Klimawandel

Akademienprojekt ESYS: Neue Wege zur klimaneutralen Kohlenstoffwirtschaft

Um klimaneutral zu werden, ist es für die chemische Industrie unerlässlich, ihre bisherigen fossilen Kohlenstoffquellen durch umweltfreundliche Alternativen zu ersetzen oder geschlossene Kohlenstoffkreisläufe zu implementieren. Ein Impulspapier des Akademienprojekts ESYS verdeutlicht: Neben Kohlenstoff aus Biomasse und Recycling kann unter bestimmten Bedingungen auch die Carbon Capture and Utilization (CCU) einen wertvollen Beitrag leisten.

09.01.2025

Akademienprojekt ESYS: Neue Wege zur klimaneutralen Kohlenstoffwirtschaft

Zahlreiche alltägliche Produkte, wie beispielsweise Kunststoffe oder Reinigungsmittel, enthalten Kohlenstoff, der heutzutage größtenteils aus Erdöl gewonnen wird. Am Ende der Lebensdauer dieser Produkte gelangt ein Großteil als Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre. Schätzungen zufolge machten die sogenannten End-of-Life-Emissionen chemischer Erzeugnisse im Jahr 2020 rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland aus. Um diese Emissionen zu verringern, ist es notwendig, klimaneutrale Kohlenstoffquellen zu erschließen oder den Kohlenstoff in geschlossenen Kreisläufen zu halten, etwa durch kontinuierliches Recycling. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, CO2 aus industriellen Prozessen oder direkt aus der Luft abzuscheiden und als Rohstoff wiederzuverwenden (Carbon Capture and Utilization, kurz CCU).

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Welche Kohlenstoffquellen könnten in Zukunft relevant sein? Wie lässt sich der eingesetzte Kohlenstoff im Kreislaufsystem führen? Welche Entwicklungen sind hinsichtlich des Kohlenstoffbedarfs in Deutschland zu erwarten? Inwiefern kann CCU zur Schaffung einer klimaneutralen Wirtschaft beitragen? Und welche Maßnahmen müssen Politik und Wirtschaft bereits heute ergreifen? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sich der Impuls „CO2 als Rohstoff – Baustein einer klimaneutralen Kohlenstoffwirtschaft“ des Projekts „Energiesysteme der Zukunft“ (ESYS), einer gemeinsamen Initiative von acatech, Leopoldina und Akademienunion.

CCU: neue Kohlenstoffquelle mit komplexer Klimabilanz und hohem Energiebedarf


In zahlreichen Fällen erweist sich CCU als nicht klimaneutral: Wenn CO2 aus fossilen oder mineralischen Quellen für kurzlebige Produkte wie Treibstoffe verwendet wird, erfolgt die CO2-Freisetzung lediglich mit einer zeitlichen Verzögerung. Der Prozess kann erst dann als klimaneutral angesehen werden – oder unter bestimmten Voraussetzungen sogar zu netto-negativen Emissionen führen –, wenn biogenes oder atmosphärisches CO2 verwendet wird, das eingesetzte CO2 in langlebigen Produkten gespeichert oder im Kreislauf gehalten wird oder Carbon Capture and Storage (CCS) am Ende der Lebensdauer des Produkts zum Einsatz kommt. Diese Differenzierung ist von Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf die Vorgaben des nationalen Klimaschutzgesetzes, das die Erreichung der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2045 anstrebt. Um die bestmögliche Wirkung im Klimaschutz zu erzielen, sollte eine zukünftige Regulierung daher die verschiedenen Emissionsbilanzen der unterschiedlichen CCU-Pfade differenziert betrachten.

Bei der Weiterentwicklung von CCU sollten von Beginn an sowohl Synergieeffekte als auch Konkurrenzsituationen (zum Beispiel hinsichtlich der begrenzten Biomassepotenziale) berücksichtigt werden. Die Notwendigkeit von Infrastrukturen für den CO2-Transport besteht nicht nur im Kontext von CCU, sondern auch im Zusammenhang mit der Abscheidung und geologischen Speicherung von CO2 (CCS). Bei der Planung der Infrastruktur können somit Synergien zwischen CCS und CCU entstehen. Nach den gegenwärtigen Erkenntnissen wird CCU jedoch auch auf lange Sicht eine eher kostspielige Option für den Klimaschutz bleiben: Um in der chemischen Industrie aus CO2 Rohstoffe wie Methanol zu gewinnen, muss das CO2 zum Teil mit erheblichem Aufwand extrahiert werden, und für die Synthese ist zudem Wasserstoff erforderlich. Die klimaneutrale Produktion von Wasserstoff erfordert viel Energie und erhöht somit die Kosten für CCU erheblich.

„Den zukünftigen Kohlenstoffbedarf der Industrie mittel- bis langfristig klimaneutral zu decken, ist eine zentrale Herausforderung. Viele Fragen sind diesbezüglich noch offen: Welche Technologien werden sich für die Rohstoffversorgung durchsetzen? Welche Rolle wird der Import klimaneutraler Produkte als Konkurrenz für die heimische Produktion spielen? Und wie kann der Staat den Hochlauf einer klimaneutralen Kohlenstoffwirtschaft bestmöglich und früh genug unterstützen? Die Transformation sollte durch eine vorausschauende Industriestrategie aktiv gestaltet werden“, betont Manfred Fischedick, Mitglied des ESYS-Direktoriums sowie Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie. „Schon wegen der hohen Kosten der verschiedenen Bereitstellungsoptionen, insbesondere auch CCU, ist es außerdem wichtig, den Bedarf an Kohlenstoff so weit wie möglich zu reduzieren – zum Beispiel durch eine möglichst lange Nutzung und Wiederverwendung der Produkte, durch Recycling und einen insgesamt sparsameren Umgang mit kohlenstoffhaltigen Produkten.“

Quelle: UD/pm
 

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