Die meisten Kreuzfahrtschiffe sind Dreckschleudern
Kreuzfahrten sind weniger sicher als Anbieter propagieren, nehmen Kunden wie auch Beschäftigte aus und schaden der Umwelt. Mit scharfer Kritik durchkreuzt Ross A. Klein von der Memorial University in St. John anlässlich des 100. Jahrestages der Titanic-Katastrophe die gängigen Vorstellungen über die "weißen Riesen der Weltmeere". Mit sozial- und umweltverantwortlichem Urlaub hat die Branche gar nichts zu tun, so das Resümee des Kreuzfahrt-Kritikers.
27.04.2012
Was die Sicherheitsfrage betrifft, hinterlegen allein die diesjährigen Medienberichte die Bedenken der Warner. Die Bilder der sinkenden Costa Concordia vor Giglio gingen zu Jahresbeginn um die Welt, im Monat darauf machte ein Brand auf der Costa Allegra das Schiff manövrierunfähig, im März brannte es auf der Azamara Quest der Royal Caribbean Cruises vor Malaysia.
Seit 1980 sind 16 Kreuzfahrtschiffe gesunken, 99 Schiffe seit 1973 auf Grund gelaufen. In den vergangenen elf Jahren stießen 73 Schiffen zusammen, 79 gerieten in Brand, und allein zwischen 2000 und 2011 kamen 100 Schiffe vom Kurs ab, waren manövrierunfähig oder aus anderen Gründen ein Sicherheitsrisiko, so die bisherige Datenlage.
Knallharte Profitmaximierung
Kaum besser beurteilt Klein das Geschäftsmodell: "Die Kreuzfahrtbranche zielt knallhart auf Profitmaximierung ab. Die billigen Grundangebote sind Teil davon." Sobald man ein Schiff betreten habe, werde man ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. "Für das Kreuzfahrtticket bezahlt ein Kunde rund 45 Dollar pro Tag, auf dem Schiff gibt er aber nochmals täglich 100 bis 250 Dollar aus." Alles, was nicht im Grundpreis inbegriffen ist, kostet extra. "Die Leute können ja nicht weg, sie müssen konsumieren oder versauern in ihrem Zimmer."
Jeder Laden, jede Bar und jedes Spielkasino auf dem Kreuzfahrtschiff liefert laut Klein der Kreuzfahrtgesellschaft bis zu 40 Prozent der Verkaufserlöse ab. Dasselbe gelte für Geschäfte an Land. "Die Landausflüge sind so geplant, dass die Passagiere ganz bestimmte Orte besuchen, die ebenfalls von den Kreuzfahrtgesellschaften kontrolliert werden. Auch dort müssen die Ladenbesitzer der Kreuzfahrtgesellschaft Abgaben bezahlen."
Schiffe nicht nachhaltig
Ein weiterer Kritikpunkt der Meeres-Kolosse sind deren verheerende Ökobilanz. "Pro Passagierkilometer produziert ein typisches Kreuzfahrtschiff mehr als drei Mal so viele Treibhausgase pro Kilometer als eine Boeing 747. Grund dafür ist das Schweröl, mit dem die Schiffe unterwegs sind", erklärt Greenpeace-Meeresbiologin Antje Helms.
Schweröl ist das erste Produkt, das in der Raffinerie bei der Fraktionierung abfällt. "Das Öl enthält Stickoxide, Schwefeloxide - vor allem Schwefeldioxid - und Ruß. An Land darf dieses Öl nirgendwo verwendet werden und müsste unter hohen Kosten als Sondermüll entsorgt werden", erklärt Helms. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) hat errechnet, dass ein einziges Kreuzfahrtschiff auf einer Fahrt so viele Schadstoffe ausstößt, wie fünf Mio. Autos auf der gleichen Strecke.
Die Standards der Internationalen Maritimen Organisation IMO schreiben übrigens ab 2020 weltweit einen maximalen Schwefelanteil in Schiffstreibstoff von 0,5 Prozent vor. Bis dahin dürfen Schiffe allerdings mit diesen giftigen Treibstoffen fahren.
Soziale Perfomance desaströs
Der wirtschaftliche Druck, der durch den Preiskampf auf hoher See ausgelöst wurde, lässt Kreuzfahrtunternehmen zu drastischen Maßnahmen in Sachen Beschäftigungspolitik greifen. Arbeitszeiten von zehn Stunden pro Tag und länger zehn Monate lang ohne Unterbrechung bei einem Lohn von 300 Euro plus Trinkgeld sind branchentypisch. Überstunden werden nicht bezahlt. Teilweise werden Mitarbeiter über Recruiting-Firmen in Drittländern angestellt, wodurch man sich die Anpassung an europäische Lohnrichtlinien erspart.
"Die Kreuzfahrtgesellschaften verdienen also trotz niedriger Preise gut. Die Carneval Corporation zum Beispiel erzielt mit diesem Geschäftsmodell jährlich zwei bis zweieinhalb Mrd. Dollar Gewinn", rechnet Klein vor. Dabei zahle das Unternehmen praktisch keine Steuern, weil es seinen Hauptsitz nach Panama verlegt hat. "Es hätte also genug finanziellen Spielraum, um anders zu wirtschaften, wenn es wollte."
Spärlich gesät seien die Ausnahmen einzelner kleiner Initiativen für umweltgerechtere Schifffahrt, die es vor allem in den nordeuropäischen Ländern gibt. Klein nennt hier umweltfreundliche Großsegler wie Sea Cloud Cruises oder Christiana Cruises als Beispiele, die allerdings beide im Hochpreissegment angesiedelt sind. Informationen über Nachhaltigkeit in der Kreuzfahrtbranche liefert die Homepage von fairunterwegs.org.