Wo effizienter Klimaschutz auf europäischer Ebene anfängt?
Wir selbst können dazu beitragen, dass in Europa weniger CO2 ausgestoßen wird: Zum Beispiel durch eine pflanzenbasierte Ernährung mit Bio-Lebensmitteln, Fahrrad statt Auto, Ökogas statt Erdgas. Und Ökostrom!? Ökostrom ist auf jeden Fall der richtige Schritt – warum eine Umstellung jedoch nur einen geringen Einfluss auf den europäischen CO2-Ausstoß hat, erklärt Gastautorin Ruth von Heusinger von ForTomorrow.
07.07.2020
von Ruth von Heusinger
Der Klimawandel findet statt. Die Welt hat sich bereits fast ein Grad im Vergleich zum vorindustriellen Niveau erwärmt. Um das weltweite Ökosystem weitestgehend im Gleichgewicht zu halten, müssten wir die Erderwärmung bei 1,5 Grad stoppen. Dafür bleiben bei gleichbleibenden Emissionen noch etwa siebeneinhalb Jahre. Die Zeit läuft uns davon! Selbst wenn die aktuellen nationalen Klimaschutzpläne des Paris-Abkommens umgesetzt werden, wird die Welt sich auf über drei Grad erwärmen. Für das 1,5 Grad Ziel müssten laut UN-Umweltprogramm die weltweiten Emissionen von 2020 bis 2030 jährlich um 7,6 Prozent sinken. Selbst die massiven, weltweiten Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie bewirken wahrscheinlich im Jahr 2020 nur einen Rückgang um 4,2 bis 7,5 Prozent.
Wo sollte man also ansetzen?
Am einfachsten bei sich selbst, mit weitreichenden Effekten. Kein Rindfleisch mehr zu essen und generell Bio-Produkte zu kaufen: reduziert direkt den CO2-Ausstoß in Europa. Öffentliche Verkehrsmittel nutzen, ein Elektroauto oder noch besser aufs Fahrrad umzusteigen: reduziert direkt den CO2-Ausstoß in Europa. Die private Gasheizung auf wirkliches Ökogas umstellen: reduziert direkt den CO2-Ausstoß in Europa. Ein bisschen Vorsicht ist bei letzteren geboten. Denn anstelle von konventionellem Gas mit grünem Anstrich gilt es auf Ökogas-Anbieter zu setzen, deren Gas klimaneutral aus Reststoffen zum Beispiel von Zuckerrüben gewonnen wird – Erdgas sollte bleiben, wo es ist: in den Tiefen unserer Erde.
Und Ökostrom!?
Privat auf Ökostrom umzustellen, ist in jedem Fall ein sinnvoller Schritt. Auf den europäischen CO2-Ausstoßes hat dies jedoch kaum Einfluss. Das hängt ganz einfach mit dem europäischen Emissionshandel zusammen. Für die CO2-Emissionen der Stromproduktion – wie auch des innereuropäischen Flugverkehrs oder anderen Industriezweigen – müssen Unternehmen in Europa Emissionsrechte kaufen. Die Menge der Emissionsrechte bleibt dabei gleich, unabhängig davon ob Privatpersonen Ökostrom verwenden oder nicht, denn die durch den Ökostrom eingesparten Emissionen werden an anderer Stelle, beispielsweise von der Stahl- oder Zementindustrie, emittiert. Trotzdem ist es langfristig sinnvoll und richtig zu Ökostrom zu wechseln und innereuropäische Flüge durch Bahnfahrten zu ersetzen. Es ist der richtige Schritt in die Zukunft. Will man die europäischen Emissionen in Bereichen des Emissionshandels reduzieren, ist es am effektivsten Emissionsrechte aus dem Markt zu nehmen. Hierdurch wird die Gesamtmenge an Emissionsrechten und damit an europäischen CO2-Emissionen reduziert. Und genau das tut ForTomorrow.
ForTomorrow macht den EU-Emissionshandel für private Personen zugänglich
Mit der gemeinnützigen GmbH ForTomorrow wird es Einzelpersonen und Familien auf einfache Art und Weise ermöglicht, klimaneutral zu leben und CO2-Emissionen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen kontinuierlich zu reduzieren. Der Ausgleich funktioniert über zwei Maßnahmen: Einerseits pflanzt ForTomorrow Bäume in Deutschland, die das ausgestoßene CO2 wieder aus der Luft holen. Andererseits kauft die gemeinnützige GmbH den großen Emittenten in Europa, beispielsweise der Stahl- oder Zementindustrie oder Kohlekraftwerken, Emissionsrechte weg. Fehlen die Emissionsrechte, müssen die Unternehmen entweder umrüsten, sodass sie weniger CO2 verursachen, oder abschalten. Das Ergebnis: In der EU wird insgesamt weniger CO2 ausgestoßen. Da der EU-Emissionshandel sehr komplex ist, unterstützt der Experte Professor Dr. Grischa Perino von der Universität Hamburg ForTomorrow als wissenschaftlicher Beirat und beaufsichtigt die Löschung der Zertifikate. Damit macht die gGmbH den EU-Emissionshandel für private Personen zugänglich.
Doch das ist noch nicht alles. Eine reine Reduktion der Emissionen reicht nicht mehr, um den Klimawandel zu stoppen. Auch muss der CO2-Gehalt in der Luft reduziert werden. Darum pflanzt ForTomorrow zusätzlich neue Wälder in Deutschland – denn Bäume sind der beste Weg, um CO2 aus der Luft zu holen und gleichzeitig neuen Lebensraum zu schaffen.
Mit einem Klima-Abo klimaneutral leben
Bei ForTomorrow gibt drei verschiedene Klima-Abos “Für dich”, “Für deine Familie” und “Für CO2 Experten”. Diese bewirken eine direkt Veränderung in Europa. Im Moment ist es noch relativ günstig den CO2-Ausstoß zu kompensieren. Das “Für dich” Abo gleicht den CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen Deutschen für 20 Euro pro Monat aus. Durch den Abschluss des Abos pflanzt ForTomorrow pro Jahr 22 Bäumen in Deutschland und kauft so vielen Emissionsrechte, dass zum Beispiel ein Steinkohlekraftwerk sieben Minuten abschalten muss. Und da ForTomorrow gemeinnützig ist, erstattet das Finanzamt durchschnittlich ein Drittel des Abo Preises zurück. Zusätzlich hilft ForTomorrow den persönlichen CO2-Ausstoß langfristig auf unter eine Tonne zu reduzieren.
Über Ruth von Heusinger
Die diplomierte Physikerin gründete ForTomorrow als gemeinnütziges Unternehmen. Gäbe es den Klimawandel nicht, hätte Ruth nach ihrem Studium über die theoretische Teilchenphysik promoviert. Stattdessen stieg sie 2010 bei dem damals größten europäischen Produzenten erneuerbarer Energie ein – und arbeitete nach Trainee-Stationen als Analystin und in der Kraftwerkseinsatzplanung als Business Developer im Bereich des Europäischen CO2 -Zertifikate-Handel. Doch all das war profitorientiert. So wechselte sie 2015 zur gemeinnützigen Klimaschutzorganisation atmosfair, wo sie den Markt der freiwilligen Kompensation und den Non-Profit-Bereich kennenlernte. Allerdings fehlte hier die Möglichkeit, mit Klimaschutzmaßnahmen in Europa zu kompensieren. Die Entscheidung, ein eigenes Unternehmen zu gründen, fiel während ihrer zweiten Elternzeit. Im Dezember 2019 gründete Ruth von Heusinger schließlich die gemeinnützigen GmbH ForTomorrow in Berlin.