Wer sind die Wirtschaftsnobelpreisträger 2018?
Mit der Bekanntgabe der Gewinner des diesjährigen Wirtschafts-Nobelpreises gab es Überraschungen: Statt Ökonomen klassischer Schule, gewannen zwei Verfechter nachhaltiger Ansätze. Lars Jäger stellt uns die Gewinner in seinem Gastbeitrag vor.
15.11.2018
Der Wirtschaftspreis ist der einzige, der für eine Sozialwissenschaft vergeben wird anstatt für eine Naturwissenschaft. Der Preis wurde erst 1968 von der schwedischen Riksbank anlässlich ihres 300-jährigen Bestehens im Gedanken an Nobel gestiftet. Sein korrekter Name lautet „Alfred-Nobel-Gedächtnispreis“. So kommt es vor, dass ein solcher Nobelpreis für eine Wirtschaftstheorie verliehen wird, die einer anderen Theorie explizit widerspricht, welche in der Vergangenheit bereits mit einem Preis ausgestattet wurde.
So gingen beispielsweise die frühen Nobelpreise vielfach an Ökonomen, die der Theorie des rationalen Nutzenmaximierens auf der Ebene der ökonomischen Agenten (sprich: den Menschen) ausgingen. In den letzten Jahren gab es dagegen immer mehr Preisträger, die sich stark gegen diese Annahme aussprachen und ein Gebiet begründeten, das heute „Verhaltensökonomie“ heißt. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen hier die vielen kognitiven Verzerrungen und Irrationalitäten, die wir Menschen bei wirtschaftlichen Entscheidungen an den Tag legen. Man stelle sich dies einmal für die Physik vor: Einmal werden Forscher ausgezeichnet, die der klassischen Mechanik folgen, dann mal wieder solche, die die Quantenmechanik vertreten. Das ist schlicht unvorstellbar.
Auch dieses Jahr wird ein Preisträger ausgezeichnet, der einem Model wiederspricht, für das bereits ein Nobelpreis ausgesprochen wurde. Der Amerikaner Paul M. Romer erhält den Nobelpreis 2018 für seine Arbeiten rund um technologische Innovationen und ihre Bedeutung für das wirtschaftliche Wachstum. Die Frage nach Faktoren des Wirtschaftswachstums ist für Ökonomen von enormer Bedeutung. So erhielt bereits 1987 der amerikanische Ökonom Robert Solow den Nobelpreis für seine Theorie des Wirtschaftswachstums auf der Basis des technologischen Fortschritts, welche er in den 1950er Jahren entwickelt hatte.
Anders als Romer allerdings war Solow der Auffassung, dass die bestimmende Kraft des wirtschaftlichen Wachstums, der technologische Fortschritt, außerhalb der Wirtschaft und der in ihr operierenden Akteuren, z.B. Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen, liegt. Der technologische Fortschritt sollte sich unabhängig von der Wirtschaft entwickeln und damit von extern auf sie wirken (Wirtschaftswissenschaftler sprechen von exogenen Faktoren). Das endogene Wachstumsmodell, welches auf Romer zurückgeht, behauptet dagegen, dass das wirtschaftliche Wachstum das Resultat von endogen wirkenden Faktoren ist, also Faktoren, die innerhalb des Einflusses der Firmen und anderer Entitäten innerhalb der Wirtschaft liegen.
Auch Romer beschreibt den technologischen Fortschritt als Treiber des wirtschaftlichen Wachstums, erkennt jedoch, dass dieser Fortschritt von den Aktivitäten der Marktteilnehmer selbst abhängig ist. So betont er beispielsweise die Notwendigkeit, dass starke Institutionen des öffentlichen und privaten Sektors Innovationen explizit fördern und Anreize für Einzelpersonen und Unternehmen schaffen, innovativ zu sein. Die Politik einer Regierung hat gemäß seinen Modellen einen bedeutenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum eines Landes, indem es Innovation und Wettbewerb fördert. Vor allem in den Bereichen Infrastruktur und bei Investitionen in Bildung, Gesundheit und Telekommunikation ergeben sich hohe Skalenerträge, so Romer. Genauso sind Investitionen von Firmen in Forschung und Entwicklung ein zentraler Treiber des technologischen Fortschrittes und damit des Wirtschaftswachstums, zudem Investitionen in die Menschen („Humankapital“), z.B. durch Bildung und Weiterbildung. Romers Ergebnisse ermöglichen es uns, allgemein besser zu verstehen, welche Marktbedingungen die Entstehung von Ideen für neue profitable Technologien begünstigen: Im Allgemeinen wächst eine Wirtschaft gut, wenn seine Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft Offenheit, Wettbewerb, Veränderung und Innovation fördern.
In dieser Theorie liegt eine klare politische Botschaft an autokratische Regierungen: Die Wirtschaft wächst am besten in offenen Gesellschaften! Es mag erstaunen, dass sich für diese sehr intuitive Einsicht ein Nobelpreis verdienen lässt. Doch gab es 1994 auch schon einen Wirtschaftsnobelpreis für die Aussage „Wie Du mir, so ich Dir!“. Hinter beiden steckte eine weitaus komplexere Argumentation, bzw. im Fall der Spieltheorie eine sehr abstrakte Mathematik, als die Einfachheit der Aussage vermuten ließe. Und wer sagt, dass einfache, intuitive Einsichten in der Ökonomie immer ganz einfach verstanden und modelliert werden können?
Auch der zweite Nobelpreis geht dieses Jahr an einen US-Amerikaner. Und auch dieser birgt aktuellen politischen Zündstoff, der insbesondere Donald Trump zu denken geben sollte. William D. Nordhaus hat sich sehr ausführlich mit der Ökonomie des Klimawandels auseinandergesetzt und dabei gezeigt, „wie die wirtschaftliche Aktivität mit chemischen und physikalischen Vorgängen zusammenwirkt, um den Klimawandel hervorzurufen“. Es gelang ihm, in den Worten des Nobelkomitees, „den Klimawandel in langfristige ökonomische Modell zu integrieren“. Besonders seine DICE- und RICE- Modelle (Dynamic Integrated Climate-Economy model und Regional Integrated Climate-Economy model) beschreiben ein hochaggregiertes Modell, das Ökonomie, Kohlenstoffkreislauf, Klimabedingungen und ihre Auswirkungen integriert, wobei Theorien und empirische Resultate aus der Physik, Chemie und Ökonomie verbunden werden.
Diese Art der Umweltkostenrechnung ermöglicht unter anderem eine Abwägung der Kosten und Vorteile von expliziten politischen und regulatorischen Maßnahmen zur Verlangsamung des Treibhauseffekts, wie beispielsweise die Einführung einer CO2-Steuer. Die Ergebnisse seiner Arbeiten ließen Nordhaus zu einem lautstarken Verfechter eines langfristig nachhaltigen Wachstums in der globalen Wirtschaft und der Einführung staatlicher Maßnahmen gegen den Klimawandel werden. Die Bekanntgabe seiner Auszeichnung nahm er daher zum Anlass, deutliche Kritik an der US-Regierung und ihrer verantwortungslosen Klimapolitik zu üben.
Zur Begründung ihrer Wahl der diesjährigen Nobelpreisträger für die Wirtschaftswissenschaften schreibt das Nobelkomitee konkret:
Die Untersuchung, wie die Menschheit mit begrenzten Ressourcen umgeht, steht im Mittelpunkt der Wirtschaftswissenschaften. Seit ihrem Dasein als Wissenschaft hat sie erkannt, dass die wichtigsten Begrenzungen von Ressourcen Natur und Wissen sind. Die Natur diktiert die Bedingungen, in denen wir leben, und Wissen definiert unsere Fähigkeit, mit diesen Bedingungen umzugehen. Trotz ihrer zentralen Rolle haben Ökonomen kaum untersucht, wie Natur und Wissen durch Märkte und das Verhalten seiner Agenten beeinflusst werden. Die Preisträger Paul M. Romer und William D. Nordhaus haben den Bereich der wirtschaftswissenschaftlichen Analyse erweitert, indem sie Werkzeuge geschaffen haben um zu prüfen, welchen Einfluss die Marktwirtschaft langfristig auf die Natur und das Wissen hat.
Es wurde aber auch Zeit, kann man da nur sagen.
Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo er – als umtriebiger Querdenker – zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle Finanzanleger beraten, und zugleich regelmäßige Blogs zum Thema Wissenschaft und Zeitgeschehen unterhält. Überdies unterrichtet er unter anderem an der European Business School im Rheingau. Die Begeisterung für die Naturwissenschaften und die Philosophie hat ihn nie losgelassen. Sein Denken und Schreiben kreist immer wieder um die Einflüsse der Naturwissenschaften auf unser Denken und Leben. Im August 2018 erschien sein neuestes Buch „Die zweite Quantenrevolution“ bei Springer.