Dem Meeresmüll trotzen
Meeresmüll ist eines der drängendsten weltweiten Verschmutzungsprobleme. Nikoleta Bellou, Forscherin am Helmholtz-Zentrum Hereon, hat mit ihrem Team im renommierten Fachmagazin Nature Sustainability eine Überblicksstudie über die Lösungen zur Vermeidung, zum Monitoring und zur Reinigung veröffentlicht.
16.06.2021
Die Erkenntnis: Es braucht mehr Förderung, mehr Vernetzung der Akteure und mehr politischen Gestaltungswillen, sollen die Meere sauberer und nachhaltiger genutzt werden.
Plastikflaschen, die im Meer treiben. Tüten in den Mägen von Schildkröten. Corona-Masken, die auf Schaumkronen tanzen. Wenige Bilder sind so hässlich anzuschauen wie die Verschmutzung unserer Weltmeere. Und kaum ein Umweltproblem ist so drängend und gleichzeitig im öffentlichen Bewusstsein. „Die meisten Menschen haben eine Beziehung zum Meer. Sie erleben die Verschmutzung als Angriff auf ihren Sehnsuchtsort. Deshalb passt unsere Studie zur Nachhaltigkeit in die Zeit, auch vor dem Hintergrund der angebrochenen UN-Dekade der Meeresforschung", sagt die Küstenforscherin Nikoleta Bellou vom Institut für Küstensysteme – Analyse und Modellierung des Helmholtz-Zentrums Hereon. Allein zwischen 1990 und 2015 sollen bis zu 100 Millionen Tonnen Müll in die Ozeane gelangt sein, vor allem Kunststoffe.
Die neue Überblicksstudie erfasst erstmals das Gros der Lösungen – Technologien und Methoden – zu Prävention, Monitoring und Säuberung mit innovativem Charakter. Mit Blick auf die Zukunft hat Nikoleta Bellou mit einem internationalen Team Lösungen aus aller Welt eingeordnet und analysiert. Beteiligt waren unter Führung des Helmholtz-Zentrums Hereon noch der National Research Council of Italy, das Marine Enviromental Sciences Centre, die National Technical University of Athens, die Smithsonian Institution und Maritme Robotics.
In jede Schublade schauen
Das Team hat jede Schublade einmal geöffnet und hineingeschaut. Dabei wurde alles unter die Lupe genommen – von Crowdfunding-Projekten bis hin zu Forschungsdatenbanken. Die Forschenden haben fast 200 geplante oder bereits umgesetzte Lösungen betrachtet, bei denen etwa Drohnen, Roboter, Förderbänder, Netze, Pumpen oder Filter zum Einsatz kommen sollen – je nachdem, ob sie an der Küste, auf hoher See oder am Meeresgrund säubern.
Während bis heute viele Entwickler ähnliche technologische Ansätze verwenden, gibt es Hinweise, dass die nächste Generation zunehmend auf unterschiedlichste Lösungen setzt. Bei diesen integrieren sie immer öfter maschinelles Lernen, Robotik, Automatisierungen, Big-Data-Analysen und Modellierungen. Während die wissenschaftliche Gemeinschaft laut dieser Studie ihr hauptsächliches Augenmerk auf das Monitoring zu legen scheint und NGOs meist auf die Prävention schauen, entstanden die meisten Reinigungslösungen durch Kooperationen verschiedener Akteure.
Selten umgesetzt
Trotz aller guten Vorsätze: Die meisten Projekte kommen nicht über eine Entwicklungsphase hinaus. Fast keine der Lösungen ist technisch Realität geworden oder gar auf dem Markt. Der Planstatus müsse überwunden und vieles fertiggedacht werden, so die Autoren. „Die Eingliederung von Lösungen in Richtlinien muss politisch gepusht werden, um so eine Branche der Zukunft zu etablieren", sagt Bellou. Basierend auf Recherchen und Datenerhebungen zeigt die Analyse, wie weit die Informationen verstreut und zudem oft schwer zugänglich sind. Die meisten Lösungen, rund 60 Prozent, hatten primär das Monitoring zum Ziel und wurden in den letzten drei Jahren entwickelt.
Empfehlungen an die Politik
Die Studie geht auf die Grenzen bestehender und die Herausforderungen bei der Entwicklung neuer Lösungen ein. Zusätzlich gibt sie Handlungsempfehlungen für die Politik ab. Neben internationaler Kooperation von Forschenden und nationaler Umweltministerien und ‑behörden, empfehlen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Definition von Standards für jede Lösung, etwa die Bewertung nach jeweiliger Größe, Effizienz und umweltverträglichem Fußabdruck. Dann kann das Auflegen neuer Förderprogramme zur Weiterentwicklung bekannter und neuer Lösungen folgen, flankiert durch eine globale Datenbank. „Auf die Weise bestärken wir Forschende aber auch politische Entscheider und Entscheiderinnen, einen nachhaltigen Ansatz zu entwickeln für die Eindämmung des Meeresmülls. Damit wir künftigen Generationen einen sauberen Ozean hinterlassen", sagt Nikoleta Bellou.
Lesen Sie hier die Originalpubliktion.