So sieht das typische Mehrfamilienhaus in Deutschland aus
Ein Mehrfamilienhaus ist in Deutschland durchschnittlich über 40 Jahre alt, wird mit Erdgas geheizt und hat bei der Energieeffizienz Potential nach oben. Das zeigt eine bundesweite Studie, die Statistiker der TU Dortmund und der Energiedienstleister ista durchgeführt haben.
02.10.2020
Fast die Hälfte der über 40 Millionen Wohnungen in Deutschland befindet sich in Mehrfamilienhäusern. Wenn durch die Corona-Krise Millionen Menschen mehr Zeit zuhause verbringen, gewinnen die Beschaffenheit und der energetische Zustand der Wohngebäude weiter an Bedeutung. Aber wie genau sieht das typische Mehrfamilienhaus hierzulande aus und wie ist seine Energiebilanz beschaffen? Statistiker der TU Dortmund und der Energiedienstleister ista haben diese Fragen anhand der Daten von bundesweit über 74.000 Gebäuden untersucht. Das Ergebnis ist ein Steckbrief des typischen Mehrfamilienhauses auf Bundes- und Landesebene:
Im Bundesdurchschnitt ist das typische Mehrfamilienhaus im Jahr 1978 gebaut worden und damit 42 Jahre alt. Das Gebäude verfügt insgesamt über 521 Quadratmeter Heizfläche. Es hat sieben Nutzeinheiten beziehungsweise Wohnungen, die im Durchschnitt circa 65 Quadratmeter groß sind. Geheizt wird das typische bundesdeutsche Mehrfamilienhaus mit Erdgas, die Heizungsanlage wurde 1997 eingebaut und ist damit 23 Jahre alt. Das Gebäude ist nicht zwingend saniert: Am häufigsten wurde die Heizanlage erneuert (48 Prozent), gefolgt vom Dach, den Fenstern und der obersten Geschossdecke (jeweils 43 Prozent). Der Energiekennwert des Gebäudes liegt bei 118, was der mittleren Kategorie D auf dem Energieausweis entspricht. Im typischen Mehrfamilienhaus ist somit durchaus weiteres Energieeinsparpotential vorhanden.
Potential beim Energiesparen
Neben der Gebäudesanierung und der Modernisierung der Heizanlage ist das Heizverhalten ein wichtiger Hebel für mehr Energieeffizienz. „Das Nutzerverhalten kann bei der Energieeffizienz im Mehrfamilienhaus den Unterschied machen. Durch ein optimiertes Heizverhalten können die Bewohner nicht nur Kosten sparen, sondern auch gemeinsam die Energiebilanz des Gebäudes verbessern. Dazu muss die Digitalisierung im Gebäude gestärkt werden“, sagt Thomas Zinnöcker, CEO von ista, mit Blick auf die Ergebnisse der Studie. Allein durch eine häufigere und zeitnahe Verbrauchsinformation für die Bewohner – wie es die neue europäische Energieeffizienz-Richtlinie (EED) fordert – ließen sich zehn Prozent der Heizenergie im Gebäude einsparen. Für die sieben Parteien im typischen bundesdeutschen Mehrfamilienhaus würden dadurch die jährlichen Heizkosten in Summe von durchschnittlich 3.524 auf 3.172 Euro gesenkt werden können. Die technische Voraussetzung dafür ist, dass die Wärmeverbräuche im Gebäude digital erfasst werden. Im typischen Mehrfamilienhaus in Deutschland ist dies bereits heute der Fall.
Regionale Unterschiede, Osten bei Sanierung und Energieeffizienz vorn
Die vorwiegende Heizenergieart im typischen Mehrfamilienhaus ist mit Erdgas über alle 16 Bundesländer hinweg gleich. Bei den Sanierungen liegt das typische Mehrfamilienhaus in Brandenburg im Ländervergleich klar vorn (Dach 66 Prozent, oberste Geschossdecke 67 Prozent, Außenwand 61 Prozent, Fenster 71 Prozent, Kellerdecke 49 Prozent). Die einzige Ausnahme bildet die Sanierung der Heizungsanlage, hier nimmt das Haus in Schleswig-Holstein mit 58 Prozent den Spitzenplatz ein. Den mit Abstand geringsten Energiekennwert haben die Mehrfamilienhäuser in Mecklenburg-Vorpommern (96), Sachsen (101) und Thüringen (101). Die höchsten Energiekennwerte weisen die Gebäude in Berlin (128) und Hamburg (128) sowie Bremen (126) und Schleswig-Holstein (126) auf. „Das typische Mehrfamilienhaus kann in Sachen Energieeffizienz eine Renovierung vertragen“, sagt Professor Walter Krämer von der TU Dortmund. „In Westdeutschland noch etwas mehr als im Osten. Das zeigen die Ergebnisse unserer Studie mit Blick auf den Energiekennwert und den Sanierungsgrad der Gebäude in den einzelnen Bundesländern.“
Die gesamte Studie findet sich hier.
Datenbasis und Methodik
Für die Studie haben Statistiker der TU Dortmund und der Energiedienstleister ista die Gebäudedaten von bundesweit 74.260 Mehrfamilienhäusern analysiert. Mehrfamilienhäuser mit Gewerbeeinheiten sowie mit einem jährlichen Verbrauch unter 15 bzw. über 500 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter (qm) wurden im Datensatz nicht berücksichtigt. Die Berechnung der Sanierungsquoten basiert auf 25.154 Mehrfamilienhäusern mit Energieausweis aus dem Jahr 2018. Dabei gelten das Dach, die oberste Geschossdecke, die Außenwand, die Fenster und die Kellerdecke als saniert, falls diese der Wärmeschutzverordnung 1995 entsprechen. Eine Heizanlage gilt als saniert, falls diese nicht 20 Jahre oder älter ist. Für die Berechnung der Energieeinsparpotentiale bezieht sich die Studie auf die Ergebnisse des Modellprojekts „Bewusst heizen, Kosten sparen“ der Deutschen Energie-Agentur (Dena) sowie auf den „Wärmemonitor 2018“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).