Geldanlage

Carbon Bubble und Divestment

Der Divestment-Ansatz gewinnt derzeit bei privaten und institutionellen Investoren an Bedeutung. Immer mehr Stiftungen, Pensionsfonds und Städte verpflichten sich öffentlich dazu, Aktien und Anleihen von Unternehmen zu veräußern, die ihr Geld mit dem Abbau und der Nutzung von fossilen Energieträgern verdienen, und die frei werdenden Mittel zumindest teilweise in erneuerbare Energien zu investieren. Dabei vermischen sich ökonomische mit gesellschafts- und klimapolitischen Motiven. Ausgangspunkt, Stand und Grenzen der Divestment-Kampagne beleuchtet der folgende Artikel.

28.01.2016

Carbon Bubble und Divestment zoom

Der Klimaexperte Prof. Hans Joachim Schellnhuber bezeichnet die Divestment­-Kampagne in einer Videobotschaft des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) als "eine der ganz großen Bewegungen des 21. Jahrhunderts". Dahinter steht nach seiner Aussage die Idee, der "Spur des Geldes" zu folgen und als Anleger darauf zu achten, welche Aktivitäten mit den eigenen Kapitalanlagen unterstützt werden.

Divestment ist das Gegenteil von Investment, d.h. der Abzug von Kapital aus Unternehmen, die ihr Geld
 mit der Ausbeutung oder Nutzung fossiler Energien verdienen. Gelegentlich wird dieser Ansatz auch auf im Atombereich tätige Unternehmen erweitert. Was als Initiative einiger Universitäten und Stiftungen begann, hat heute deutlich an Momentum gewonnen – und dies sowohl im Hinblick auf die Breite der Bewegung
als auch der Gewinnung exponierter Unterstützer. Zu den gern zitierten Flaggschiffen der Divestment­-Bewegung zählen u.a. die Rockefeller Brothers Stiftung aus den USA und der Norwegische Pensionsfonds, aber auch Prominente wie Leonardo DiCaprio. Ende November 2015 hat auch die Allianz Versicherung angekündigt, sich von entsprechenden Anlagen zu trennen.

Die Breite der Bewegung analysiert regelmäßig die Beratungsgesellschaft Arabella Advisors, die zuletzt im September 2015 eine entsprechende Marktstudie vorgelegt hat. Danach ist die Zahl der offiziellen Unterstützer der "Divest Invest"-Kampagne auf knapp 2.500 gestiegen, darunter etwa 450 institutionelle Investoren. Das von den Unterstützern verwaltete Vermögen hat sich binnen Jahresfrist auf aktuell über 2,3 Billionen US-­Dollar (rund 2,1 Billionen Euro) verfünfzigfacht. Zum Vergleich: Weltweit werden nach Angaben 
der Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) rund 13 Billionen Euro unter Nutzung von Ausschlusskriterien verwaltet.

Entwicklung der Divestment-Bewegung.
Entwicklung der Divestment-Bewegung.

Hinter der Entscheidung, die Wertpapiere fossiler Unternehmen zu verkaufen, können unterschiedliche Motive stehen. Einigen Investoren wird es darum gehen, ihre Investments in Einklang mit ihren Werten und Zielen bzw. denen ihrer Organisation zu bringen. Dieses Motiv ist aus dem nachhaltigen Investment insbesondere im Zusammenhang mit der Nutzung von Ausschlusskriterien bekannt. Ein anderes Motiv ist, durch das Divestment ein Signal an Politik, Gesellschaft und Wirtschaft zu senden, sich stärker für den Klimaschutz einzusetzen. Divestoren kann es darüber hinaus darum gehen, die Finanzierungsmöglichkeiten für fossile Unternehmen zu beschränken, indem sie den Markt für Aktien und vor allem Anleihen austrocknen und/oder Kapital für Investitionen in zukunftsträchtige Anlagen, insbesondere erneuerbare Energien, freizumachen.

Carbon Bubble
von zentraler Bedeutung

Eine wichtige Rolle spielt schließlich der Schutz der eigenen Kapitalanlagen vor finanziellen Verlusten, wobei es enge Berührungspunkte mit der Diskussion um die sogenannte Carbon Bubble gibt. Unter dieser Überschrift wird eine vermeintliche Überbewertung der Vorräte an fossilen Energieträgern in den Bilanzen der Kohle­, Öl­ und Gasunternehmen diskutiert. Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Tatsache, dass nur noch eine begrenzte Menge von CO2 freigesetzt werden darf, wenn das zuletzt auf der Weltklimakonferenz in Paris bestätigte Ziel einer Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf maximal 2 °C – im besten Fall sogar nur 1,5 °C – erreicht werden soll. Die Organisation Carbon Tracker gibt diese Menge mir rund 565 Gt CO2 an. Die bestätigten Reserven, die sich in der Hand von privaten und staatlichen Unternehmen sowie Staaten befinden, umfassen derzeit umgerechnet etwa 2.795 Gt CO2. Insgesamt sind damit, so der Carbon Bubble-­Ansatz, 80 Prozent der weltweit verfügbaren Reserven an fossilen Rohstoffen wertlos, da sie nicht verbrannt werden dürfen. Dies führt insgesamt zu einer Überbewertung der Unternehmen sowie der Bonität der Öl und Gas fördernden Staaten, die zu einem Risiko für die Investoren werden kann, die Aktien, Unternehmens-­ oder Staatsanleihen halten.

Schadet Divestment der Rendite?

Angesichts der nachvollziehbaren Carbon ­Bubble ­Argumente könnte man die Sinnhaftigkeit dieser Renditefrage in Frage stellen. Allerdings gibt es Stimmen, die auf die Kosten und Risiken des Divestments verweisen. Angeführt werden hier zum einen die Kosten, die durch eine Umschichtung des Portfolios entstehen, zum anderen die potenziellen Risiken, die sich aus einer Verkleinerung des Anlageuniversums und damit einer Einschränkung der Möglichkeiten zur Diversifikation ergeben können.

Letzteres Argument wird seit Längerem angeführt, wenn es um Rendite und Risiko nachhaltiger Kapitalanlagen geht. Hier haben zahlreiche statistische Analysen nachgewiesen, dass sich eine Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Kapitalanlage nicht nur nicht negativ auf deren Rendite und Risiko auswirkt, sondern im Gegenteil sogar
 die Möglichkeit auf ein "positives Alpha" gegenüber konventionellen Anlagen eröffnet. Allerdings haben sich die Studien bisher nicht oder 
nur am Rande mit der Wirkung der Nutzung von Ausschlusskriterien auf Anlageerfolg und -­risiken beschäftigt. Da auch das Divestment im Kern die Anwendung eines Ausschlusskriteriums – in diesem Fall fossile Energien – umfasst, fehlt noch eine breite empirische Analyse der Risiken dieses Ansatzes. Erste Anhaltspunkte zur Beantwortung der Renditefrage liefert beispielsweise die Studie "Carbon Efficiency: A Strategic Look" von S&P Dow Jones Indices vom Oktober 2015. Ihr Kernergebnis: Gezielte Anlagen in kohlenstoffeffiziente Unternehmen sind kein Hemmnis für die Performance.

Grenzen des Divestment-Ansatzes

Der Divestment­-Ansatz stößt (bisher) vor allem dort an seine Grenzen,
 wo er darauf setzt, das Umfeld der fossilen Unternehmen bzw. deren Geschäftsmodell zu beeinflussen.
 So sind durch das Divestment unmittelbar nur Unternehmen betroffen, die am Kapitalmarkt aktiv sind. Der Verkauf von Aktien und Anleihen dieser Unternehmen kann sich auf deren Kurse auswirken, Unternehmensanleihen sind unter Umständen schwerer oder nur mit einem Renditeaufschlag am Markt zu platzieren. Das Ziel eines Austrocknens der Finanzierungsmöglichkeiten fossiler Unternehmen wird aber nur erreicht werden, wenn zum einen 
die Zahl der Divestoren und das von ihnen bewegte Kapital noch deutlich ansteigen und zum anderen alternative Finanzierungsmöglichkeiten, etwa die Aufnahme von Krediten, ebenfalls einbezogen werden.

Gleichzeitig zeigen Studien, dass das Unternehmensverhalten durch die Nutzung von Ausschlusskriterien kaum beeinflusst wird. So ergab beispielsweise eine Umfrage des NKI aus dem Sommer 2015, dass der Best-­in­-Class-­Ansatz und die Nutzung des Engagement­-Ansatzes die Strategien und Maßnahmen
 der Unternehmen sehr viel stärker beeinflussen als der Ausschluss 
von Unternehmen vom Investment. Investoren, die darauf setzen, das Unternehmensverhalten und deren Geschäftsmodell zu beeinflussen, sollten daher ggf. ihre Aktien und Anleihen behalten und den Dialog mit den Unternehmen suchen.

Dies könnte auch eine Option für Investoren sein, denen es vor allem um ein gutes Gewissen geht. Sie sollten sich zudem der Tatsache bewusst sein, dass das Divestment nur funktioniert, wenn es einen Investor gibt, der ihnen die Wertpapiere abkauft. Dem Klimaschutz ist damit kaum geholfen.

Fazit

Neben ethischen und gesellschaftspolitischen Aspekten spielen gerade nach den Entscheidungen der Weltklimakonferenz in Paris ökonomische Gesichtspunkte bei einem Ausstieg aus fossilen Unternehmen eine zunehmend wichtigere Rolle. Dabei können drei Entscheidungsdimensionen unterschieden werden: eine fundamentalanalytische, eine portfoliotheoretische und eine operative Dimension. In der Gesamtschau dieser Dimensionen muss jeder Investor selbst entscheiden, welche Konsequenzen er aus dem Klimawandel für sein Portfolio zieht und zu welchem Zeitpunkt er aktiv wird. Klar ist: Die Beschlüsse von Paris haben ein Platzen der Kohlenstoffblase wahrscheinlicher gemacht. Die Wertpapiere fossiler Unternehmen könnten für Investoren, die darauf keine strategische Antwort finden, im Depot zu einem "Schwarzen Peter" werden.

Entscheidungsdimensionen einer kohlenstofforientieren Investmentstrategie.
Entscheidungsdimensionen einer kohlenstofforientieren Investmentstrategie.
Quelle: UD
 

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