Ist das Textilbündnis in Gefahr?
Das von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller initiierte Textilbündnis motiviert Unternehmen nicht ausreichend dazu, sich für die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten zu engagieren. Die Unternehmen, die dem Textilbündnis beigetreten sind, decken bisher etwas weniger als 50 Prozent des deutschen Textilmarktes ab.
14.06.2018
Das kritisierten die zivilgesellschaftlichen Mitglieder des Bündnisses anlässlich eines Vernetzungstreffens, das am 5. Juni in Hannover stattfand. Vermutlich werden zudem Anfang Juli erneut weitere Mitglieder das Bündnis verlassen müssen, wenn sie der Pflicht zur Erstellung eines jährlichen Maßnahmenplans nicht nachkommen. Die zivilgesellschaftlichen Mitglieder verweisen darauf, dass das freiwillige Textilbündnis sinnvolle Beiträge zur Umsetzung von Standards leisten könne. Für die Verwirklichung der Menschenrechte in der textilen Lieferkette sind aber wirksame und für alle Unternehmen geltende gesetzliche Regeln notwendig.
Konkrete Vorgaben und Weiterentwicklung der Ziele
Im Bündnis für nachhaltige Textilien haben sich rund 150 Mitglieder aus Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft zusammengeschlossen, um die Bedingungen in der Textilproduktion zu verbessern. Sie haben sich dafür auf verbindliche Ziele geeinigt, zu denen sie jährlich im Rahmen des sogenannten Review-Prozesses Bericht erstatten. Im August sollen die neuen Maßnahmenpläne („Roadmaps“) der Mitglieder veröffentlicht werden.
„Unsere Analyse zeigt, dass die Ziele momentan zu große Spielräume hinsichtlich der konkreten Umsetzung und Ausgestaltung der Maßnahmen zulassen“, kritisiert Dr. Nele Kampffmeyer, Leiterin des Projekts am Öko-Institut. „Das schwächt die Wirksamkeit des Bündnisses.“
Eine Forderung des Öko-Instituts besteht darin, die tiefere Lieferkette stärker in den Fokus zu nehmen. Um die Situation zu verbessern, können die Unternehmen beispielsweise einen Beschwerdemechanismus einrichten, der auch für den Baumwollbauern aus Indien oder die Näherin aus Bangladesch leicht zugänglich ist. Diese können Missstände so direkt an das einkaufende deutsche Unternehmen kommunizieren.
Auch sollte das Bündnis konkrete Standards für eine faire Einkaufspraxis formulieren. Lieferanten sehen sich einem hohen Preisdruck, knappen Lieferfristen und kurzfristigen Geschäftsbeziehungen gegenüber. In vielen Fällen müssen sie die Kosten für eine Verbesserung ihrer Standards zudem selber tragen, was den Druck zusätzlich erhöht. Die Bündnispartner sollten sich daher beispielsweise Gedanken machen, welche Standards sie einführen sollten, um bestimmte Produktmengen garantiert abzunehmen.
Würdigung und Sanktionierung von Unternehmen
Da das Bündnis für nachhaltige Textilien ein freiwilliger Zusammenschluss ist, ist es nach Auffassung von Cara-Sophie Scherf, Expertin für unternehmerische Sorgfaltspflichten am Öko-Institut, wichtig, jene Unternehmen zu würdigen, die besonders ambitioniert in der Umsetzung der Ziele sind: „So werden Vorreiter sichtbar und anderen Unternehmen erkennen, dass eine Verbesserung der sozialen und ökologischen Bedingungen in der Textilbranche möglich ist.“
Gleichzeitig bleibt das Textilbündnis ein freiwilliger Zusammenschluss, der nur einen Teil der deutschen Textilunternehmen umfasst. Damit alle Unternehmen bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen, fordert das Öko-Institut die Einführung rechtlich verbindlicher menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten. Dann müssten alle Unternehmen beispielweise eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchführen und gegebenenfalls entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen.