Biofouling umweltfreundlich beseitigen
Es ist eines der größten Probleme in der Schifffahrt: Marine Organismen bewachsen in kürzester Zeit Schiffsrümpfe, wodurch sich das Gewicht des Schiffes und dessen Strömungswiderstand erhöhen und sich der Treibstoffverbrauch steigert. Ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel nun eine umweltfreundliche Beschichtung entwickelt gegen das sogenannte Biofouling entwickelt.
29.12.2017
Ein Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und der Phi-Stone AG, eine Ausgründung der CAU mi Sitz ins Kiel, hat in enger Zusammenarbeit nun eine umweltfreundliche Alternative für die bislang weltweit überwiegend verwendeten Schutzanstriche entwickelt, die umweltschädliche Stoffe beinhalten und abgeben.
Die neue Beschichtung erschwert die Ansiedelung von marinen Organismen und ermöglicht es, Schiffe leichter zu reinigen. Der neuartige Ansatz wurde jetzt mit einem internationalen Preis für innovative Marinetechnologien ausgezeichnet und setzte sich dabei gegen Konkurrenten von drei Kontinenten durch. „Dieses Projekt aus der Nanotechnologie ist ein gutes Beispiel für Innovationstransfer aus Schleswig-Holstein, der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung in die industrielle Anwendung bringt. Als Universität wollen wir bestehende Probleme durch innovative Ideen lösen. Voraussetzung dafür ist der funktionierende Dialog zwischen Wissenschaft und Firmen“, betont Professorin Karin Schwarz, Vizepräsidentin für Technologietransfer der CAU.
Rund 40 Prozent höherer Treibstoffverbrauch durch Biofouling
„Wir gehen davon aus, dass Biofouling den Treibstoffverbrauch von Schiffen um bis zu 40 Prozent erhöht. Das kostet die Transportindustrie weltweit über 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr und belastet unnötig die Umwelt“, ergänzt Ingo Paulowicz, Vorstand der CAU-Ausgründung Phi-Stone. Dazu kommt ein erheblicher Reinigungs- und Wartungsaufwand, um die Schiffsrümpfe von Seepocken und anderen anhaftenden Organismen zu befreien und wieder neu zu lackieren. Viele der bereits existierenden Schutzanstriche sind wegen ihrer massiven umweltschädigenden Wirkung bereits verboten. Dazu gehören zinnorganische Anstriche wie Tributylzinn. Mit einem Verbot kupferbasierter Verbindungen wird im nächsten Jahr gerechnet, was den Bedarf an umweltfreundlichen und langlebigen Schiffsbeschichtungen enorm erhöht.
Haltbarer und umweltfreundlicher
Die Beschichtung, die die Wissenschaftler der CAU und der Firma Phi-Stone zusammen entwickelt haben, verbindet Umweltfreundlichkeit mit Haltbarkeit. Das Produkt kommt ohne Lösungsmittel aus und gibt keine umweltschädlichen Substanzen ins Meer ab – anders als weitverbreitete selbstpolierende Beschichtungen (sogenannte self-polishing coatings), die kupferhaltig sind. Diese werden nach und nach durch den Fahrtwiderstand abgetragen und setzen dabei kontinuierlich Giftstoffe frei. Die glatte Oberfläche der neuen Beschichtung aus Kiel erschwert es Organismen, sich an den Schiffsrümpfen anzuhaften und die Beschichtung anzugreifen. „So bleibt der biokorosionsbeständige Farbanstrich länger erhalten und Seepocken oder Muscheln können einfach und schnell abgebürstet werden“, erklärt Dr. Martina Baum, Technische Biologin aus der Arbeitsgruppe„Funktionale Nanomaterialien“ von Professor Rainer Adelung, in der die Idee bereits vor einigen Jahren entstanden ist.
Gemeinsam mit ihrer damaligen Doktorandin, Materialwissenschaftlerin Iris Hölken, untersuchte Baum die bewuchsmindernden Eigenschaften eines Polymerkomposits, das auf Polythiourethan und speziell geformten Keramikpartikeln basiert. Sie verbessern die mechanischen Eigenschaften der Beschichtung und die Haftung des Lacks an der Schiffsoberfläche. Zusammen mit der Phi-Stone AG entwickelten sie das Material und den Beschichtungsprozess weiter. „Der jährliche Verbrauch von sogenannten Anti-Fouling-Anstrichen beträgt weltweit mittlerweile 80.000 Tonnen. Das erzeugt Kosten von etwa vier Milliarden Dollar pro Jahr. Vom Schutzeffekt auf die Meere ganz zu schweigen“, macht Phi-Stone-Vorstand Paulowicz die Dimensionen einer umweltfreundlichen Beschichtungsalternative deutlich.
Mit schleswig-holsteinischen Firmen testete das Forschungsteam aus der Universität Kiel und der Phi-Stone AG das neue Produkt zunächst in Wasserbecken des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und an Schiffen. „Diese Tests sind sehr gut verlaufen“, so Baum. „Auf dem Schiff ‚African Forest‘, dessen Route von Belgien bis nach Gabon in Zentralafrika führt, konnten wir nach zwei Jahren mit der Beschichtung deutlich weniger Bewuchs feststellen. Und dieser ließ sich einfach mit einem Schwamm entfernen.“ Dr. Iris Hölken, die ihre Promotion mittlerweile abgeschlossen hat, führt das Thema jetzt als wissenschaftliche Leiterin des Projekts bei Phi-Stone weiter. Zurzeit arbeitet die Firma an der Entwicklung eines Sprühverfahrens, mit dem sich die Beschichtung leicht und großflächig auftragen lässt.
Internationale Auszeichnung für innovative Marinetechnologie aus Kiel
Mit der umweltfreundlichen Beschichtung die Phi-Stone AG nun auch den internationalen Wettbewerb „Global Marine Technology Entrepreneurship Competition 2017“ gewonnen. Insgesamt 120 Teams waren in Vorausscheidungen in Paris, London, Shanghai oder am Massachusetts Institute of Technology in Boston angetreten. Der deutsche Vorentscheid fand Ende Oktober in Kiel statt: Am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung präsentierten Phi-Stone-Vorstandsmitglied Ingo Paulowicz und Mitarbeiter Haoyi Qiu erfolgreich das umweltfreundliche Beschichtungskonzept. Beim Finale im chinesischen Qingdao konnten sie sich gegen starke Konkurrenten von drei Kontinenten durchsetzen.