Der Meeresspiegel an Nord- und Ostseeküste steigt
Weltweit steigt der Meeresspiegel durch den Klimawandel an. Oft werden damit Schicksale von Menschen weit entfernter Regionen assoziiert. Doch wie sieht es an unseren Küsten aus? Wie stark ist der Meeresspiegel in den letzten 100 Jahren an Nord- und Ostsee angestiegen? Steigt er immer schneller? Und was bringt die Zukunft? Diese Fragen beantwortet der neu entwickelte Meeresspiegel-Monitor unter Berücksichtigung aktueller Wasserstandsdaten.
02.04.2021
„Durch die regelmäßige Aktualisierung der Auswertungen können wir nun früh erkennen, ob der Meeresspiegelanstieg auch bei uns an Fahrt aufnimmt und wo uns ein ,Weiter so‘ hinführen könnte“, sagt Küstenforscherin Insa Meinke, die den Monitor zusammen mit ihren Kollegen am Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) entwickelt hat. Der Monitor ist frei verfügbar unter meeresspiegel-monitor.de. Er richtet sich an alle Menschen, die an der Küste wohnen, entscheiden und langfristig planen.
Anstieg ist auch bei uns feststellbar
In Norddeutschland ist der Anstieg des mittleren Meeresspiegels eine der deutlichsten bereits messbaren Folgen des Klimawandels. Er lässt sich an allen acht Pegeln nachvollziehen, die Gegenstand des Meeresspiegel-Monitorings sind. So zeigen die Auswertungen der Wasserstandsdaten, dass der mittlere Meeresspiegel an unseren Küsten in den letzten hundert Jahren (1921 bis 2020) um etwa 15 bis 20 Zentimeter gestiegen ist. Das entspricht ungefähr dem globalen mittleren Meeresspiegelanstieg im selben Zeitraum. An den meisten Pegeln zählt der aktuelle mittlere Meeresspiegel zu den höchsten seit Beginn der Datenverfügbarkeit.
Bei uns bisher keine ungewöhnliche Beschleunigung
Für die vergangenen Jahrzehnte dokumentiert der Weltklimarat (IPCC) eine Beschleunigung des globalen mittleren Meeresspiegelanstiegs. An den Pegeln der deutschen Küsten steigt der Meeresspiegel aktuell zwar schneller als im langjährigen Durchschnitt, eine systematische Beschleunigung lässt sich jedoch bisher nicht nachweisen. Als feste Standorte, deren frühere und aktuelle Pegelstände dem Meeresspiegel-Monitoring zu Grunde liegen, wählten die Wissenschaftler an der Nordsee Husum, Helgoland, Cuxhaven und Norderney sowie an der Ostsee Flensburg, Kiel, Travemünde und Warnemünde.
Früherkennung kritischer Entwicklungen
Die 2019 veröffentlichten Klimaszenarien des IPCC weisen darauf hin, dass der globale mittlere Meeresspiegel künftig immer schneller steigen kann. So ist bei anhaltend hohem Ausstoß von Treibhausgasen bis 2100 ein Anstieg von etwa 60 bis 110 Zentimetern plausibel. Gelingt es, Treibhausgasemissionen nennenswert zu reduzieren, muss bis 2100 trotzdem mit einem globalen mittleren Meeresspiegelanstieg von 30 bis 60 Zentimetern gerechnet werden. Da verschiedene Studien vermitteln, dass sich der Anstieg an unseren Küsten nur unwesentlich vom globalen Mittel unterscheiden wird, zeigt der Monitor an, ob die aktuellen Werte bereits Vorboten der IPCC-Szenarien sind: „Schreibt man den bisherigen Meeresspiegelanstieg an unseren Küsten bis 2100 fort, so zeichnet sich das beschriebene Worst Case Szenario des IPCC bisher bei uns nicht ab“, sagt Insa Meinke. Dies könnte sich aber ändern. Das fortlaufende Monitoring des aktuellen Meeresspiegelanstiegs im Hinblick auf die IPCC-Szenarien ermöglicht die Früherkennung kritischer Entwicklungen. So können rechtzeitig notwendige Maßnahmen ergriffen werden.