Hohe Energiepreise: Banken rechnen mit mehr Kreditausfällen
Deutsche Banken prognostizieren Auswirkungen der schwierigen Konjunkturlage und hohen Energiepreise auf Kreditvergabe und Kosten für Kreditnehmer. Laut einer Kreditmarktstudie von EY bezeichneten 59 Prozent der befragten Bankmanager die Wirtschaftslage als schlecht. Zudem planen nur 14 Prozent der Banken, mehr Kredite zu vergeben. Die strengeren Anforderungen führen zu höheren Kosten und häufigeren Ablehnungen von Kreditanträgen. Zusätzlich gewinnen ESG-Kriterien bei der Kreditvergabe an Bedeutung. Die praktische Umsetzung stellt jedoch eine Herausforderung dar.
08.08.2023
Die schwierige Konjunkturlage und hohe Energiepreise werden sich nach Einschätzung deutscher Banken spürbar auf die Kreditvergabe auswirken und zudem zu steigenden Kosten für Kreditnehmer führen. So bezeichnen 59 Prozent der 120 für die „EY Kreditmarktstudie“ befragten Bankmanager die Wirtschaftslage in Deutschland als schlecht – nur vier Prozent als gut oder sehr gut. Und 86 Prozent halten Kreditausfälle wegen der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingung für wahrscheinlich.
Erschwerend hinzu kommen die hohen Energiepreise, die nach Einschätzung von 67 Prozent der Befragten zu Kreditausfällen führen werden.
Vor diesem Hintergrund sinkt der Anteil der Banken, die mehr Kredite vergeben wollen, im Vergleich zum Vorjahr drastisch: von 61 auf 14 Prozent. Aktuell planen 67 Prozent der Banken, ihre Kreditvergabe herunterzufahren.
Das sind die Ergebnisse der Kreditmarktstudie 2023 der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY, für die 120 Kreditmanager von Banken und Sparkassen befragt wurden.
Kredite werden teurer – und häufiger abgelehnt
Auf die Bankkunden – ob Unternehmen oder Verbraucher – kommen daher höhere Anforderungen, steigende Kosten und häufigere Ablehnungen von Kreditanträgen zu: 76 Prozent der befragten Banken werden in den nächsten zwölf Monaten höhere Anforderungen an Dokumentation und Sicherheiten bei Krediten stellen. Bei 64 Prozent der Banken werden für Neukunden die Kreditnebenkosten steigen, und 43 Prozent der Bankmanager rechnen mit mehr Ablehnungen von Kreditanträgen. Einige Banken wollen zudem keine neue Kreditlinien gewähren (21 Prozent).
„Die hohe Inflation und die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten lassen den finanziellen Spielraum vieler privater Kreditnehmer stark schrumpfen“, berichtet Christoph Roessle, Partner Strategie- und Transaktionsberatung Finanzdienstleistungen bei EY. „Daher sind die Banken dazu übergegangen, höhere Pauschalen für Lebenshaltungskosten bei der Kreditprüfung zugrunde zu legen. Insgesamt wurden die Kreditrichtlinien mit Blick auf die wachsenden Kreditrisiken deutlich restriktiver gestaltet. Das Ergebnis dieser Entwicklung sehen wir bereits auf dem Immobilienmarkt: Der Traum vom Eigenheim rückt für viele Menschen in Deutschland in immer weitere Ferne. Nicht nur weil die Zinsen stark steigen, sondern auch weil höhere Anforderungen an die Finanzsituation der Kreditnehmer gestellt werden.“
Diese Entwicklung werde auch in den kommenden Monaten weiter anhalten und dafür sorgen, dass immer mehr Unternehmen und Verbraucher schwerer an Finanzierungen gelangen werden, erwartet Roessle: „Den Banken bleibt keine andere Wahl, als bei der Kreditvergabe restriktiver vorzugehen. Denn die deutsche Finanzaufsicht schreibt seit dem vergangenen Jahr vor, dass die Kreditinstitute als Vorsorge für mögliche Rückschläge etwa auf dem Immobilienmarkt zusätzliche Kapitalpuffer bilden müssen. Ziel der Regulierung ist es, die Resilienz des deutschen Bankensystems gegen Krisen zu erhöhen.“
ESG-Kriterien spielen bei Unternehmenskrediten eine immer größere Rolle
Die Banken erhöhen derzeit bei der Kreditvergabe nicht nur die Anforderungen an Sicherheiten und Dokumentation. Sie berücksichtigen bei Unternehmenskrediten zudem zunehmend auch Nachhaltigkeitskriterien. Bei jeder fünften Bank sind ESG-Kriterien nach eigenen Angaben bereits Teil des Kreditvergabeprozesses, bei jeder vierten Bank werden die entsprechenden Prozesse gerade umgesetzt, bei 41 Prozent der Banken gibt es entsprechende Planungen.
„Der Druck auf die Banken, Nachhaltigkeitsaspekte bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen, steigt deutlich“, sagt Roessle. „Sowohl die europäischen Regierungen als auch die Aufsichtsbehörden fordern von der Kreditwirtschaft, sich stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten. In der Praxis erweist sich dieses Vorhaben allerdings angesichts der Vielfalt der regulatorischen Anforderungen und der noch ausstehenden Standardisierungen oftmals als große Herausforderung.“
Roessle berichtet, dass die meisten Institute beim Thema Nachhaltigkeit in der Kreditvergabe noch am Anfang stehen. „Der Wille ist da, aber die praktische Implementierung gestaltet sich schwierig – was auch an veralteten IT-Systemen liegt.“ Bei vielen Instituten fehle es noch an den technologischen Infrastrukturen, um ESG-Kriterien im Kreditgeschäft vollumfänglich berücksichtigen zu können: Lediglich 21 Prozent der Banken verfügen bislang über die erforderlichen technischen Möglichkeiten, um aus ihren Bestandskrediten ESG-Kriterien herauszufiltern.
Immerhin: Die Mehrheit der befragten Bankmanager erwartet, dass mittel- bis langfristig die Rentabilität ihres Hauses durch die Vergabe von ESG-Krediten steigt. Roessle kommentiert: „Unabhängig davon, ob sich die Beachtung von ESG-Kriterien positiv auf die Marge auswirken wird, steht für Banken und Sparkassen fest: Wer ESG-Kriterien nicht beachtet, geht ein erhebliches Reputationsrisiko ein.“