Geldanlage

Grüne Finanzbranche im Aufwind

Der Bedarf an Expertenwissen im Bereich Erneuerbare Energien-, Energieeffizienz- und Klimafinanzierung steigt. Alexander Boensch von der RENAC AG im Interview zum Finanzmanagement für die Energiewende.

02.09.2021

Grüne Finanzbranche im Aufwind
Die Grüne Finanzbranche ist im Aufwind. Der Bedarf an Expert*innen mit einem breiten Spezialwissen rund um Green Energy Finance wächst.

Wie können Banken dem Klimawandel etwas entgegensetzen?

Alexander Boensch: Green Energy Finance liefert einen Rahmen für die systematische, standardisierte Arrangierung und anschließende sichere Umsetzung von Green Energy-Investitionen. Banken, andere Finanzinstitutionen und die weltweiten Kapitalmarktakteure können mit ihrer bewussten Entscheidung, zukünftig nur noch diese Energieprojekte und fossile Energieerzeugungsprojekte nicht mehr zu finanzieren, das Fortschreiten des Klimawandels direkt beeinflussen. Voraussetzung ist natürlich immer, dass neue Green Energy-Projekte auch wirklich in gleichem Maße bestehende konventionelle Energieerzeugungseinheiten ersetzen. Hierfür muss die Politik klare Vorgaben zur Reduzierung der fossilen Energieproduktion machen.

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Was ist Green Energy Finance?

Boensch: Green Energy Finance befasst sich mit Methoden und Modellen zur Strukturierung und Finanzierung von Erneuerbaren Energien, Energieeffizienz- und Klimafinanzierungsprojekten. Das hierfür benötigte interdisziplinäre Fachwissen umfasst klassische kaufmännische Bereiche wie Finanzierung, Bewertung, Transaktionsstrukturierung, Marketing und Strategieformulierung. Hinzu kommen technisch-ingenieurwissenschaftliche Kenntnisse sowie juristisches Wissen in Hinblick auf branchentypische Vertragsstrukturen und das Aufsetzen geeigneter Gesellschaftskonstellationen.

Welche besonderen Faktoren spielen hier eine Rolle?

Boensch: Das Hauptziel ist die „Erlangung der ‚Bankability‘“. Es geht darum, in ausreichendem Maße Geldmittel für die schnelle, flächendeckende und professionelle Realisierung von Green Energy-Projekten zu beschaffen und zur Verfügung zu stellen. Hierfür ist eine geeignete Vorstrukturierung erforderlich, damit die Projekte einen qualitativen Status erlangen, der es Eigen- und Fremdkapitalgeber auf Basis ihrer jeweiligen Investitionskriterien ermöglicht einzusteigen. Ein wichtiger Aspekt dabei sind oft neben projektspezifischen Faktoren vorhandene oder nicht-vorhandene politische und institutionelle Rahmenbedingung.

Bei Green Energy Finance geht es auch um die Minimierung beziehungsweise das Managen von Klimarisiken für Kreditinstitute?

Boensch: Die meisten Kreditinstitute haben in der Vergangenheit in nennenswertem Umfang Kredite an Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft vergeben. Durch das zunehmende Fortschreiten der Energiewende sind manche dieser fremdfinanzierten Investitionen bereits unwirtschaftlich geworden. Für andere besteht die akute Gefahr, dass die Unwirtschaftlichkeit in den nächsten Jahren einsetzt oder Assets gar nicht mehr gebraucht werden und nur noch abgeschaltet werden können, unter anderem auch verursacht durch steigende CO2-Preise. Solche sogenannten „stranded assets“ können bei den geldgebenden Instituten zu existenzbedrohenden Kreditausfällen führen, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und angemessen gemanagt werden. Mehr und mehr Kreditinstitute finanzieren heute gar keine konventionellen Energieinvestitionen mehr, sondern fokussieren ausschließlich auf Green Energy-Projekte.

Wie unterscheidet sich Green Energy Finance von anderen Finanzbereichen?

Boensch: Ein wichtiges Merkmal ist die ausgeprägte Stakeholder Value-Orientierung mit dem Ziel der Harmonisierung der Interessen aller Projektbeteiligten. Mehr als sonst müssen vielfältige Perspektiven berücksichtigt und kompromissorientiert in Einklang gebracht werden. Das erfordert ein hohes Maß an Kooperationsbereitschaft. Zudem werden nachhaltige Finanzierungsinstrumente angewendet, die einen expliziten Bezug zu einem oder mehreren der drei ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social und Governance) haben. Es braucht Wissen um die umfassende Einbindung von ESG-kompatiblen Organisationsprozessen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Fokus auf Projektfinanzierung als zentrales (und ein Stück weit auch demokratisches) Finanzierungsinstrument, das die Akteursvielfalt unterstützt.

Wie grün ist Green Energy Finance (wirklich), Stichwort „Greenwashing“?

Boensch: Es geht in der Tat primär ums Geld – aber um Geld, mit dem Erneuerbare Energien-, Energieeffizienz- und Klimaprojekte realisiert werden können, damit diese in Zukunft die fossile Energieerzeugung möglichst umfassend ersetzen und den weltweiten CO2- und Schadstoffausstoß der Bestandstechnologien reduzieren. Akteurinnen und Akteure in diesem Finanzbereich arbeiten also aktiv an der weltweiten Energiewende mit. Welche Farbe das Geld letztlich hat, darf jeder selbst entscheiden. Wichtig ist dabei, dass es für Vorhaben bereitgestellt wird, die die genannte Definition von „Green Energy“ erfüllen.

Was kann und muss getan werden, um den Einsatz sauberer Energietechnologien zu beschleunigen?

Boensch: Die Standardisierung von Projekt- und Finanzierungsansätzen ist wichtig für die Erhöhung der Umsetzungsgeschwindigkeit, ebenso die Bündelung kleiner und Kleinstprojekte zu größeren, finanzierbaren Einheiten, damit Transaktionskosten reduziert werden. Für Investitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern müssen neue De-risking-Instrumente erarbeitet und die Anwendung bestehender Instrumente ausgebaut werden. Gut ausgebildete Spezialist*innen können die komplexen Herausforderungen des Projektgeschäftes besser umsetzen und kennen alternative Handlungsstrategien zur zielgerichteten Lösung von Problemen in diesem Feld.

Welchen Anteil hat Green Energy Finance aktuell am Bankensektor?

Boensch: Angaben des UNEP Centres an der Frankfurt School of Finance (UNEP ist das Umweltprogramm der Vereinten Nationen) und Bloomberg New Energy Finance zufolge wurden im Jahre 2019 weltweit insgesamt 282,2 Milliarden US-Dollar für Green Energy-Investitionen bereitgestellt (2018: 280,2 Milliarden US-Dollar). Diese Zahlen schließen allerdings Eigen- und Fremdkapitalbeträge ein und fokussieren damit nicht nur auf den Bankensektor.

Welche Entwicklung sehen Sie?

Boensch: Während die Investitionen weltweit in vielen Märkten stark steigen, liegt Deutschland aktuell mit 4,4 Milliarden US-Dollar in 2019 circa 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau, hat aber in den vergangen 20 Jahren in Summe bereits mehr als 330 Milliarden US-Dollar investiert und erzeugt mittlerweile 50 Prozent seines Stromes aus Erneuerbaren Energien. EU-weit betrug das Investitionsvolumen in 2019 insgesamt 54,6 Milliarden US-Dollar (ein Minus von sieben Prozent im Vergleich zu 2018).

Die absoluten Beträge sind indes nur begrenzt aussagefähig, da die spezifischen Investitionskosten für die beiden Haupttechnologien Wind und Solar infolge von Skaleneffekten stetig sinken, wodurch die gleiche Kapazität jährlich zu niedrigeren Gestehungskosten errichtet werden kann. Insgesamt ist für mindestens die kommenden zwei Jahrzehnte mit einer weiterhin anhaltend hohen Nachfrage nach Green Energy Finance und in diesem Bereich gut ausgebildeten Spezialist*innen zu rechnen.

Was zeichnet Green Energy Finance-Spezialist*innen aus?

Boensch: Die Finanzierung von Green Energy-Investitionen verlangt ganz verschiedene Spezialkenntnisse, über die generalistisch ausgebildete Finanzierer*innen in der Regel so nicht verfügen. Dies betrifft insbesondere die internationale Projektfinanzierung, Management und Durchführung von branchenüblichen Due Diligence-Prozessen und Asset-basierte Finanzmodellierung in Excel. Darüber hinaus werden umfassende Kenntnisse über Vergütungsmechanismen und Output-Vermarktung zum Beispiel von Grünstrom benötigt. Die zielgerichtete Einbindung internationaler, multilateraler und von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen sowie des Kapitalmarktes (Stichwort: Green Bonds) spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Außerdem bedarf es natürlich detaillierten Wissens über die wichtigsten Technologien, die bei derartigen Vorhaben zum Einsatz kommen, sowie über die zugehörigen Vertragsstrukturen.

Wo kann man sich diese Kompetenzen aneignen?

Boensch: RENAC hat im Vorfeld eine interne Marktanalyse durchgeführt und den Bedarf an akademischen Finanzkursen im Bereich Erneuerbare Energien-, Energieeffizienz- und Klimafinanzierung ermittelt. Zusätzlich konnte aus der weltweit starken Nachfrage für das von uns bereits angebotene ‚Green Energy Finance Specialist‘-Zertifikatsprogramm abgeleitet werden, dass es auch für weiterführende Qualifizierungsangebote einen Markt gibt.

Um interessierten Studierenden die Möglichkeit zu geben, mit dem Thema „Green Energy and Climate Finance“ eine akademische Weiterbildung abschließen zu können, wurde ein berufsbegleitender Master-Studiengang in Zusammenarbeit mit der Berlin Professional School der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin entwickelt. Er startet im Oktober 2021 und wird als Online-Studium angeboten. Bewerbungen können übrigens noch bis 31. August eingereicht werden.

Herr Boensch, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Zur Person

Alexander Boensch (M.A.) ist Project Director im Bereich Bio Energy / Renewable Energy and Energy Finance der Renewables Academy AG (RENAC), einem international ausgerichteten Bildungsanbieter, spezialisiert auf Erneuerbare Energie-Technologien und Energieeffizienz. In Kooperation mit der Berlin Professional School der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) bietet die RENAC ab Oktober 2021 ein berufsbegleitendes Online-Master-Weiterbildungsstudium mit dem Schwerpunkt „Green Energy and Climate Finance“ an.

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 11 500 Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften – mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in über 60 Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin unterhält 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bei der internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen und im Dualen Studium belegt die HWR Berlin Spitzenplätze in deutschlandweiten Rankings und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein. Die HWR Berlin ist einer der bedeutendsten und erfolgreichen Hochschulanbieter im akademischen Weiterbildungsbereich und Gründungshochschule. Die HWR Berlin unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

Quelle: UD/fo
 

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