Klimawandel: Strategien gegen Desinformation
Um verheerende Auswirkungen des Klimawandels abzuwenden, müssen wir unseren Lebensstil ändern. Lance Bennett, Professor für Politikwissenschaft und Kommunikation an der University of Washington und derzeit Senior Fellow am IASS, erklärt, wie bessere Kommunikation den notwendigen Kurswechsel vorantreiben kann.
29.08.2019
Warum sollten wir uns mehr auf Kommunikation konzentrieren als auf konkrete Probleme wie Recycling oder Fleischkonsum?
Lance Bennett: Wir wissen eine Menge über die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen, die für eine lebenswertere Zukunft notwendig sind. Es scheint momentan aber ein Kommunikationsmodell zu fehlen, das Bürgern, zivilgesellschaftlichen Organisationen, fortschrittlichen Thinktanks und politischen Parteien hilft, sich besser abzustimmen. Umweltaktivisten können gut über Umweltprobleme reden, es mangelt ihnen aber an einer umfassenderen politischen Strategie und einer starken Botschaft zur Wirtschaft. Das ist ein Problem, denn wenn man die Umweltkrise lösen möchte, kann man wirtschaftliche Bedürfnisse und politische Realitäten nicht außer Acht lassen.
Die Kommunikation von Klimapolitik wird angesichts zunehmender organisierter Angriffe auf die Klimaforschung nicht einfacher.
Bennett: Sowohl von gesellschaftlichen Bewegungen – zum Beispiel Gruppen, die die Einwanderung bekämpfen oder Fracking verteidigen – als auch von rechten Parteien und Politikern wird Desinformation betrieben. Ohne die Verbindung zu gewählten Politikern würde die Desinformation über Migranten, den Klimawandel, globalistische Verschwörungen und andere nationalistische Themen in den täglichen Nachrichten nicht so sehr um sich greifen. Nun können Journalisten nicht aufhören zu berichten, was Donald Trump, Jair Bolsonaro oder Alexander Gauland sagen. Darum brauchen wir eine Umweltbewegung, die aufhört, als Ansammlung von Einzelinteressen vorzugehen und dieses Problem oder jene Lösung zu propagieren. Was fehlt, ist eine einheitliche Bewegung mit einem umfassenden Wirtschaftskonzept, für das sich politische Parteien und Entscheidungsträger einsetzen können. Zu diesem Zweck müssen sich führende Organisationen, Thinktanks und Geldgeber um stärkere Ideennetzwerke bemühen, die positivere Wirtschaftsvorstellungen entwickeln. Vorstellungen, in denen Investition und Wachstum sowie Ressourcenverbrauch, Abfallverwertung und sozialer Wohlstand besser gegeneinander abgewogen sind.
Haben Sie in jüngster Zeit Entwicklungen beobachtet, die wirtschaftliche, politische und ökologische Ziele erfolgreich miteinander verbinden?
Bennett: Der Green New Deal, über den in den USA und bei einigen Grünen in Europa diskutiert wird, ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Überschneidungen zwischen Politik, Wirtschaft und Umwelt funktionieren können. Diese einfache Idee schafft ein positives Bild von Arbeitsplätzen, Familie und Gemeinschaft in produktiven Wirtschaftssystemen, die für den Menschen und den Planeten besser sind. Solche Ideen haben – vor allem bei der jüngeren Bevölkerung – eine viel stärkere Wirkung, als wenn immer nur wegen eines sterbenden Planeten die Alarmglocke geläutet wird oder eng gefasste und negativ klingende Lösungen wie CO2-Steuern präsentiert werden, die viele Wähler verärgern. Nachdem dieses Konzept in den USA von demokratischen Politikern – der Abgeordneten des Repräsentantenhauses Alexandria Ocasio-Cortez und Senator Ed Markey – propagiert wurde, hoben die meisten Kandidaten der Partei in der US-Präsidentschaftsdebatte für 2020 die Notwendigkeit hervor, die globale Erderwärmung ernst zu nehmen und Möglichkeiten zu finden, Wirtschafts- und Umweltpolitik besser miteinander zu verknüpfen.
In den vergangenen Monaten am IASS haben Sie ein Buch geschrieben, in dem es um ein Modell für die Entwicklung, Vermittlung und Realisierung von Ideen für eine nachhaltigere Zukunft geht. Können Sie kurz beschreiben, wie dieses Modell funktioniert?
Bennett: Das Buch heißt Communicating the Future. Es beschreibt, wie sich Ideen über einen aus vier Schritten bestehenden Prozess in der Gesellschaft ausbreiten können. Der erste Schritt ist das Hervorbringen von Ideen durch Thinktanks, Forschungsnetze und Interessenvertretungen – unterstützt durch strategischere Visionen seitens der Geldgeber. Dann kommt die wirkungsvolle Verpackung dieser Ideen – zum Beispiel eine andere Art der Einordnung von Umweltproblemen, indem man sich stärker auf Wirtschaftsideen konzentriert. Dadurch wird es möglich, positivere Geschichten über Arbeit, Lebensstil und die Zukunft zu erzählen. Diese Verschiebungen bei der Ideenfindung und Verpackung der Kommunikation führen dann zum dritten Schritt, in dem es um eine bessere Abstimmung der derzeit zersplitterten politischen Netzwerke geht, so dass unterschiedliche Organisationen ähnliche Ideen an ihre eigenen Interessengruppen weitergeben können. Im letzten Schritt wird diese stärkere Einheit der Ideen zur wirtschaftlichen Umgestaltung in öffentlichen Druck umgewandelt, der von politischen Entscheidungsträgern und Parteien aufzunehmen ist.
Hat das schon einmal so funktioniert?
Bennett: Ja, schauen Sie sich nur dieses unwahrscheinliche und utopische Konzept der freien Marktwirtschaft an, das gegen Ende des letzten Jahrhunderts über die Welt hinwegfegte. Entwickelt und weiterhin propagiert wird dieses neoliberale Denken von einem beeindruckend gut koordinierten globalen Netzwerk aus Thinktanks und politischen Förderorganisationen. Aufgrund von Finanzkrise, Sparpolitik der Regierungen, stagnierender Lohnentwicklung und dem Verlust an Unterstützung in der Bevölkerung demokratischer Nationen bricht dieses System jetzt aber zusammen. Diejenigen, die um den Planeten besorgt sind, können nun die Gelegenheit ergreifen, nicht mehr als Ansammlung von Einzelinteressen vorzugehen, sondern über einzelne Themen wie CO2-Steuern, Eisbären und schmelzendes Eis hinauszudenken.
Eine bessere Kooperation ist also der Schlüssel für die Umsetzung einer ambitionierteren Klimapolitik?
Bennett: In gewisser Weise ist das ein Modell für die Entwicklung von öffentlichem Willen und politischer Macht hinter einer zersplitterten Umweltbewegung, die politisch viel mehr bewirken könnte, als sie es tut. In den meisten Nationen macht sich ein Großteil der Bevölkerung bereits Gedanken über die Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Die Aufsplitterung der Umweltschützer in so viele Gruppen lässt die Bewegung aber zu einer Ansammlung eng gefasster Interessen im Kampf um politischen Raum werden. Unterdessen können gut organisierte Wirtschaftsvertreter und vorsichtige Politiker einfach sagen, dass alle diese konkreten Umweltmaßnahmen der Wirtschaft schaden würden. Nachdem man jahrelang so viel Boden verloren hat, könnte sich eine rationalere Bewegung der Entwicklung besserer wirtschaftlicher Ideen und Kommunikationsstrategien widmen.
Es ist an der Zeit, stärkere Kommunikationsnetzwerke zu entwickeln. Deren Schwerpunkt sollte auf Wirtschaftssystemen liegen, die in nachhaltigere Gesellschaften investieren und Konsum und Abfall vorbildlich managen. Anders als die nationalistische Rechte haben Nachhaltigkeitsakteure mächtiges Wissen auf ihrer Seite. Es besteht aber ein erheblicher Mangel an Koordination zwischen Sektoren, Thinktanks, Forschungsinstituten, Geldgebern und politischen Parteien. Das Resultat ist eine schlechte Kommunikation, die all dieses wissenschaftliche Wissen wirkungslos macht.
Die Wissenschaft wird von vielen Seiten angegriffen. Die Aufgabe der Wissenschaftler besteht aber darin, gute Informationen zu liefern und nicht, politische Strategien zu entwickeln. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse mit den Hauptursachen der Nachhaltigkeitsprobleme in Zusammenhang zu setzen, ist die Aufgabe von NGOs, Geldgebern, Aktivisten und politischen Entscheidungsträgern. Sie müssen klarere Visionen entwickeln, wie die Menschen in der Zukunft arbeiten und in Wohlstand leben können.