Aus Müll Mode machen – upcycling fashion aus Berlin
aluc – upcycling fashion aus Berlin ist ein junges Unternehmen, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, aus Reststoffen, die ansonsten als Industrieabfälle entsorgt würden, hochwertige Mode herzustellen. Dabei achten die Gründerinnen und Gründer in besonderem Maße auf soziale, ökologische und faire Unternehmensführung. Nun wurden sie von den Sustainable Business Angels ausgewählt, entgeldfrei beraten und gefördert zu werden, um erfolgreich auf dem Markt zu bestehen.
22.04.2014
SBA-Initiative: Wenn Sie Ihre Gründungsidee kurz beschreiben sollten, welche Punkte sind Ihnen besonders wichtig?
aluc: Industrielle Überproduktion ist ein großes Problem für die Umwelt. An dieser Stelle setzen wir mit Upcycling Fashion (www.aluc.eu) an und verändern mit nachhaltigen Strategien herkömmliche Produktionsweisen. Ist es wirklich sinnvoll, neue Stoffe herzustellen, solange riesige Mengen an Abfall aus der Textilindustrie jeden Tag auf der Müllkippe landen oder verbrannt werden? Für uns stellen bereits kleinste Stoffmengen eine Möglichkeit dar, Originelles und Einzigartiges zu kreieren. Eine faire Produktion bildet das Fundament unseres Konzeptes. Die Arbeit mit verschiedenen lokalen, sozialen Projekten und Behindertenwerkstätten in Deutschland erlaubt es uns, die regionale Wirtschaft und das soziale System zu unterstützen.
Im Zentrum Ihrer Gründungsidee stand es also, modische „Upcycling Fashion“ herzustellen, die in besonderem Maße umweltschonend, sozial und fair ist. Wie funktioniert „Upcycling“ bei Ihnen konkret?
Das Design ist beim Upcycling an bestimmte Gegebenheiten gebunden, aber gerade dies kann interessant sein. Das Material ist Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für neue Ideen. Wenn Designer dieses Potenzial erkennen und es zu Nutzen wissen, können daraus ganz unvorhergesehene Kreationen entstehen. Jedem Fleck, jeder Laufmasche und jedem Loch kann an einer anderen Stelle das fehlerhafte Erscheinungsbild genommen werden und somit kann das Kleidungsstück ästhetisch an Wert gewinnen. Bei unserem eigenen Label „aluc“ verwenden wir vorrangig den sogenannten „pre-consumer waste“, also die Stoffreste und den Verschnitt, der vor der Produktion entsteht. Daraus werden Hemden, Blusen und Oberteile gefertigt. Die Stoffreste, die während unserer Produktion anfallen, werden zusammen mit Second- Hand- Bekleidung in Accessoires umgewandelt.
„aluc – UPCYCLING FASHION AUS BERLIN“ ist eine Marke der Bischof und Leupert GbR. Das Unternehmen wurde am 29.05.2010 von Carina Bischof, Jonathan Leupert, Luise Barsch, und Arianna Nicoletti gegründet. Diese bilden auch heute den Kern des Mode-Unternehmens, welches aus industriellen Textilabfällen Mode macht, den Upcycling Fashion Store betreibt und als Upcycling Consultancy ihr Fachwissen weiter gibt.
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Im Produktionsprozess arbeiten Sie auch mit lokalen, sozialen Trägern wie etwa Behindertenwerkstätten zusammen und versuchen, alle Abläufe so transparent wie möglich zu gestalten. Wie genau versuchen Sie, Ihr Unternehmen über das „Upcycling“-Konzept hinaus in besonderem Maße nachhaltig zu gestalten? Mit welchen Initiativen und Organisationen arbeiten Sie dabei zusammen?
Seit 2010 arbeiten wir mit den Harz-Weser-Werkstätten in Osterode am Harz zusammen. In dieser Behindertenwerkstatt wird der Großteil unserer Hemden und Blusen genäht. Damit unterstützen wir eine soziale Einrichtung in der Region, welche Menschen mit Behinderung eine Chance auf Arbeit, einen geregelten Tagesablauf und das Gefühl von Sicherheit und Bedeutung gibt. Ende 2012 haben wir das erste Mal mit der “One Good Factory” in Bulgarien zusammengearbeitet. Dieser Verbund kleiner Produzenten hat sich unter der Schirmherrschaft von Nin Castle, Modedesignerin und ‚Goodone‘-Gründerin, auf die Upcycling-Produktion spezialisiert. Wir finden dieses Projekt unterstützenswert und haben eine Serie an Hemden dort nähen lassen.
Seit zwei Jahren veranstalten wir bei uns im Laden, dem Upcycling Fashion Store, den monatlichen „Strich- und Faden Modestammtisch“, der Designer und junge Start-Up- Unternehmen verbindet und motiviert nachhaltiger zu produzieren. Durch gemeinsame Projekte und Aktionen erweitern wir unser Netzwerk.
Ganz aktuell helfen wir auf deutscher Seite den „Fashion Revolution Day“ mit zu organisieren. Diese Kampagne feiert am 24. April 2014, ein Jahr nach der Katastrophe des Rana Plaza in Bangladesch, nachhaltige Ansätze der Modeindustrie. Sie bietet jedem, der dieses System verändern möchte, die Chance, seine Arbeit zu präsentieren. An diesem Tag wird sich alles um die Frage 'Who made my clothes?' drehen. Auf der ganzen Welt werden Designer, Einzelhändler, Produkthersteller und Interessierte in Gedenken an den Fabrikeinsturz nachhaltige Produktionsverfahren vorstellen und Menschen auf die Frage nach der Herkunft ihrer Kleidung ansprechen.
Ihr Unternehmen besteht bisher aus drei Modedesignerinnen und einem Betriebswirtschaftler – das klingt nach einem sehr kreativen und innovativen Umfeld, bei dem aber auch das Wirtschaftliche nicht zu kurz kommt. Wie funktioniert die Zusammenarbeit und wo sind im Alltag die Reibungspunkte?
Das ist richtig, es ist eine spannende Kombination. Die Arbeitsatmosphäre bei uns ist sehr ausgeglichen, Diskrepanzen gibt es selten. Unsere Stärke im Team liegt besonders in der Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der einzelnen Mitglieder. So haben wir uns mit der Zeit in die verschiedensten Aufgabenbereiche eingearbeitet und auf die Fähigkeiten des Einzelnen im Team abgestimmt. Jeder von uns konnte sich in unterschiedlichen Arbeitsgebieten testen. Mittlerweile ergab es sich daraus, dass auch unsere Designer betriebswirtschaftliche Aufgaben übernehmen. Natürlich eckt man im Alltag hin und wieder aneinander. Dies ist wahrscheinlich auch auf die Vielzahl unserer Projekte zurückzuführen, die wir verwirklichen möchten. Da unsere kreativen Köpfe gern etwas abdriften, ist es gut Jemanden an Board zu haben, der uns auf den Boden der Tatsachen holt und erinnert, dass wir uns auf das wesentliche Alltagsgeschäft konzentrieren sollten.
Wie genau sehen Ihre Produkte aus? Welche Kleidungsstücke bieten Sie an, und was ist das Besondere an den von Ihnen angeboten Kleidungsstücken? Was machen Sie dabei bewusst anders als andere Modelabels?
Aluc bietet vorwiegend Hemden, Blusen und Blusenkleider an. Diese werden mit einem abnehmbaren Kragen gefertigt, der dem Kleidungsstück seinen einzigartigen Charakter verleiht. Dieser kann einerseits als Designelement angesehen werden, mit dem man unterschiedliche Akzente setzt. Auf der anderen Seite hat er auch einen funktionalen Zweck. Ist der Kragen einmal ausgetragen, muss nicht gleich das ganze Hemd entsorgt werden, sondern es reicht, den Kragen auszutauschen. Die meisten der Kreationen, die wir in unserem Laden, dem Upcycling Fashion Store, vertreiben, sind Einzelstücke oder Kleinserien. Wir folgen dem Slow Fashion Prinzip, d.h. dass die Serien limitiert sind und meist länger als eine Saison getragen werden können.
Sie gestalten Ihre Produkte und Ihr Unternehmen als Ganzes also bewusst anders, in Abgrenzung zur ‚konventionellen‘ Bekleidungsindustrie. Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Probleme dieser Branche? Was können Konsumenten tun, um hier eine nachhaltige Entwicklung zu fördern?
Die Schnelllebigkeit der Modebranche stellt ein großes Problem dar. Viele der automatisierten Produktionsabläufe werden zu wenig hinterfragt. Durch die stetig wechselnden Trends sind Fehlproduktionen und falsche Entscheidungen nahezu schon vorprogrammiert. Dieser Überschuss an textilem Abfall führt zu einem kontinuierlichen Anstieg der Müllberge.
Es gibt verschiedene Ansätze für den Konsumenten um etwas zu verändern. Der Kleidungskauf sollte ähnlich wohlüberlegt sein wie der Wechsel zu einer nachhaltigen Bank oder einem Bioprodukt im Supermarkt. Dem Verbraucher sollte bei jedem Kauf eines Produktes bewusst sein, dass er etwas nachhaltig verändern kann. Man kann aber auch bereits auf der Suche nach einem Produkt im Geschäft Eindruck hinterlassen, indem man den Verkäufer nach den genauen Produktionsbedingungen fragt und somit Druck auf das Unternehmen ausübt.
Sicherlich gab es vor, während und nach der Gründung in Ihren ersten Geschäftsjahren zahlreiche Herausforderungen für Sie und Ihr Unternehmen. Was war/ ist dabei Ihre größte Herausforderung?
Vor vier Jahren wussten in Deutschland die wenigsten mit dem Begriff Upcycling etwas anzufangen, schon gar nicht in Bezug auf Mode. Wir wollten dies ändern und haben seither in unterschiedlichste Richtungen Projekte angestoßen. Wir sehen die größte Herausforderung darin, Entscheidungen sowohl für als auch gegen die Realisierung dieser Projekte zu treffen und somit die eigene Arbeit und Energie zu kanalisieren. Bei diesem Prozess spielen vor allem Intuition und Erfahrung eine bedeutende Rolle. Diesbezüglich sind wir besonders für die Unterstützung durch Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt dankbar.
Nun sind die ersten Wochen der Zusammenarbeit mit den beiden Sustainable Business Angels Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt vergangen. Was haben Sie bisher erreicht, und was erhoffen Sie sich aus der Zusammenarbeit mit den Sustainable Business Angels?
Das anfängliche Kennenlernen in lockerer und angenehmer Atmosphäre hat dazu beigetragen, dass wir zu Peter Kowalsky und Jürgen Schmidt schnell Vertrauen aufbauen konnten. Wir präsentierten unsere Ideen und Visionen frei vor ihnen, ohne dass diese gleich gewertet wurden. In Gesprächen auf Augenhöhe zeigte sich, dass gewisse Ängste zu Beginn einer Unternehmensgründung üblich sind und kleinere Missgeschicke zu diesem Lernprozess dazu gehören. Die beiden beraten uns speziell zu den von uns angesprochenen Problemfeldern. Ihr professionelles Feedback gibt uns Ansätze für zielführende Entscheidungen, hilft bei der Strukturierung und bereitet uns auf kommende Aufgaben vor.
Dann noch eine abschließende Frage: Welche Erwartungen haben Sie an die Zukunft Ihrer Unternehmung? Oder anders formuliert: Wo sehen Sie Ihr Unternehmen und auch die Modebranche insgesamt in zehn Jahren?
Für Unternehmen sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, umweltbewusst zu handeln und zu produzieren. So ist zum Beispiel der Abfall, der während der Produktion entsteht, nicht gleich Müll, sondern ein Wertstoff, den es zu begreifen gilt. Es ist dabei wichtig, dass Unternehmen mehr über ihren „Müll“ reden! Nur so kann ein Umdenken auf allen Ebenen erfolgen. Wir würden Modeunternehmen bei diesem Lernprozess gern unterstützen und ihnen helfen, durch das Integrieren von Upcycling in ihren Produktionsprozess besser mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen.
Vielen Dank für das Interview!
Über die Initiative „Sustainable Business Angels“
Innovative Ideen und verantwortungsbewusstes Unternehmertum sind notwendig auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung unserer Gesellschaft. Die erfahrenen Unternehmer der Initiative “Sustainable Business Angels” (SBA) begleiten und unterstützen daher junge Unternehmer mit ihrem Know-how, ihrem Ideenreichtum und ihren Netzwerken. Darüber hinaus entwickelt die Initiative gemeinsam mit unabhängigen Experten Leitlinien, die aufzeigen sollen, wie eine frühzeitige Umsetzung von Corporate Social Responsability (CSR) in die Unternehmensprozesse erreicht und begutachtet werden kann.
Die Initiative wird getragen von der RhönCampus e.G., der memo AG, der macondo publishing GmbH und dem Institut für Nachhaltigkeitsmanagement. Förderpartner sind das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und der Europäische Sozialfond (ESF).
In 2013 erhielt die Initiative die renommierten Auszeichnungen „Werkstatt N Impuls“ des Rates für Nachhaltige Entwicklung und „Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung“ der UNESCO.
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