Konzerne in der DACH-Region schieben Dekarbonisierung auf die lange Bank
Große Unternehmen in der DACH-Region reduzieren ihre Emissionen, doch die Fortschritte hinken den Klimazielen hinterher. Das zeigt eine Studie von Kirchhoff Consult und BDO: Während viele Unternehmen Erfolge verzeichnen, bleibt Scope 3 eine Herausforderung. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um die Pariser Klimaziele zu erreichen und deutliche Fortschritte bei der Emissionsreduktion zu erzielen.
22.10.2024
Die großen Unternehmen in der DACH-Region setzen ihren Weg zur Dekarbonisierung fort. Allerdings hat sich das Tempo dieses Prozesses deutlich verlangsamt, was nicht den Anforderungen für eine realistische Einhaltung des 1,5 Grad Celsius Ziel entspricht. Dies zeigt die Studie „Klimaschutz – Berichterstattung zur Dekarbonisierung“ von Kirchhoff Consult und BDO AG. In der Analyse wurden die aktuellen Klimabilanzen der Unternehmen aus DAX40, ATX und SMI für das Geschäftsjahr 2023 untersucht und mit den Berichten der Jahre 2021 und 2022 verglichen.
Mehr als die Hälfte der analysierten Unternehmen hat in den letzten drei Jahren eine detaillierte Klimabilanz veröffentlicht. In diesem Zeitraum gelang es ihnen, ihre absoluten Emissionen um insgesamt acht Prozent zu senken – davon fünf Prozent zwischen 2021 und 2022 und weitere drei Prozent von 2022 bis 2023. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, ist jedoch eine Halbierung der globalen Treibhausgasemissionen bis 2030 notwendig, was einer jährlichen Reduktion von über vier Prozent im Vergleich zu 2019 entspricht.
Die Reduktion der Emissionen variiert stark zwischen den einzelnen Indizes, Branchen und Scopes. So haben beispielsweise die Unternehmen der Textilbranche mit einer Reduktion von 16 Prozent bemerkenswerte Fortschritte erzielt, während die Gesamtemissionen im Automobilsektor im Durchschnitt um 9 Prozent gestiegen sind.
Scope 3: höchste Emissionen, geringste Reduktionen, aber größtes Potenzial
In Scope 1 konnten die Unternehmen mit umfassender Klimabilanz ihre Emissionen von 2021 bis 2023 um zwölf Prozent senken und in Scope 2 sogar um 20 Prozent, in Scope 3 jedoch nur um acht Prozent. „Dass die geringste relative Reduktion in Scope 3 erzielt werden konnte – dem Scope auf den 92 Prozent der Gesamtemissionen zurückgehen – macht deutlich, wie herausfordernd die Emissionsreduktion in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette ist. Gleichzeitig sehen wir in den Daten, dass ambitionierte Unternehmen auch bei herausfordernden Wertschöpfungsketten Erfolge in der Dekarbonisierung erzielen können“, sagt Dr. Jan-Ole Brandt, Senior Consultant ESG/Sustainability bei Kirchhoff Consult und Co-Autor der Studie. „Unterschiede zwischen Branchen lassen sich nicht allein an der Unterscheidung zwischen typisch ‚grünen‘ und ‚braunen‘ Branchen festmachen, wie das Beispiel der Textilbranche zeigt. Die Verankerung in der Strategie und transparente Kommunikation scheinen ebenso einen klaren Einfluss auf die Reduktionsergebnisse zu haben“, ergänzt Brandt.
Die Daten zeigen, dass ein ausgeprägter Ehrgeiz zu erfolgreichen Emissionsreduktionen führt: 17,5 Prozent der DAX40-Unternehmen haben keine Klimastrategie veröffentlicht und verzeichnen einen durchschnittlichen Anstieg ihrer Gesamtemissionen um acht Prozent. Demgegenüber konnten die übrigen Unternehmen deutliche Reduktionen von durchschnittlich neun Prozent erzielen.
EU-Taxonomie: Taxonomiekonformität führt bislang nicht nachweisbar zu Reduktionserfolgen
Ein hohes Maß an Ambition und wirksame strategische Ansätze sind entscheidend für den Erfolg der Dekarbonisierung. Theoretisch sollten sich diese Faktoren auch in den Berichten zur EU-Taxonomie widerspiegeln. Von den 46 Unternehmen, die gemäß den gesetzlichen Vorgaben über ihre Taxonomiefähigkeit berichten, konnten jedoch nur 34 Unternehmen taxonomiekonforme Aktivitäten nachweisen. Der Anteil der taxonomiekonformen Umsätze, Investitionen und Betriebsausgaben zeigt sich oft nur in Extremwerten nahe 100 Prozent oder 0 Prozent. Zudem haben die Unternehmen keinen Einfluss darauf, ob ihr Geschäftsmodell oder die branchenspezifischen wirtschaftlichen Aktivitäten von der Taxonomie erfasst werden. Auch variiert die Taxonomiekonformität stark zwischen Branchen und Unternehmen, und es gibt derzeit keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen einem hohen Grad an Taxonomiekonformität und der Reduktion von Treibhausgasemissionen.
„Über eine Interpretation dieses bislang ausbleibenden Zusammenhangs lässt sich erstmal nur spekulieren. Gegebenenfalls ist es schlichtweg zu früh, als dass sich Taxonomiekonformität bereits in Reduktionserfolgen hinsichtlich der Treibhausgas-emissionen ausdrückt. Zudem sind die Hürden der Taxonomiekonformitätskriterien hoch und komplex in der Umsetzung.“, sagt Janina Seufert, Managerin Sustainability Services bei BDO und Co-Autorin der Studie.
Über die Studie
Die Studie „Klimaschutz – Reporting zur Dekarbonisierung“ ist der zweite Teil einer Forschungsreihe, die von Kirchhoff Consult und BDO in Zusammenarbeit herausgegeben wird. In dieser Untersuchung wird die nichtfinanzielle Berichterstattung großer Aktiengesellschaften aus den führenden Indizes Deutschlands, Österreichs und der Schweiz (DAX40, ATX und SMI) analysiert. Grundlage bilden die Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte, die bis zum Stichtag 31. März 2024 veröffentlicht werden. Die erste Teilstudie trägt den Titel „Diversity – Reporting zur Vielfalt“.