Geldanlage

Mikrofinanzierung in Deutschland

In den Entwicklungsländern hat sich Mikrofinanzierung bereits als wirksames Mittel für Hilfe zur Selbsthilfe etabliert. Auch in Industrieländern haben Kleinstunternehmen nicht immer Zugang zu den benötigten Finanzdienstleistungen. Aufgrund von anhaltender Arbeitslosigkeit und Druck auf den Sozialstaat erlangt das Thema zunehmend an Bedeutung. Der deutsche Mikrofinanzierungsmarkt hat jedoch im internationalen Vergleich noch Nachholbedarf.

22.04.2009

Foto: Marion Book
Foto: Marion Book
Beim ersten Mikrofinanzen-Frühstück von PlaNet Finance Deutschland und der Stiftung Up Micro Loans in Berlin diskutierten Experten aus unterschiedlichen Bereichen über das Thema „Kleinstunternehmen in Deutschland: Finanzierungsbedarf und Finanzierungsmodelle“. Vertreter aus den Bereichen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, der deutschen Gründerzentren, der KfW und der GLS-Bank, sowie von PlaNet Finance waren auf das Podium geladen. Die Diskussionsteilnehmer waren sich darüber einig, dass Kleinstunternehmen (Unternehmen mit maximal neun Mitarbeitern und einem Umsatz oder einer Bilanzsumme bis 2 Mio. Euro) einen bedeutenden Motor für Innovationen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen darstellen. Kleinstunternehmen machen circa 90% der Gesamtzahl deutscher Unternehmen aus. Sie sehen sich jedoch häufig mit Finanzierungsschwierigkeiten konfrontiert.

Aus Sicht der Kapitalgeber stehen bei der Vergabe von Mikrokrediten geringen Zinserlösen hohe Finanzierungs- und Beratungskosten, sowie hohe Risiken bei jungen Unternehmen ohne Unternehmenshistorie gegenüber. Mikrofinanzierung wird deswegen in Deutschland als betriebswirtschaftlich kaum tragfähig angesehen. Volkswirtschaftlich ist sie jedoch aufgrund eingesparter Sozialleistungen und gestiegener Wertschöpfung sinnvoll.

Externen Mikro-Finanzierungsbedarf mit einem Volumen bis zu 25.000 Euro haben in Deutschland jährlich circa 400.000 Gründungsunternehmen und etwa weitere 250.000 Bestandsunternehmen, wobei nicht nur die kleinsten, sondern auch mittelgroße Unternehmen in hohem Ausmaß kleinteilig organisiert sind und entsprechend zugeschnittene Finanzierungen benötigen.

Unter den Gründern haben diejenigen mit einem Finanzierungsbedarf zwischen 10.000 und 25.000 Euro die größten Schwierigkeiten an Kapital zu gelangen. Gründer, die nur sehr kleine Beträge unter 10.000 Euro benötigen, können sich häufiger mit Zuschüssen der Bundesanstalt für Arbeit, Ausleihungen bei Freunden und Verwandten oder durch spezielle Kreditangebote von Gründerzentren helfen.

Konträr hierzu sind unter den Bestandsunternehmen diejenigen mit dem kleinsten Finanzierungsbedarf gleichzeitig die mit den größten Finanzierungsschwierigkeiten. Dies mag unter anderem daran liegen, dass Banken für gewerbliche Kredite aus den bereits genannten Gründen häufig eine Mindesthöhe von 5.000 Euro festlegen, was auch Elmer Staudt von der Berliner Volksbank und Ilka Walter von der Mittelbrandenburgischen Sparkasse bestätigten. Laut dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband tritt jedoch gerade nach den ersten zwei Jahren Bedarf an Finanzierungen unter 10.000 Euro auf. Ein besonderes Defizit besteht folglich in der Entwicklung passender Finanzierungsmodelle für junge Bestandsunternehmen mit sehr kleinem Finanzierungsbedarf.

Diese Angebotslücke erkannte auch PlaNet Finance in Frankreich und gründete daraufhin die Risikokapitalgesellschaft FinanCités, die Sebastién Duquet, Geschäftsführer von PlaNet Finance, beim Mikrofinanzen-Frühstück in Berlin vorstellte. Seit 2006 fördert FinanCités Mikrounternehmen durch Eigenkapitalbeteiligung und realisiert somit ein Integrationsmodell zwischen Banken, Kommunen und Nichtregierungsorganisationen, das auch für Deutschland interessant sein könnte.

Die verschiedenen Akteure des deutschen Mikrofinanzmarkts lassen sich hauptsächlich zwei Ansätzen zuordnen. Zum einen sind da die Gründerzentren, die Kredite ausschließlich an Unternehmensgründer vergeben. Es handelt sich dabei laut Norbert Kunz, Geschäftsführer von IQ Consult, meist um kleinere Beträge von circa 3.000 Euro. Die Vergabe ist character-based und geht mit engem persönlichem Kontakt zum Kreditnehmer einher.

Zum anderen sind da die Banken, die prinzipiell sowohl Gründungs- als auch Bestandsunternehmen finanzieren; jedoch im Normalfall nur langjährige Kunden, deren Kontoverläufe sie kennen (Hausbankenprinzip) oder deren Businessplan überzeugt. Das Minimum für eine Kreditvergabe liegt aus Rentabilitätsgründen meist bei 5.000 Euro.

Man hat jedoch mittlerweile auch von Seiten der Banken das Potenzial des Mikrofinanzsektors und die Notwendigkeit einer ausgeprägten Kundennähe erkannt. So hat die Berliner Volksbank 2003 die Initiative StartPartner und zwei eigene Gründerzentren ins Leben gerufen. Vertreter der Sparkasse kündigten im Rahmen des Mikrofinanzen-Frühstücks eine mögliche Einführung von Mikrofinanzen als eigener Anlageklasse an.

Trotz einiger neuer Innovationen gibt es altbekannte, bis heute ungelöste Probleme am deutschen Mikrofinanzmarkt. Durch zahlreiche staatliche Förderprogramme und großzügige Zinssubventionen wird ein nachhaltiges Funktionieren des Marktes gefährdet, kritisierte Falk Zientz von der GLS-Bank.

Außerdem besteht weiterhin zusätzlicher Vernetzungsbedarf zwischen den verschiedenen Mikrofinanz-Akteuren (Banken, Gründerzentren, Handelskammern, Kommunen, Bundesagentur für Arbeit etc.), um die verschiedenen Maßnahmen aufeinander abzustimmen und vereinfachte Verfahren zur Mikrokreditvergabeprüfung zu entwickeln. León Macioszek von der KfW warb in der Expertenrunde für eine weitergehende Integration durch die Kommunen, vor allem bei Sicherheits- und Haftungsfragen.

Nicht nur um hohe Ausfallquoten zu vermeiden, sondern gleichzeitig auch den Mikrounternehmer vor der Schuldenfalle zu bewahren, unterstrich Brigitte Maas vom Frauennetzwerk Goldrausch die Bedeutung von begleitendem Coaching. Als die drei Hauptherausforderungen für deutsche Mikrofinanzierer nannte Maas Kapazitätsaufbau für Kreditbetreuer und Zugang zu Risikokapital. Um in Zukunft auch ein aktives Marketing zu betreiben und Mikrofinanzdienstleistungen nachhaltig an eine Großzahl von Kleinstunternehmen anbieten zu können, sei zudem ein nationales Aktionsbündnis für Mikrofinanzen wünschenswert.
Quelle: UD / pm
 
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