denn Handeln sagt mehr als Worte, und das wird von der Gesellschaft honoriert.
Smart zum Beispiel British Sugar, die ihren Abfallstoff CO2 für den Tomatenanbau nutzen. Reststoffe werden in der Circular Economy zu Rohstoffen, mit denen neuer Umsatz erzielt wird. Hinzu kommt eine Shared Value-Betrachtung, wie sie neulich von 200 CEOs in den USA als Nachfolger für eine enge Sharholder Value-Perspektive proklamiert wurde. An die Seite der Verantwortung für die Lieferkette tritt die Verantwortung dafür, was die Verbraucher mit den Produkten machen, wie lange sie nutzbar sind, und wie sie wieder in den Kreislauf rückgeführt werden.
Unternehmen sollten hier mit einer ehrlichen Ausgangsanalyse starten: Wo liegen die materiellen Einflüsse – über den gesamten Lebenszyklus? Wo stehen wir dort, und wie werden wir dort wahrgenommen? Wie weit liegen Realität und Erwartungen auseinander? Ausgangspunkt dafür sind die Sustainable Development Goals als anerkannte Leitlinie der internationalen Klimapolitik.
Auf dieser Basis gilt es, Nachhaltigkeit ganzheitlich zu sehen: Vom Produktdesign, bei dem auch Experten der Recyclingwirtschaft eingebunden sein sollten, über Herstellung bis hin zu Kampagnen, die das Verhalten der Verbraucher in Richtung mehr Nachhaltigkeit beeinflussen. Kommunikation ist dabei ein zentraler Aspekt, um die Beteiligten im dialogorientierten Stakeholder Engagement zusammenzubringen, und die möglichst partizipativ entwickelte Strategie in einem Change Prozess in die gesamte Organisation zu tragen. Viele Ziele lassen sich zudem nur in sorgfältig und strategisch ausgewählten Partnerschaften verwirklichen. Transparenz und Kommunikation nach außen folgen. Das wird durch cleveres Storytelling für Nachhaltigkeit effektiv – hier verschenken viele Potenzial.
Reduce, reuse, recycle. Das ist der Dreisatz einer nachhaltigen Gesellschaft und Wirtschaft. Mit einer konsequenten Ausrichtung auf das Prinzip der Circular Economy können die Unternehmen nun realisieren, was die Politik nur als Paketchen abgegeben hat. Und damit punkten.