Deutschland bei Klimaschutz im Ländervergleich nur mittelmäßig
Im Pariser Klimaabkommen haben sich die Nationen verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden. Schweden, Dänemark und Finnland sind im internationalen Vergleich führend. Deutschland liegt insgesamt auf Platz sieben und sollte seine Bemühungen um die Energiewende und den Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft verstärken. Dies zeigt ein Fortschrittsmonitoring der Bertelsmann Stiftung, das die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen in den Bereichen Klimaschutz, Energiewende und zirkuläre Wirtschaft analysiert.
16.01.2025
Die skandinavischen Länder sowie Spanien nehmen im Gesamtranking der 30 analysierten OECD- und EU-Staaten eine führende Position ein, da sie ihre Aufgaben gewissenhaft erfüllt haben. Sie haben sich präzise Zielsetzungen für die Erreichung von Klimaneutralität und Ressourcenschonung gesetzt, spezifische Aktionspläne für verschiedene Sektoren entwickelt und überprüfen ihre Fortschritte anhand umfassender Kennzahlen. Dennoch haben auch diese Vorreiter ihr Ziel noch nicht vollständig erreicht. Klimaschädliche Subventionen und andere Hindernisse müssen auch von diesen Ländern noch überwunden werden.
Um zu diesen Ländern aufzuschließen, sollte Deutschland insbesondere im Bereich der Planung der Energiewende erhebliche Fortschritte erzielen. In diesem Bereich belegt Deutschland lediglich den 15. Platz. Es mangelt vor allem an der Koordination bei der Modernisierung des Stromnetzes. Auch in Bezug auf die Vorbereitung des Übergangs zur zirkulären Wirtschaft sind entsprechende Aktionspläne sowie geeignete Indikatoren erforderlich (Rang 8). „Im Ländervergleich zum Fortschritt beim Klimaschutz, der Energiewende und der zirkulären Wirtschaft ist Deutschland nach wie vor gut positioniert. Um die Vorreiterstaaten zu erreichen, müssten Ziele und Maßnahmen im Bereich der Energiewende und der zirkulären Wirtschaft allerdings besser aufeinander abgestimmt werden“, sagt Christof Schiller, Governance-Experte der Bertelsmann Stiftung, und Leiter des Projekts zu den Sustainable Governance Indicators (SGI).
Rückschlüsse auf Ambitionen und Ausrichtung der Politik
Die Auswertung beruht auf der aktuellen Datenerhebung der Sustainable Governance Indicators in den drei zentralen Kategorien „klimapolitische Rahmenvorgaben“, „dekarbonisiertes Energiesystem bis 2050“ und „Übergang zu einer zirkulären Wirtschaft“.
Um die Wirksamkeit politischer Strategien zu analysieren, nutzt die SGI-Datenerhebung nicht nur eine Vielzahl von öffentlich zugänglichen Indikatoren, die Hinweise auf die Auswirkungen historischer politischer Entscheidungen liefern können. Der Datensatz erlaubt zudem Rückschlüsse auf gegenwärtige Zielsetzungen und die politische Ausrichtung der einzelnen Staaten. Hierfür stützt er sich auf umfassende Bewertungen durch die Expert:innen der SGI-Länder. Weitere Aspekte der Untersuchung sind die Fortschritte der Länder bei der Stärkung demokratischer Kontrollmechanismen, bei vorausschauender Regierungsführung sowie bei nachhaltigen Lösungen in anderen Politikfeldern.
Welche Fortschritte hat Deutschland im Einzelnen erzielt?
- Klimapolitische Rahmenvorgaben:
Deutschland belegt in dieser Kategorie den 7. Platz. Im Vergleich der Länder wird die umfassende klimapolitische Strategie Deutschlands als überwiegend ehrgeizig eingeschätzt. Die Klimaziele sind rechtlich bindend, und es sind sowohl allgemeine Klimaschutzvorgaben als auch jährliche Emissionsobergrenzen für verschiedene Sektoren festgelegt. Zudem sind die Verfahren zur Überwachung und Sicherstellung der Zielverwirklichung sowie die Mechanismen zur Anpassung klar definiert. Das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, bleibt unverändert bestehen. Es ist jedoch abzuwarten, wie sich die Novelle zum Klimaschutz auf das Erreichen dieser Ziele auswirken wird. Derzeit hat Schweden die besten Voraussetzungen, um seine Klimaziele zu realisieren. Das Land kann auf eine lange Tradition ambitionierter klimapolitischer Vorgaben und eine kontinuierliche Evaluation der politischen Maßnahmen zurückblicken. Allerdings hat die gegenwärtige Regierung die Umweltauflagen gelockert. - Dekarbonisierung des Energiesystems:
Der Energiesektor trägt zu nahezu 75 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen bei. Daraus ergibt sich, dass das Erreichen der Klimaneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts entscheidend von einer erfolgreichen Dekarbonisierung der Energieversorgung abhängt. Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland lediglich den 15. Platz ein. Der Übergang von fossilen Brennstoffen zu innovativen Technologien verläuft nicht schnell genug. Besonders gravierend ist die langsame Modernisierung des Stromnetzes. Diese Erkenntnis hat vor allem Dänemark beherzigt: „Dänemark ist auf einem guten Weg, eine emissionsfreie Energieerzeugung bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, weil politische Ziele, Institutionen, Instrumente und Infrastrukturen effektiv aufeinander abgestimmt sind“, sagt Thorsten Hellmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung. - Kreislaufwirtschaft:
Der Wandel hin zu einer zirkulären Wirtschaftsform befindet sich an vielen Orten noch in den frühen Phasen. Dennoch haben immerhin 20 von 30 EU- und OECD-Mitgliedsstaaten bereits Schritte in diese Richtung unternommen. Deutschland belegt hinsichtlich der Intensität, mit der die Länder den Übergang zur zirkulären Wirtschaft vorantreiben, den 8. Platz. Zwar wurde kürzlich die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie verabschiedet; jedoch mangelt es an klaren Aktionszielen, Zwischenzielen sowie einem System zur Überwachung und Evaluierung. Aktuell scheinen insbesondere Finnland und Schweden besser auf den Übergang vorbereitet zu sein. In Schweden werden sowohl die Strategie für die zirkuläre Wirtschaft als auch die dazugehörigen Aktionspläne, die allerdings nicht rechtlich bindend sind, im Rahmen des Staatshaushalts zusammen mit anderen Umweltzielen bewertet.