Der richtige Fisch kommt auf den Tisch
Kann sich der Verbraucher sicher sein, dass Fisch und Meeresprodukte auch korrekt bezeichnet werden? Diese und andere Fragen wurden im Rahmen des Projektes #fischdetektive untersucht, das vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wird. Die bisher umfangreichste Studie dieser Art zeigt, dass nur wenige Fischproben falsch etikettiert waren.
19.12.2017
In einer bundesweiten dreiwöchigen Kampagne im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2016/17 haben Kinder und Jugendliche während der „#fischdetektive challenge“ insgesamt 647 Fischgewebeproben gewonnen und mit ausgefüllten umfangreichen Fragebögen ans GEOMAR geschickt. „Aus den Proben konnten wir in 468 Fällen einen genetischen Barcode, eine Art genetischen Flossenabdruck, gewinnen und so die Identität der Fische überprüfen“, erläutert Projektkoordinatorin Anna Bockelmann vom GEOMAR.
Die gute Nachricht ist: Beim größten Teil der Fischestimmte die im Handel angegebene Fischart mit dem genetischen Barcode überein. Nur bei fünf Prozent der Fische (insgesamt 24) war dies nicht der Fall. Unter diesen waren neun Fische, bei denen man eine absichtsvolle Fehletikettierung annehmen kann. Bei diesen war zum einen anstelle einer teureren Fischart eine preiswertere verkauft worden (ein sogenanntes "Upgrading", sechs Fälle). Bei drei weiteren Proben wurden atlantische durch pazifische Arten ersetzt. Die häufigsten eingeschickten Fischarten waren Alaska-Seelachs gefolgt von Seelachs und Kabeljau/Dorsch. Insgesamt konnten vierzig verschiedene Fischarten identifiziert werden. Die meisten Fische wurden mit Schleppnetzen im Nordostatlantik gefangen und als tiefgefrorenes Filet im Supermarkt gekauft.
Die vorliegende Studie beruht mit 468 Proben auf etwa viermal so vielen Datenpunkten wie die einzige bisher existierende deutsche Studie zu dieser Fragestellung. Diese wurde allerdings nur im norddeutschen Fischhandel durchgeführt. „Damit besitzen wir nun erstmalig eine solide Datenbasis zum Thema Fehletikettierung in Deutschland“, so Bockelmann. Die GEOMAR Wissenschaftler konnten darüber hinaus zeigen, dass Kinder und Jugendliche so akkurat und präzise arbeiten können, wie dies für ein wissenschaftliches Projekt notwendig ist. Außerdem zeigt das Projekt eindrucksvoll die Vorteile eines Bürgerforschungsprojektes. „Wir erhielten Proben aus ganz Deutschland, was die Ergebnisse sehr repräsentativ macht“, so Anna Bockelmann.
Weil es aufwändiger ist, die Begleitinformationen über Art und Herkunft der Probe im Restaurant statt im Supermarkt zu ermitteln und besondere Fischarten schwieriger zu bekommen sind, gab es für die Proben unterschiedlich viele Punkte. Die höchste Gesamtpunktzahl hat gewonnen. „Unsere Gewinner waren sehr fleißig und sorgfältig und haben tolle Video-Clips zu ihrer Probenahme erstellt“, berichtet Bockelmann. Die Gewinnerinnen und Gewinner dürfen beispielsweise auf einem Forschungsschiff mitfahren oder an einem Forschertag am GEOMAR teilnehmen. Bei den Kindern und Jugendlichen soll mit diesem Projekt Interesse für das Meer und eine nachhaltige Fischerei geweckt werden. Bockelmann hofft: „Wir möchten mit diesem Projekt Kinder und Jugendlichen aufzeigen, dass sie als mündige Verbraucher selbst Einfluss nehmen können“.
Mehrere Untersuchungen hatten zuvor in anderen europäischen Ländern deutlich höhere Fehletikettierungen gefunden und für erhebliches Aufsehen gesorgt. Bei genauerem Hinsehen beschränkten sich diese Studien allerdings auf solche Segmente der Fischprodukte, wo eine Fehletikettierung einfacher ist (zum Beispiel Sushi, Plattfischfilets oder verarbeitete Fischprodukte). Die #fischdetektive untersuchten unverarbeiteten Fisch. „Um Studien miteinander vergleichen zu können, muss sehr genau auf die Untersuchungsbasis geschaut werden, sonst vergleichen wir Äpfel mit Birnen“, erläutert Thorsten Reusch vom GEOMAR, der die Studie mitgeleitet hat. Ein nächster Schritt wäre eine Verfeinerung der genetischen Methodik, um nicht nur die Fischart, sondern auch die genaue Herkunft der Speisefische bestimmen zu können. „Denn nur so lässt sich abschließend beurteilen, ob der Fisch auf unserem Tisch aus einem nicht bedrohten Bestand stammt“, so Professor Reusch.