Klimaschädliche Subventionen im Verkehr schwächen CO2-Bepreisung
Einige Hundert Euro Belohnung pro Tonne CO2: Subventionen im Verkehr, wie das Diesel- oder Dienstwagenprivileg, bedeuten negative CO2-Preise in Höhe von minus 70 bis zu minus 690 Euro pro Tonne CO2 und schwächen die Wirkungsweise der CO2-Bepreisung als wichtiges Instrument der Klimapolitik. Das zeigen Forschende des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Kopernikus-Projekts Ariadne in einer neuen Studie.
30.04.2024
Die Ariadne-Berechnungen unterstreichen, dass Deutschlands derzeitiges Steuer- und Abgabesystem im Verkehrssektor noch stark auf die Nutzung fossiler Energieträger ausgerichtet ist und so die Erreichung der deutschen Klimaziele erschwert.
„Aktuell treten wir beim Klimaschutz im Verkehr mit einem Fuß aufs Gas, mit dem anderen auf die Bremse: Emissionsverursachende sollten durch den CO2-Preis eigentlich Anreize zur Senkung von Emissionen erhalten. Unsere Forschung zeigt, wie sehr Haushalte, die Diesel fahren, längere Wege mit dem privaten Auto oder Dienstwagen zur Arbeit pendeln oder innerdeutsche Flüge nutzen, aktuell durch Subventionen für den Ausstoß einer Tonne CO2 belohnt werden“, erklärt Ariadne-Experte Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI.
Preissignale vergleichbar machen: Subventionshöhen in negative CO2-Preise umgerechnet
Um die Bedeutung von Subventionen im Verkehr für die deutsche Klimapolitik herauszustellen und einzuordnen, haben Ariadne-Fachleute sie mit dem CO2-Preis, einem tragenden Instrument der Klimapolitik, vergleichbar gemacht. Die Forschenden betrachten vier Subventionen mit Einfluss auf die nationalen CO2-Emissionen des deutschen Verkehrssektors: das Dieselprivileg (Energiesteuervergünstigung für Dieselkraftstoff), die Pendlerpauschale (Entfernungspauschale), das Dienstwagenprivileg (Pauschale Besteuerung des geldwerten Vorteils privat genutzter Dienstwagen) und die Kerosinsteuerbefreiung (Energiesteuerbefreiung für Kraftstoffe im inländischen Flugverkehr).
„Wir haben zum ersten Mal vier wesentliche Subventionen aus dem Verkehrsbereich in negative CO2-Preise umgerechnet. Die Umrechnung ermöglicht einen Vergleich mit dem tatsächlichen CO2-Preis für den Verkehr“, erläutert Ariadne-Fachmann Nicolas Koch vom Mercator Institute for Global Commons and Climate Change MCC.
Die Berechnungen der Forschenden zeigen: Subventionen wie das Diesel- oder Dienstwagenprivileg entsprechen negativen CO2-Preisen von minus 70 Euro bis zu minus 690 Euro pro Tonne CO2 – und überkompensieren damit den aktuell geltenden CO2-Preis von 45 Euro pro Tonne zum Teil beträchtlich.
Pauschal umgerechnet in Euro pro Liter Benzin entsprechen die Subventionen Kostenersparnissen von 0,18 bis 1,70 Euro pro Liter. Die Höhe der Subventionen im Verkehr übersteigt also deutlich die des aktuellen CO2-Preises von 45 Euro pro Tonne CO2 oder circa 0,11 Euro pro Liter Benzin. „Diese sich widersprechenden Preissignale schwächen die Wirkungsweise der CO2-Bepreisung und konterkarieren so Klimaschutzbemühungen. Wenn sich der CO2-Preis als eins der Leitinstrumente der Klimapolitik durchsetzen soll, dann müssen verzerrende Subventionen im Verkehr soweit möglich abgebaut oder klimafreundlich umgebaut werden“, so Koch.
Einkommensstarke Haushalte profitieren überproportional von Subventionen
Die Verteilungswirkung unterscheiden sich dem Autorenteam zufolge für die vier betrachteten Subventionen. „Von den von uns untersuchten Subventionen profitieren hauptsächlich wohlhabende Haushalte“, erläutert Ariadne-Experte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Die Wirkungen des Dieselprivilegs sind vor allem bei mittleren und höheren Einkommensgruppen spürbar, bei denen ein Drittel aller Haushalte einen Diesel fährt. Auch die Pendlerpauschale entlastet vor allem mittlere und höhere Einkommensgruppen.“ Das Dienstwagenprivileg begünstige vor allem Haushalte mit hohem Einkommen, denn nur wenige Erwerbstätige mit geringen oder mittleren Einkommen würden einen Dienstwagen besitzen. Die Entlastungswirkung der Kerosinsteuerbefreiung sei als gering einzuschätzen, so die Forschenden.
Mögliche Reformoptionen wären die schrittweise Abschaffung des Dieselsteuerprivilegs, was schon kurzfristig zu spürbaren Emissionsminderungen führen könnte. Eine Umgestaltung des Dienstwagenprivilegs gestaffelt nach CO2-Emissionen der Fahrzeuge könne den Hochlauf der E-Mobilität unterstützen. Eine Reform der Pendlerpauschale sollte klimafreundliche Mobilitätsvarianten zum Auto attraktiver machen.
Originalpublikation:
Patrick Plötz, Nicolas Koch, Stefan Bach, Peter Haan, Dorothea Kistinger, Niklas Illenseer (2024): Klimaschädliche Subventionen entsprechen negativen CO2-Preisen. Kopernikus-Projekt Ariadne, Potsdam.