Der Finanzmarkt wird nachhaltiger - endlich
Zwei Jahre nach seiner Gründung hat der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung in Berlin 31 Empfehlungen für ein nachhaltiges Finanzsystem vorgelegt. Darunter fallen eine integrierte und zukunftsweisende Unternehmensberichterstattung, nachhaltigkeitswirksame Finanzprodukte sowie Forschung und systematischen Wissensaufbau mit Blick auf sich verändernde Kompetenzanforderungen bei Führungskräften in Aufsichtsbehörden, in der Finanz- und Realwirtschaft, in der Finanzberatung sowie der Öffentlichkeit.
01.03.2021
Der Sustainable-Finance-Beirat (SFB) macht in seinem Abschlussbericht wegweisende Handlungsempfehlungen für einen verlässlichen Politikrahmen in Deutschland und der EU. Zentral ist dabei, die finanziellen Risiken der anstehenden Transformation zu kontrollieren und gleichzeitig die immensen Chancen zu nutzen, die sich ergeben. Dem Finanzsektor kommt nämlich bei der nachhaltigen Transformation vieler Wirtschafts- und Gesellschaftsbereiche eine bedeutsame Wirkung zu – und der Markt wächst derzeit beachtlich. Investoren gewichten nachhaltiges Wirtschaften für den Unternehmenserfolg zunehmend stärker und nutzen dabei Nachhaltigkeitskriterien für Investitionsentscheidungen.
Umweltstaatssekretär Flasbarth: „Ich bin überzeugt, dass nachhaltiges Handeln von Unternehmen und Finanzmarktakteuren einen großen Anteil am Erfolg und der Zukunftsfähigkeit unserer Volkswirtschaft hat. Hieran wollen wir gemeinsam weiter arbeiten und die geeigneten Strukturen und Rahmenbedingungen in Deutschland schaffen und weiterentwickeln. Der Abschlussbericht markiert daher auch kein „Ende der Diskussion“, sondern ist für uns Motivation und Ansporn.“
Transformation der Real- und Finanzwirtschaft
Der Fachverband Forum Nachhaltige Geldanlage lobt erwartungsgemäß die Ergebnisse. Damit Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort werden kann, ist es nach Ansicht von FNG-Geschäftsführerin Angela McClellan notwendig, dass eine Bildungsoffensive gestartet wird und Nachhaltigkeit Einzug in Curricula im Rahmen der Studien- und Berufsqualifizierung oder durch Weiterbildungsmaßnahmen, insbesondere für Finanzberater*innen findet. Zudem setzt es voraus, dass Geschäftsführung, Vorstände und Aufsichtsräte in puncto Nachhaltigkeit qualifiziert sind, damit sie ihre Unternehmen in eine nachhaltige Zukunft lenken können.
Eine weitere wichtige Empfehlung des Beirats ist die Schaffung von Transparenz über den Beitrag aller Finanzprodukte zur globalen Entwicklungsagenda, den Sustainable Development Goals und den Pariser Klimazielen. Hierfür müsste basierend auf der EU-Offenlegungsverordnung eine Taxonomie für alle Finanzprodukte geschaffen werden, die die Skala der Finanzprodukte von dunkelgrünen bis braunen Investments abbildet und so Greenwashing verhindert.
NGO mit zurückhaltendem Lob
DerNABU etwa unterstützt die Empfehlung, dass eine unabhängige Sustainable Finance-Plattform mit Beteiligung aus der Zivilgesellschaft die Umsetzung der Empfehlungen des Beirates vorantreiben soll. Zu begrüßen sei auch, dass öffentliche Investitionen zwingend auf die Sustainable Development Goals (SDG) ausgerichtet sowie nach den Taxonomie-Kriterien bewertet werden sollen. Auch die kurzfristig aufgelegten Finanzhilfen zur Bewältigung der Pandemiefolgen müssten wirkungsvoll zur Bekämpfung der Klima- und Biodiversitätskrise beitragen. „Die Akteure der Finanz- und Realwirtschaft brauchen einen verlässlichen Rahmen und Planungssicherheit“, so Dr. Steffi Ober, NABU-Teamleiterin Ökonomie und Forschungspolitik. „Deutschland muss sich deshalb auch in Brüssel für eine ambitionierte Finanztaxonomie einsetzen, die keine Lücken oder Greenwashing zulässt, und die Transparenz verpflichtend macht. Nur so kann ein Umsteuern in der Finanzwirtschaft gelingen.“
Industrieverbände ambivalent
Auf Seiten der Industrie ist das Echo dagegen zwiespältig. Einerseits stimmt man der Richtung zu, aber kritisiert zugleich den Alleingang der Bundesregierung. „Internationale Finanzmärkte und ein auf Deutschland reduzierter Alleingang: Das passt nicht zusammen und muss unbedingt vermieden werden“, sagt Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der chemischen Industrie. „Diese Marktmechanismen wirken und gewinnen zunehmend an Fahrt. Regulatorische Vorgaben sollten daher lediglich flankierend eingesetzt werden.“ Dennoch auch unterstützt auch der VCI den Leitgedanken, dass Pflichten für Investoren und Referenzwerte für eine kohlenstoffarme Wirtschaft nach klaren Kriterien festgelegt werden. Dafür ist die praxistaugliche Umsetzung für die Datenbereitstellung besonders für den Mittelstand wichtig. Neue Bürokratiemonster gilt es durch maßvolle Vorgaben für die nichtfinanzielle Berichterstattung zu verhindern.