Klimaneutrales Wohnen? Das muss getan werden
Gebäude sind von Natur aus langlebige Produkte. Deshalb hat ihr CO2-Fußabdruck eine weitreichende Bedeutung. Will Deutschland bis 2050 klimaneutral werden, dann müssen auch Bestandsimmobilien umgestaltet werden. Dabei sind nicht nur Hausbesitzer gefragt, sondern auch die Politik. In Berlin diskutierten Experten jetzt auf Einladung der Wohnungsgesellschaft Vonovia die wichtigsten Handlungsfelder.
09.10.2020
Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Die Grünen rief in ihrer Keynote dazu auf, „Transformation so denken, dass man die Herausforderungen gemeinsam angeht. Wohnen ist die soziale Frage unserer Zeit. Wohnen ist aber auch eine ökologische Frage.“ Deshalb sollten Baustoffe besser genutzt werden. Urban Mining und Kreislaufwirtschaft seien hierfür die richtigen Ansätze. Und es gelte, für Alle bezahlbare Lebens- und Wohnräume in den Innenstädten zu erhalten. „Wir brauchen die 15-Minuten-Stadt“, so Göring-Eckardt. Zugleich drängte sie die Industrie: Da Deutschland seine Klimaschutzziele stärker als bisher gedacht verfehle, drohen bis 2030 zusätzliche EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe. Dazu tragen auch die Immobilien bei.
Vonovia möchte deshalb in der Wohnungswirtschaft Motor für den Klimaschutz sein. Konzepte dafür präsentierte Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen jetzt auf seiner Konferenz „Perspektiven klimaneutralen Wohnens“ auf dem Berliner EUREF-Campus. Die Zeit drängt, denn die Zielvorgaben des Pariser Klimaabkommen sind ambitioniert: Die Emissionen des Gebäudesektors sollen bundesweit von derzeit 118 Mio. Tonnen CO2e auf 70 Mio. Tonnen CO2e in 2030 sinken. Das entspricht einer Minderung um 66 Prozent gegenüber 1990. Der Vonovia-Vorstandsvorsitzende Rolf Buch erklärte: „Eine höhere Energieeffizienz im Gebäudebereich ist eine der Stellschrauben, um die Klimaschutzziele zu erreichen.“ Das alleine werde aber nicht ausreichen, um die Wohnungswirtschaft klimaneutral zu betreiben. Weitere Maßnahmen müssten ergriffen werden.
Wichtig sei dabei, so Rolf Buch, dass die soziale Komponente im Blick behalten werde. Denn nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch bezahlbar und damit Mietern zumutbar. Bei Vonovia wird beispielsweise schon seit 2018 so sanieren, dass die Mehrkosten pro Mieter bei max. zwei Euro je Quadratmeter liegen. Vonovia hat bereits heute eine jährliche Sanierungsrate von über drei Prozent (der Durchschnitt im Gebäudesektor liegt bei rund ein Prozent) und will verstärkt serielles Sanieren nutzen. „Damit klimaneutrales Wohnen gelingen kann und bezahlbar bleibt, braucht es allerdings veränderte Rahmenbedingungen. Es braucht Anreize, um zum Beispiel Energiesprong-Projekte zu ermöglichen, die für Mieterinnen und Mieter warmmietenneutral sind“, erläuterte Rolf Buch.
Der geforderte Pfadwechsel hin zu Klimaneutralität ist bei genauer Betrachtung schwierig: Derzeit liegen die CO2-Emissionen bei rund 47 kg CO2e/m². Mit Sanierungen nach derzeitigem Stand der Technik wie etwa Erneuerung der Heizanlagen, Fenster und Dämmung lassen sich die Emissionen auf rund 25 kg CO2e/m² senken. In einem „hybriden Szenario“ kommen zusätzlich dazu Brennwerttechnik und Solaranlagen zum Einsatz. Damit könnten die Emissionen auf rund 15 kg CO2e/m2 gesenkt werden. Um weitestgehend klimaneutral zu werden müssten darauf aufsetzend noch grüne Fernwärme, Sektorkopplung sowie Wasserstoff statt Erdgas zum Einsatz kommen. Die CO2-Emissionen liegen dann bei unter fünf kg CO2e/m2. Endgültig klimaneutral werden Gebäude dann mit Hilfe entsprechender Baustoffe, die bereits eine negative CO2-Bilanz in sich tragen.
Um diese radikale Dekarbonisierung umzusetzen muss die gesamte Wärmeversorgung "grüner" werden. Vonovia gehr dabei davon aus, dass der Strombedarf aufgrund von E-Mobilität, Wärmepumpen etc. steigen wird. Umso wichtiger sei es deshalb, dass erneuerbare Energien entsprechend ausgebaut werden. Dafür brauche es dezentrale, lokale Stromerzeugungsmöglichkeiten und Quartiersansätze.
Vonovia investiert deshalb jährlich in die Installation von Photovoltaikanlagen mit einem Nennwert von 5 MWp. Der mit Photovoltaik erzeugte Strom soll zukünftig u.a. in Wasserstoff umgewandelt werden, mit dem über eine Brennstoffzelle im Winter die Gebäude beheizt werden können. Die Akzeptanz dafür soll auch dadurch gesichert werden, indem man auf vereinfachte Mieterstrommodelle setzt, mit denen Mieter sich an der Energiewende beteiligen können. Politisch fordert der Bochumer Dax-Konzern einen Wegfall der EEG-Umlage sowie das Recht, solche Stromverteilnetze eigenständig betreiben zu dürfen.