Stille Plastikkrise in unseren Böden?
Verschmutzte Strände, schwimmende Müllstrudel und verendete Meeresbewohner mit Mägen voller Plastik: Die Folgen unseres leichtsinnigen Umgangs mit Plastik als Wegwerfartikel sind schon lange nicht mehr zu übersehen. Auch in unseren Böden landet immer mehr Plastik, darauf macht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) aufmerksam.
15.12.2020
Ein Eintragspfad ist – unter anderem – Kompost, der aus Sicht des Umweltverbands dringend vor Verunreinigung durch Plastik geschützt werden muss. Kompost aus organischen Reststoffen ist der ideale Humusförderer und eines der wenigen Beispiele, bei denen Kreislaufwirtschaft zum Upcycling führt, also zur stoffliche Aufwertung. Bioabfälle werden in Form von Kompost zu wertvollen Düngern und bodenverbessernden Substraten.
„Unsere gestressten Böden brauchen nichts dringender als hochwertige Humusdünger", so Andrea Beste, BUND-Bodenexpertin. „Humusschichten helfen Kohlenstoff im Boden zu speichern, regen das Bodenleben an und verbessern die Wasserspeicherfähigkeit von Flächen enorm. Das hilft beim Klimaschutz, sichert Ernten, verbessert die Trinkwassernachlieferung und vermeidet Hochwasser."
Andreas Faensen-Thiebes, Mitglied im BUND-Bundesvorstand: „Während die Belastung der Weltmeere mit Plastik große Aufmerksamkeit bekommt, vollzieht sich in unseren Böden eine stille Plastikkrise. Wir müssen den Eintrag von Plastik in wertvolle Humusschichten aufhalten. Es ist ein Unding, dass die Plastikbelastung von Komposten in den letzten Jahren zugenommen hat und die Qualität dieser Bodenverbesserer gefährdet."
Über die Entsorgung von Lebensmittelabfällen gelangen immer häufiger auch deren Umverpackungen in die Kompostierung – und diese sind zunehmend aus Plastik. Um an die Bioabfälle zu kommen, werden die Verpackungen samt Inhalt maschinell geschreddert. So entsteht Makro- und Mikroplastik, welches in der Folge den wertvollen Kompost verunreinigt. Wird verunreinigter Kompost anschließend auf Feldern und in Gärten ausgebracht, landet das kleinteilige Plastik in den Böden, auf denen auch unsere Nahrungsmittel wachsen.
Nach der Gewerbeabfallverordnung und dem Kreislaufwirtschaftsgesetz sind Bioabfälle getrennt zu sammeln und auch zu entpacken. Es gibt jedoch ein Schlupfloch für die Wirtschaft: Die Pflicht zur Entpackung muss nur erfüllt werden, wenn dies „technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar" ist. Ein sorgfältiges Entpacken von Lebensmittelabfällen aus Supermärkten und der Großgastronomie ist teuer. Daher werden die Lebensmittelabfälle häufig mit Verpackung geschreddert. Faensen-Thiebes: „Dieses Schlupfloch muss dringend geschlossen und die Einhaltung streng kontrolliert werden. Wir können es uns nicht leisten, beim Humusaufbau in unseren Böden auf wertvollen Kompost und das Nährstoffrecycling zu verzichten, weil Lebensmittelhändler und verarbeitende Betriebe billig entsorgen wollen."
Sogenanntes „Bio-Plastik", das aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais hergestellt und als kompostierbar vermarktet wird, kann der BUND nicht als Alternative empfehlen: Das Material zerfällt nur unter Laborbedingungen, aber nicht in freier Natur. „Kompostierbares Bio-Plastik muss man leider als Etikettenschwindel bezeichnen. Das Produktversprechen verleitet Verbraucher dazu, Ihre Bioabfälle in solchen Beuteln zu sammeln und zu entsorgen. Das ist nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv", so BUND-Bodenexpertin Beste abschließend.
Mehr Informationen
Hintergründe zur Plastikproblematik liefert der Plastikatlas.
Das Kapitel zu Plastik, Lebensmittelindustrie und Böden finden Sie auf den Seiten 20-21, das Kapitel zu „Bio-Plastik" auf den Seiten 34-35.
Die Forderungen eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses, zu dem auch der BUND gehört, zu Wegen aus der Plastikkrise finden Sie hier.