„Die Rolle von Wäldern im Klimaschutz wird zu optimistisch eingeschätzt“
Aktuell findet die Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen in Dubai statt. Jürgen Bauhus, Marc Hanewinkel und Friederike Lang äußern sich aus diesem Anlass über die Waldpolitik im Zeichen des Klimawandels.
07.12.2023
Weil Wälder große Mengen Kohlenstoffdioxid speichern, gelten sie als ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Die Vereinten Nationen haben daher 2021 beschlossen, die globale Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen. Wie dieses Vorhaben vorankommt, wird auf der aktuell stattfindenden Klimawandelkonferenz der Vereinten Nationen in Dubai (30. November bis 12. Dezember 2023) besprochen.
„Diese Diskussion beruht jedoch teilweise auf falschen Annahmen und unterschätzt die Risiken, vor denen unsere Wälder stehen“, sagt der Waldbau-Experte Prof. Dr. Jürgen Bauhus. Zusammen mit dem Forstökonomen Prof. Dr. Marc Hanewinkel und der Bodenökologin Prof. Dr. Friederike Lang erforscht er an der Fakultät für Umwelt und Natürliche Ressourcen der Universität Freiburg, wie die Wälder der Zukunft ihre wichtigen Funktionen für Mensch und Natur weiterhin erfüllen können. Die UN würden die Rolle von Wäldern im Klimaschutz viel zu optimistisch sehen, so die drei Forschenden.
Wälder werden zu CO2-Quellen
„Wälder sind selbst Leidtragende des Klimawandels“, sagt Lang. „Der Klimawandel führt zu mehr akuten Extremereignissen wie Hitze, Stürmen, Waldbränden und langen Trockenphasen, die zur Austrocknung der Böden führen. Die veränderten Bedingungen begünstigen die Ausbreitung von Schaderregern und führen dazu, dass viele Baumarten in ihren angestammten Gebieten nicht mehr gedeihen können.“ So komme es zu einem klimabedingten Absterben der Bäume, die dann kein CO2 mehr aufnehmen können. Dadurch wird das bereits in Bäumen und Böden gespeicherte CO2 teilweise wieder freigesetzt und in die Atmosphäre entlassen.
Um Wälder als wichtigen Kohlenstoffspeicher zu erhalten, gelte es vor allem, die Erderwärmung zu begrenzen. Werde die Nutzung fossiler Brennstoffe nicht schnell und massiv reduziert, „dann wäre es naiv zu glauben, dass Wälder durch die Speicherung von atmosphärischem CO2 als Kohlenstoff im Ökosystem negative Emissionen in einer Größenordnung bewirken können, die einen Anstieg der globalen Temperatur auf 1,5 oder 2,0 Grad Celsius begrenzen würde“, warnt Hanewinkel.
Aktive Klimawandelanpassung
Auf der UN-Klimakonferenz sollte deshalb anders über Wälder nachgedacht werden, empfehlen die Forschenden. „Die bisherigen Ansätze zur Erhaltung und Restaurierung von Wäldern sind zu vergangenheitsorientiert“, sagt Bauhus. Zu oft werde versucht, Waldökosysteme so zu bewahren, wie sie vor Jahrzehnten waren. Weil sich die Lebensbedingungen für Flora und Fauna durch den Klimawandel aber stark verändert hätten, sei dieser Ansatz meist aussichtslos. Vielmehr brauche es „eine Kombination aus natürlicher Entwicklung und aktivem Forstmanagement, um unsere Wälder möglichst schnell an die neuen Bedingungen anzupassen“. Dies umfasse beispielsweise Versuche mit alternativen Baumarten sowie eine Verjüngung und Diversifizierung des Waldes.
Den Umbau des Waldes sozial und wirtschaftlich gestalten
Bei der gesteuerten Klimawandelanpassung der Wälder sollten auch soziale Faktoren mitbedacht werden. Die Wälder würden durch den Umbau ihre Gestalt verändern, und das könne „Widerstand in der Bevölkerung auslösen, der ihr gewohnter Wald beispielsweise als Erholungs- und Freizeitgebiet wichtig ist“, meint Hanewinkel. Entscheidend sei es daher, die Öffentlichkeit gut über die notwendigen Anpassungsmaßnahmen zu informieren und zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Ansprüchen auf den Wald zu vermitteln.
Erschwert werde die Klimawandelanpassung der Wälder auch „durch inkohärente Ziele der Abkommen zum Wald- und Artenschutz“ sowie durch eine Verlagerung von Treibhausgasemissionen und Beeinträchtigungen der Biodiversität in Länder mit schwächerer Regulierung, ergänzt Bauhus. „Wir brauchen daher eine bessere internationale Abstimmung der Maßnahmen.“
Zudem müsse die Politik stärkere wirtschaftliche Anreize zur Anpassung der Wälder setzen, betont Hanewinkel. „Im Moment werden Waldbesitzer*innen nur für das Holz bezahlt, das sie produzieren. Wälder erfüllen aber noch viel mehr Ökosystemleistungen: Sie binden CO2, speichern Wasser, schützen Böden, stärken die Biodiversität, dienen der Erholung und vieles mehr.“ Würden diese wichtigen Leistungen angemessen entlohnt, könne das ein wesentlicher Schritt zur Erhaltung und Klimawandelanpassung der Wälder sein, sind sich die drei Forstexpert:innen einig.