Klimawandel

Klimaneutralität in der Unternehmenspraxis

Anfang 2021 haben der Verband Klimaschutz-Unternehmen und das Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel ein gemeinsames Projekt gestartet. Ziel ist es, Unternehmen bei der operativen Umsetzung von Klimaneutralität zu unterstützen. Das Projekt läuft bis zum 31. Dezember 2022 und wird von den teilnehmenden Unternehmen finanziert.

19.05.2021

„CO2-Neutralität ist in aller Munde, aber welche Unternehmen sind wirklich klimaneutral?“, fragt der Geschäftsführer des Vereins Klimaschutz-Unternehmen, Wolfgang Saam. Diese Frage stellen sich viele. In dem zweijährigen Kooperationsprojekt „Wege zum klimaneutralen Unternehmen“ werden für die beteiligten Betriebe maßgeschneiderte Fahrpläne entwickelt, um klimaneutral zu werden.

„Mit unserem Projekt wollen wir Unternehmen helfen, ihre Effizienz zu verbessern und komplett auf erneuerbare Energie umzusteigen, damit Kompensation die Ausnahme bleibt“, beschreibt Saam den Ansatz des Projekts. Diesen Weg gehen zehn Klimaschutz-Unternehmen. Wissenschaftlicher Partner ist der Fachbereich Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel.

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Darunter sind die zwei Energieversorgungsunternehmen Energiedienst und Stadtwerke Karlsruhe sowie mehrere Industriebetriebe: Die Elektrotechnikhersteller Phoenix Contact und Weidmüller, der Kunststoffspritzgießer Förster Kunststofftechnik, das auf Feuerverzinkung spezialisierte Unternehmen Zinq sowie Schöck Bauteile aus der Baubranche. Beteiligt sind außerdem die Brauerei Neumarkter Lammsbräu, der Versicherer Provinzial und das Chemieunternehmen Worlée-Chemie.

Das Projekt setzt da an, wo sich viele Betriebe schwertun, die klimaneutral werden wollen: Bei der praktischen Umsetzung. „Für Unternehmen ist Klimaneutralität ein wichtiger Baustein für aktiven Klimaschutz. Doch noch ist nicht klar definiert, was das genau heißt. Eine DIN-Norm ist zwar in Arbeit, aber es dauert sicher noch ein bis zwei Jahre, bis die kommt“, weiß Prof. Jens Hesselbach von der Universität Kassel. Als Leiter des Fachgebiets Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) arbeitet er schon seit 2002 auf den Gebieten Energie- und Ressourceneffizienz, dezentrale und erneuerbare Energien und berät Unternehmen zu Klimaschutz und Klimaneutralitätsstrategien. Er und sein Team liefern den teilnehmenden Unternehmen fachlichen Input mit Seminaren zu Themen wie Energieträger und -optionen, Wärmewende, Carbon Pricing Instrumente oder Science Based Targets. Parallel dazu analysiert das upp die Daten der Betriebe und macht mit ihnen dreitägige Workshops, in denen sie CO2-Fußabdrücke ermitteln und individuelle Klimaneutralitäts-Szenarien erarbeiten. Bis Ende 2022 entwickeln sie mit jedem Unternehmen Gesamtstrategien und passende individuelle Fahrpläne für den Weg zur Klimaneutralität.

Projekt Wege zum klimaneutralen Unternehmen

Leitlinien für Klimaneutralität

Das Projekt hilft Unternehmen, ihren eigenen Weg zu planen und mit passenden Maßnahmen zu unterlegen. „Wir machen Klimaneutralität für die betriebliche Praxis. Mit den kleinen, mittleren und großen Betrieben, die teilnehmen, erarbeiten wir Pläne und Maßnahmen für die operative Umsetzung“, betont Hesselbach. Er ergänzt: „Aus den Ergebnissen entwickeln wir Leitlinien für Klimaneutralität, an denen sich Unternehmen verschiedener Branchen und Größen orientieren können.“

Zur Motivation beim Projekt mitzumachen, sagt der Vorsitzende der Geschäftsleitung von Energiedienst, Dr. Jörg Reichert: „Ökostrom produzieren wir schon seit 1998. Seit 2020 arbeitet Energiedienst klimaneutral. Wir wollen unsere Erfahrungen teilen, aber auch unsere Klimaneutralität weiter verbessern und die noch notwendige Kompensation weiter verringern. Im Projekt entwickeln wir dazu neue Ansätze. Das Projekt ist auch deshalb hochinteressant für uns, weil wir mit Grünstrom und Wärme- und Energielösungen unseren Kunden helfen wollen, selbst klimaneutral zu werden.“ Auch der Elektrotechnikhersteller Phoenix Contact will seinen Anwendern klimaneutrale Produkte anbieten und erarbeitet entsprechende Maßnahmen: „Phoenix Contact hat alle deutschen Standorte auf Ökostrom ungestellt. Bis zum Jahresende sollen weltweit alle Standorte der Gruppe klimaneutral operieren. Bis 2030 will Phoenix Contact in seinen gesamten Wertschöpfungs- und Lieferketten komplett klimaneutral werden. Im Projekt entwickeln wir dazu eine Strategie, die Umstellung auf Ökostrom spielt dabei eine wesentliche Rolle,“ so COO Torsten Janwlecke.

Klimaschutz-Unternehmen e.V.

Bis heute hat das upp Workshops mit der Hälfte der Betriebe gemacht. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Unternehmen schon erfolgreich das Klima schützen und sich an ambitionierten Zielen wie den Science Based Targets orientieren können. Es gibt viele Beispiele, bei denen sie direkt in ihrer Wertschöpfungskette oder in ihrem Umfeld CO2-Emissionen vermeiden: Förster Kunststofftechnik verwendet Mehrwegverpackungen und Schöck Bauteile reduziert bei seinen Verpackungen die Folien. Jobräder für ihre Mitarbeiter*innen haben beide Unternehmen. Phoenix Contact bietet seiner Belegschaft sowohl Jobräder als auch -tickets an. Als Energieversorger spendet Energiedienst Photovoltaikanlagen für Schulen, Kitas und Vereine. Die Stadtwerke Karlsruhe bilanzieren ihre CO2-Einsparungen mit sogenannten KLIMA-Zählern. Dabei speisen sie alle Maßnahmen, mit denen sie CO2 einsparen, in eine zentrale Datenbank ein. Zinq plant seinen Wärmebedarf auf kohlenstoff-freie Energieträger umzustellen, indem sie Erdgas durch wasserstoffhaltiges Energiegas aus einer Kokerei in der Nähe ersetzen. Damit machen sie einen Schritt in Richtung vollständige Dekarbonisierung und bereiten die Umstellung auf Wasserstoff vor. Bei all diesen Maßnahmen ist es für die Unternehmen wichtig, sie richtig zu bilanzieren, damit sie auf ihre Klimaneutralität einzahlen. Auch dafür gibt das Projekt praktische Hilfestellung.

Von den Erkenntnissen der beteiligten Unternehmen und den Leitlinien zur Klimaneutralität können andere Betriebe profitieren. Nicht zuletzt macht das Projekt einen Praxistest für die deutschen Klimaziele und wird die Hemmnisse, die die Unternehmen auf ihrem Weg zur Klimaneutralität sehen, in die Politik tragen.

Klimaschutz-Unternehmen e.V. ist ein branchenübergreifendes Unternehmens-Netzwerk der deutschen Wirtschaft, das sich mit innovativen Lösungen für das Erreichen der klimapolitischen Ziele Deutschlands einsetzt. Auf Initiative des Bundesumweltministeriums (BMU), des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) gegründet, gehören dazu heute 46 Unternehmen aller Größenklassen.
www.klimaschutz-unternehmen.de

Das Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (upp) der Universität Kassel arbeitet in verschiedenen Forschungs- und Industrieprojekten auf den Gebieten Energie-, Ressourceneffizienz, dezentrale und erneuerbare Energien sowie Klimaschutz und Klimaneutralitätsstrategien. Dazu gehören die Erfassung, Auswertung und Benchmarking von Energiedaten, flexible Energieversorgung und Lastmanagement, Klimaschutzkonzepte und Klimaneutralitätsstrategien.
www.upp-kassel.de

Quelle: UD/cp
 

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