Isabel Pokorni: „Umwelt- und Klimaschutz geht uns alle an“
Isabel Pokorni, Leiterin Umwelt- und Energiemanagement bei Porsche, berichtet zu aktuellen standortbezogenen Aktivitäten im Bereich Umwelt und erklärt, wie Porsche anhand der Vision einer „Zero Impact Factory“ schrittweise seine Umweltbelastungen senken kann.
11.01.2024
Isabel, warum liegt dir Nachhaltigkeit am Herzen?
Isabel Pokorni: Nachhaltigkeit verbinde ich mit Begriffen wie Dauerhaftigkeit oder Zukunftsfähigkeit. Nachhaltig zu handeln, bedeutet für mich, heute auf eine Art und Weise zu wirken, die es uns ermöglicht auch morgen noch das tun zu können, was uns Freude bereitet. Dies lässt sich auch auf ein Unternehmen wie Porsche übertragen. Neben der Entsprechung von aktuellen und neuen Gesetzgebungen, ESG-Ratings oder den Interessen unserer Stakeholder sollte aus meiner Sicht dabei stets eines im Vordergrund stehen: Die Zukunftsfähigkeit. Nachhaltigkeit geht dabei weit über den reinen Umwelt- oder Klimaschutz hinaus – dies wird oftmals missverstanden. Der Begriff umfasst deutlich mehr, lässt sich eher als ein Handlungsprinzip verstehen, welches die Maxime verfolgt, zukunftsfähig oder, etwas greifbarer, „enkelgerecht“ zu wirtschaften. Dies umfasst neben ökologischen Themen auch die Bereiche Soziales und Ökonomie.
In welchen Bereichen kann Porsche ökologische Umweltauswirkungen verursachen?
Isabel Pokorni: Die gesamte ökologische Nachhaltigkeitsdimension von Porsche ist sehr komplex. Umweltauswirkungen können beispielsweise durch den Bau und den Betrieb unserer Gebäude und Standorte, die Produktion und Entwicklung unserer Fahrzeuge, die notwendige Logistik, die Beschaffung oder auch durch den Vertrieb unsere Produkte entstehen. Diese Wertschöpfungsschritte benötigen Ressourcen wie unter anderem Energie, Fläche und Wasser. Zudem können dabei auch Schadstoffe, Emissionen, Abwasser oder Abfall entstehen.
Wie kannst du mit deinem Team zu einer stufenweisen Reduzierung der Umweltauswirkungen beitragen?
Isabel Pokorni: Die ökologischen Themen bei Porsche sind sehr breit gefächert und über viele Bereiche verteilt. Unser Aufgabengebiet umfasst dabei konkret die Steuerung und Weiterentwicklung der Umwelt- und Energiestrategie, die Verbesserung von Umwelt- und Energiekonzepten sowie des Umwelt- und Energiemanagements. Dabei betrachten und bewerten wir die bereits genannten Umweltauswirkungen.
Wie geht ihr dabei vor und wie könnt ihr dadurch einen Mehrwert für Porsche generieren?
Isabel Pokorni: Mein Team und ich verantworten das sogenannte Umwelt- und Energiemanagementsystem, welches organisatorisch und prozessual die Klammer für ökologische Themen der Nachhaltigkeit bildet. Dieses System funktioniert wie eine Art Gerüst aus Abläufen, Anforderungen oder auch Methodiken. Dieses Gerüst nutzen wir an den Porsche-eigenen Standorten und bei ausgewählten Tochtergesellschaften, um systematisch und kontinuierlich die Umweltauswirkungen zu reduzieren.
Daneben sind wir vorranging beratend für interne Fachbereiche tätig. Jeder Fachbereich hat spezifische Bedarfe – auch mit einem Umweltbezug – bei seinen Projekten und kommt mit seinen Frage- und Bewertungspunkten auf uns zu. Die Anfragen werden dabei immer komplexer und erfordern vom Team eine hohe Qualität bei der Bearbeitung. Ein aktuelles Beispiel ist die Beschaffung einer Kältemittelanlage im Bereich der Entwicklung. Dort haben wir die ökologischen Folgen der einzelnen Alternativen bewertet. Die Mehrkosten bei der Beschaffung konnten wir über unseren Fond zur Förderung von ökologischen Pilotprojekten finanzieren. Durch die enge Zusammenarbeit mit den Fachbereichen und die Möglichkeit der ergänzenden Finanzierung, konnte die ökologisch sinnvollere Anlage beschafft werden.
Porsche verfolgt für seine Werke seit einiger Zeit die Vision einer sogenannten „Zero Impact Factory“. Was genau lässt sich darunter verstehen?
Isabel Pokorni: Unter diesem ökologischen Zielbild können eine Fahrzeugproduktion oder sogar ganze Standorte mit stark reduzierten negativen Umweltauswirkungen verstanden werden. Perspektivisch wollen wir den ökologischen Fußabdruck Stück für Stück auf ein Minimum reduzieren. Erreicht werden kann dies unter anderem durch die Schließung von Wertstoffkreisläufen, mit hocheffizientem Anlagenbetrieb und der verstärkten Vermeidung von Emissionen und Schadstoffen. Stand heute ist eine vollständige Reduktion auf „Zero“, also komplett auf null, faktisch kaum zu erreichen. Wir halten dennoch an unserer ambitionierten Vision fest und verfolgen diese an unseren Produktionsstandorten Stuttgart-Zuffenhausen und Leipzig sowie für den Entwicklungsstandort in Weissach.
Wie könnt ihr ermitteln, wo Porsche in Bezug auf die Vision einer „Zero Impact Factory“ heute steht und in welchen Bereichen es Optimierungsbedarfe gibt?
Isabel Pokorni: Die Vision kann über zwei Bausteine operationalisiert werden: Durch sogenannte „Impact Points“ und anhand einer Standortcheckliste. „Impact Points“ sind eine eigens entwickelte Messgröße der Umweltauswirkungen im Betrieb der Porsche-Standorte. Sie funktionieren wie ein Währungsrechner und ermöglichen es uns bspw. die negativen Auswirkungen von Luftschadstoffen mit Abfällen, Wasser oder Energie zu vergleichen und Schwerpunkte zu identifizieren. Darüber hinaus ermöglicht uns die Nutzung dieser Messgröße regionale Besonderheiten zu berücksichtigen. Auch hier ein Beispiel zur Veranschaulichung: Die lokale Wasserknappheit ist an unserem Standort in Leipzig stärker ausgeprägt als etwa in Stuttgart-Zuffenhausen. Daher erfährt das Kriterium Wasserverbrauch in Leipzig eine entsprechend höhere Gewichtung. Der zweite Baustein für die Vision der „Zero Impact Factory“, die Standortcheckliste, verfolgt einen anderen methodischen Ansatz. Sie beinhaltet knapp 150 Kriterien und Anforderungen an übergeordnete Themen, wie zum Beispiel die energetische Qualität unsere Gebäude, die Energieeffizienz von Anlagen oder den Umgang mit Verpackungsabfällen. Aus diesen Informationen können wir konkrete Maßnahmen ableiten und in die Umsetzung gehen.
Welche Maßnahmen kannst du diesbezüglich besonders hervorheben?
Isabel Pokorni: Einen sehr großen Beitrag konnten wir bereits vor einigen Jahren durch die Umstellung des Energiebezuges der Werke erreichen. Porsche bezieht an den Standorten Stuttgart-Zuffenhausen, Leipzig und Weissach beispielsweise Naturstrom aus erneuerbaren Energiequellen und auch bilanziell CO2-neutralem Biomethan zur Wärmeerzeugung. Wir sind damit einen wichtigen Schritt gegangen und sehen uns nun in der Pflicht, weitere folgen lassen. Deswegen arbeiten wir weiterhin daran, an den Standorten individuelle Konzepte zur Erzeugung von Strom durch erneuerbare Energien, wie zum Beispiel aus Photovoltaikanlagen auf dem Firmengelände, zu entwickeln und umzusetzen.
Mit einer aktuell getroffenen und aus meiner Sicht wegweisenden Unternehmensentscheidung, konnten wir wichtige Weichen für die Zukunft stellen: Für sechs ausgewählte Bauprojekte pilotiert Porsche ab 2024 ein neues Vorgehen und stellt diesen ein zweckgebundenes Nachhaltigkeitsbudget von sechs Prozent des Baubudgets zur Verfügung. Dieses Budget soll verwendet werden um beispielsweise recyclinggerechte Konstruktionen, ökologisch hochwertige Baustoffe, effizientere Anlagen zur Wärme- und Kälteerzeugung oder aber auch zusätzliche Planungsleistungen für möglichst sinnvolle Umnutzungskonzepte zu realisieren. Rein wirtschaftlich betrachtet erfordern diese Art von Maßnahmen naturgemäß am Anfang eine etwas höhere Erstinvestition, amortisieren sich jedoch über die lange Nutzung unserer Gebäude.
Was würdest du dir für die Zukunft bei diesem Thema wünschen?
Isabel Pokorni: Im Falle der Vision einer „Zero Impact Factory“ sind wir auf einem guten Weg und erarbeiten aktuell die Leitplanken um den gemeinsamen Zielen immer näher zu kommen. In den vergangenen Jahren zeigten sich immer mehr Mitarbeitende und Fachbereiche, die – angetrieben durch eine hohe Eigenmotivation – bereit sind, vorhandene Denkmuster zu durchbrechen und mutig zu sein. Genau davon lebt dieses Thema und daher möchte ich auch alle dazu ermutigen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um positive Veränderungen herbeizuführen. Exemplarisch zu nennen ist hier unsere Zusammenarbeit mit der Hauptabteilung Motorsport, die das gemeinsam geschaffene Projekt zur Umwelt- und Nachhaltigkeitsinitiative im Motorsport bereits in dieser Interviewreihe vorstellen durften. Wir konnten durch beidseitige Unvoreingenommenheit und Offenheit die gesamte strategische Basis entwickeln und bereits erste Schritte zur Reduzierung von Umweltauswirkungen im Motorsport umsetzen. Dies hat gezeigt: Wenn wir Dinge hinterfragen und – wenn sinnvoll – bestehende Wege verlassen, dann können wir Veränderungen anstoßen. Diesen positiven Wandel möchte ich persönlich fördern und mit dem täglichen Engagement meiner Kollegen eine spürbare Veränderung im Unternehmen bewirken. Ich möchte hierbei gemeinsam mit meinem Team mit gutem Beispiel vorangehen, denn Umwelt- und Klimaschutz geht uns alle an.