Kapital für nachhaltige Entwicklung – Möglichkeiten für Investoren
Im Jahr 2000 verkündeten die Vereinten Nationen (UN) auf ihrem Millenniumsgipfel die acht Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, kurz: MDG), die bis zum Jahr 2015 weltweit erreicht werden sollten. Diese Ziele setzten für die vergangenen 15 Jahre den Rahmen für alle Entwicklungsbemühungen. Sie gelten damit auch für alle Ansätze, privates Kapital entwicklungsfördernd einzusetzen. Angesichts knapper werdender öffentlicher Mittel gewinnen private Investoren zunehmend an Bedeutung in der Finanzierung nachhaltiger Entwicklung.
13.04.2015
Im Folgenden werden drei innovative Möglichkeiten vorgestellt, wie private AnlegerInnen und Institutionen wie Stiftungen und Pensionsfonds ihr Kapital für eine nachhaltige Entwicklung zur Verfügung stellen können.
Mikrofinanzen
Mikrokredite sind die bekannteste Möglichkeit, über Kapital von privaten und institutionellen Investoren Armut zu bekämpfen. Die Weltbank schätzt, dass das Volumen von Mikrokrediten im Jahr 2014 zwischen 60 und 100 Milliarden US-Dollar liegt. Mikrofinanzfonds vergeben Kredite an Mikrofinanzorganisationen also „Banken für die Armen“, die kleine und kleinste Summen zwischen einem und mehreren Tausend Euro für wenige Tage, Wochen oder Monate verleihen. Ihre Zielgruppe sind in der Regel Ein-Mann oder öfter Eine-Frau-Unternehmen und Selbstständige in Entwicklungs- und Schwellenländern, die, abgesehen von privaten GeldverleiherInnen, keinen Zugang zu Bankdienstleistungen haben. Geschätzt wird, dass es weltweit mehrere Tausend solcher Mikrofinanzorganisationen gibt. Allerdings erhalten laut Weltbank nur einige Hundert von ihnen ausländisches Kapital.
Die Mikrokredite sollen dazu dienen, den Lebensunterhalt dauerhaft zu verbessern. Er wird idealerweise z.B. für den Kauf einer Ziege, von Saatgut oder die Erweiterung eines Marktstandes genutzt. Allerdings kam es in den letzten zehn Jahren in einigen Ländern zu Krisen des Mikrofinanzwesens. So konnte im indischen Bundesstaat Hyderabad nachgewiesen werden, dass einige Selbstmorde von Frauen darauf zurückzuführen waren, dass der soziale Druck Mikrokreditnehmerinnen in die Verzweiflung trieb.
Die Branche hat aus diesen negativen Erfahrungen gelernt. Prinzipien des Kundenschutzes sollen KreditnehmerInnen vor Überschuldung schützen und Kreditinformationsbüros erleichtern die Eindämmung von Mehrfachverschuldungen. Außerdem bemühen sich die AnbieterInnen nun darum, eine breitere Palette von Finanzdienstleistungen anzubieten. Wissenschaftliche Untersuchungen hatten ergeben, dass armen Menschen nicht nur der Zugang zu Krediten sondern auch der Zugang zu Sparmöglichkeiten fehlt. Neben Existenzgründungskrediten benötigen sie außerdem Instrumente, die das unsichere und ungleichmäßig Einkommen des Haushalts abfedern. MikrofinanzanbieterInnen verstehen sich deshalb zunehmend als umfassende Finanzdienstleistende für Arme und nicht nur als Beschaffende von Kapital für Existenzgründungen, das Menschen automatisch aus der Armut helfen soll.
Beteiligungsfonds als „Impact Investment“
Unter „Impact Investments“ sind Investitionen zu verstehen, die gleichwertig neben finanziellen Zielen auch soziale, entwicklungspolitische oder ökologische Ziele verfolgen. Dies kann bedeuten, dass eine Stiftung einen kleinen Teil ihres Kapitals bei einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft anlegt, die in kleine und mittlere Unternehmen in Entwicklungsländern investiert. Die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen setzt Impulse für eine nachhaltige Entwicklung. Dies spiegelt sich zumeist in den Produkten der Unternehmen wider, wie z.B. die medizinische Versorgung armer Bevölkerungsschichten, oder die Versorgung armer Menschen mit menschenwürdigen Wohnungen. Die Schaffung formaler Arbeitsplätze, besonders in ländlichen Regionen, wird zusätzlich zu den positiven Effekten dieser Impact-Unternehmen gezählt. Unter den nicht-traditionellen Entwicklungsgeldern, also jener Hilfe, die nicht von OECD-Staaten, sondern von Hilfsorganisationen oder Staaten wie Russland und China gewährt wird, machen „Impact Investments“ einen bescheidenen Anteil von drei Prozent aus. Ihre absolute Höhe lag im Jahr 2011 bei 1,6 Milliarden US-Dollar. Ein führender Impact-Investor ist die Rockefeller-Foundation.
Was bewirken Private Equity Impact-Fonds?
Für kleine Unternehmen in Entwicklungsländern ist das Start-up Kapital dieser Fonds wertvoll, weil es „geduldig“ ist. Im Gegensatz zu einem Kredit müssen keine Zinsen gezahlt werden. Die Rendite des Private Equity-Fonds hängt von dem Erfolg des Unternehmens ab, da sie sich am Ende der Laufzeit aus dem erfolgreichen Verkauf der Geschäftsanteile generiert. Oft sind die Fonds auf fünf bis zehn Jahre ausgerichtet und geben damit ausreichend Zeit für eine stabile Geschäftsentwicklung. Neben dem Kapital erhalten die in den Fonds enthaltenen Unternehmen eine kontinuierliche Beratung durch das Fondsmanagement-Team.
Im Vergleich zu Mikrokrediten haben wirkungsbezogene Unternehmensbeteiligungen den Vorteil, dass die Investoren stärker am Risiko beteiligt sind. Während Mikrokredite das Geschäfts- und manchmal auch das Währungsrisiko den KreditnehmerInnen überlassen, verlieren Investoren Kapital, wenn die Unternehmen aus einem solchen Fonds Konkurs gehen oder die Landeswährung an Wert verliert. Damit ist zu erwarten, dass sie nur in Unternehmen mit guten Erfolgsaussichten investieren und diese mit ihrer Beratung unterstützen.
Ein weiterer Unterschied zu Mikrokrediten an KleinstunternehmerInnen ist, dass Unternehmensbeteiligungen auf ein starkes Wachstum abzielen. Die Unternehmen wachsen mit Hilfe der „Impact-Investoren“ idealerweise zu einer Größe, die eine philanthropisch gefärbte Investition unnötig macht, weil sich rein kommerziell orientierte AkteurInnen für sie interessieren und die Kapitalbeschaffung damit auf konventionellen Wegen gelöst werden kann. Beispiele zeigen, dass dies gelingen kann. Als Starthilfe zum Aufbau eines unternehmerischen Mittelstands sind Impact Investments wohl nicht die alleinige Lösung, wohl aber einer von vielen Bausteinen, die zur Überwindung von Armut benötigt werden.
„Green“ und „Social“ Bonds
Öffentliche und private Banken sowie Großunternehmen beschaffen sich regelmäßig Fremdkapital, indem sie Anleihen begeben. Dies bedeutet, dass sie sich mit Summen von mehreren Millionen Euro verschulden und Banken diesen Kredit in Größen von 5.000 oder 10.000 Euro gestückelt an institutionelle und private Anleger weitergeben. Seit einigen Jahren wird das Instrument der Finanzierung über Anleiheemissionen mit ökologischen und sozialen Zielen kombiniert. Diese Ansätze werden mit Begriffen wie „Green Bonds“, und „Social Bonds“ bezeichnet. „Green Bonds“ und „Social Bonds“ wurden bis 2013 vor allem von Entwicklungsbanken wie der Weltbank, und den Entwicklungsbanken Afrikas, Asiens und Europas ausgegeben. Die Erlöse der Anleihen dieser Emittenten werden z.B. für den Bau von Windparks oder Solaranlagen verwendet. Allerdings kann er auch für fragwürdigere Projekte wie Müllverbrennungsanlagen eingesetzt werden.
Ein prominentes Beispiel ist die im Jahr 2006 emittierte Anleihe der Internationalen Finanzfazilität für Impfprogramme (IFFIm) zur Finanzierung von Impfstoffen. Seit 2013 emittieren vermehrt Großunternehmen „Green Bonds“ und beschaffen sich so Kapital von nachhaltigen Geldanlegern, um Umweltschutzmaßnahmen und umweltfreundliche Technologien in ihren Unternehmen zu finanzieren. Für nachhaltig orientierte institutionelle Anleger wie kirchliche Pensionskassen, Stiftungen und nachhaltige Rentenfonds sind „Green Bonds“ interessant, weil sie direkt mit nachhaltigen Projekten verbunden sind und zusätzlich die gleichen Merkmale im Hinblick auf Sicherheit, Rendite und Verfügbarkeit tragen, wie eine konventionelle Anleihe desselben Emittenten.
Das Instrument der „Green Bonds“ und „Social Bonds“ ist noch zu jung, um seine Wirkung jenseits des Beispielhaften belegen zu können. Deutlich ist, dass über „Green Bonds“ anders als bei anderen nachhaltigen Wertpapieranlagen konkrete Wirkungen nachvollziehbar sind. So kann die Einsparung von CO2, die durch „Green Bonds“ ermöglichte Investitionen erzielt wurde, gemessen werden. Ebenso kann eine direkte Verbindung zwischen einer Anleihe zum Kauf von Impfstoffen und der Anzahl der damit immunisierten Kinder gezogen werden. Offen bleibt jedoch, ob öffentliche Banken und Großunternehmen wirklich neue Projekte umsetzen, weil es das Instrument der „Green und Social Bonds“ gibt. Ihr Spielraum der Verschuldung hat sich über dieses Instrument nicht vergrößert und die Zinssätze, also die Kapitalkosten für diese grünen und sozialen Projekte, verändern sich durch dieses Instrument nicht. Eine offene Frage für die Einschätzung von „Green Bonds“ ist deshalb: Wie viel zusätzliches Geld wird über sie tatsächlich für soziale und ökologische Projekte bereitgestellt?
Chancen und Risiken der Armutsbekämpfung durch Investoren
Mikrofinanzen, Beteiligungsfonds und „Green/Social Bonds“ sind drei Ansätze, privates Kapital für Entwicklung einzusetzen. So sehr die Idee besticht, die riesigen Summen an Anlagekapital im Norden für eine nachhaltige Entwicklung im Süden einzusetzen, so zeigen Erfahrungen, dass es Hürden und Fallstricke auf diesem Weg gibt, die es zu überwinden gilt. Institutionelle Anleger arbeiten in einem Umfeld mit konkreten Renditeerwartungen und Vorgaben für die Sicherheit der Anlage. In diesem Umfeld stehen entwicklungsförderliche Anlagemöglichkeiten in Konkurrenz zu zahlreichen evtl. kostengünstigeren und renditeträchtigeren Anlagemöglichkeiten, bei denen Nachhaltigkeit keine Rolle spielt. Der Druck auf entwicklungsfördernde Investitionsmöglichkeiten ist dementsprechend hoch. Mikrofinanzen, Beteiligungsfonds und „Green/Social Bonds“ benötigen deshalb verschiedene niederschwellige Formen der staatlichen Unterstützung. Meist dienen staatliche Garantien dazu, die Sicherheit der Anleihen zu gewährleisten. In anderen Fällen kann das in der staatlichen Entwicklungshilfe gesammelte Wissen helfen, neue Anlagemodelle auf sichere Beine zu stellen.
Eine weitere Form der Unterstützung stellt die Bereitschaft philanthropischer Investoren dar, Risiken und Kosten auf sich zu nehmen, die im konventionellen Investment als unwirtschaftlich gelten würden. Wichtig ist zu bedenken, dass entwicklungsfördernde Investitionen nicht nur für die AnlegerInnen Nachteile haben können. Auch für die EmpfängerInnen bestehen Risiken und sie können sich deutlich schlechter vor ihnen schützen als die Investoren. Bei den drei oben beschriebenen Formen der entwicklungsförderlichen Investition muss durchdacht werden, ob und wie diese wirtschaftliche Tragfähigkeit mit sozialen und ökologischen Entwicklungszielen vereinbar ist.
Aus diesen Gründen ist eine kontinuierliche Evaluation der Erfüllung sozialer und ökologischer Ziele in den Projekten unerlässlich. Zudem ist es wichtig, die Möglichkeiten von entwicklungsbezogenen Investitionen nicht zu überschätzen. Keine Investition kann schlechte politische Rahmenbedingungen neutralisieren. Hier sind andere, politische Instrumente gefragt. Hohe Gewinnerwartungen institutioneller Investoren sind häufig schwer mit dem Ziel der Armutsbekämpfung vereinbar. Ihre Integration in Entwicklungsprojekte ist daher oft mühsam. Mit einer grundsätzlichen Ablehnung würde man jedoch auf wichtige Kapitalquellen verzichten, die in vielen Bereichen nutzbringend eingesetzt werden können. Anstatt diese Entwicklung abzulehnen, könnte in ihr eine Chance gesehen werden. Vielleicht werden hier zukunftsweisende neue Wege einer Ökonomie beschritten, die soziale Hilfe mit tragfähigen Geschäftsmodellen verbindet, indem am Gewinn ausgerichtete Verhaltensweisen mit philanthropischem Kapital und sozialem Engagement kombiniert werden.
Das Fact-Sheet "Kapital für nachhaltige Entwicklung – Möglichkeiten für Investoren" von Antje Schneeweiß ist im Original beim Südwind-Institut erschienen. Soweit nicht anders angegeben, stammen alle Informationen darin aus der Studie „Jenseits von Mikrokrediten. Geldanlagen und Entwicklungsförderung“, die hier herauntergeladen werden kann.