Evonik macht Lachse zu Vegetariern
Die heutige Weltbevölkerung verzehrt Fisch in nie gekanntem Ausmaß. Diese menschliche Abhängigkeit von Fisch belastet aber die Wildfischbestände erheblich. Betroffen sind nicht nur das Gleichgewicht des Lebens in den Ozeanen, sondern auch das soziale und wirtschaftliche Wohlergehen von Millionen Menschen, deren Lebensunterhalt vom Fisch abhängen.
06.03.2019
Weltweit steigende Nachfrage nach Fischprodukten
Die Menschen essen immer mehr Fisch und Krustentiere. Fischprodukte gelten als eiweißreich und gesund: Wer statt rotem Fleisch öfter Fisch isst, verbessert seine Gesundheit und verringert die Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs. Rund 171 Millionen Tonnen Fisch wurden 2016 weltweit produziert, schätzt die Welternährungsorganisation FAO. Und der Bedarf steigt: Um eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, werden bis 2030 weitere 30 Millionen Tonnen benötigt.
Die Überfischung der Meere und ein seit den 1980er Jahren stagnierender Wildfischfang erfordern es, den zusätzlichen Bedarf aus Aquakulturen zu decken, so
die FAO. Bereits heute entfallen darauf fast 50 Prozent der globalen Fischproduktion,
Tendenz steigend.
In Regionen, in denen Aquakultur nach dem neusten Stand der Technik betrieben wird, können Umweltbelastungen– wie der Einsatz von Antibiotika oder die Überdüngung des Wassers durch Futterreste und Kot – deutlich verringert werden. Dazu leisten gezielte Impfungen ebenso einen Beitrag wie verbessertes Futter oder effizientere Fütterungsmethoden.
Eine besondere Herausforderung in der Aquakultur bleibt die Fütterung: In der Fischzucht werden jährlich rund 16 Millionen Tonnen Fischmehl und Fischöl aus
Wildfang eingesetzt. Das verschärft die Situation für die überfischten Bestände zusätzlich. Und genau da kommen die Wissenschaftler von Evonik ins Spiel. Sie ersetzen das aus Wildfang gewonnene Fischmehl und Fischöl durch ökologisch bessere Alternativen.
Evonik für nachhaltige Aquakultur
Als weltweit führender Anbieter von Aminosäuren und Aminosäurederivaten für die moderne Tierernährung ist Evonik stolz auf den Beitrag, den das Unternehmen zu verbesserter Umweltverträglichkeit und Erhaltung der Biodiversität leistet. Was sich so einfach anhört, ist in Wirklichkeit ziemlich kniffelig. Denn viele Fische und Krustentiere sind zunächst einmal Fleisch- oder Allesfresser. Essenzielle Aminosäuren,
die sie für ihr Wachstum zwingend benötigen, beziehen sie größtenteils aus tierischen Proteinquellen. Eine Umstellung auf Soja oder andere pflanzliche Eiweiße allein wäre keine Lösung. Die Tiere könnten ihre Nahrung nicht optimal verwerten, müssten insgesamt mehr Eiweiß aufnehmen und würden entsprechend mehr Abbauprodukte
ungenutzt ausscheiden. So würden Futterressourcen verschwendet und das Wasser zusätzlich belastet (Widerspruch zu Subziel 14.1).
Aminosäuren und Aminosäurederivate, die Evonik speziell für die Fischzucht entwickelt hat, machen es möglich, künftig weitgehend auf den Einsatz von Fischmehl oder -öl zu verzichten. Mit MetAMINO® und DL-Methionine for AquacultureTM bietet Evonik Proteinquellen insbesondere für Salmoniden (Lachse, Forellen) an. Durch die gezielte Zugabe werden vegetarische Futterquellen so verbessert, dass diese Tiere auch die pflanzlichen Eiweiße optimal nutzen können. Erfolgsbeispiel Lachs: 2008 mussten dessen Futter noch rund 40 Prozent Fischmehl beigemischt werden, was die Erreichung des Subziels 14.4 erschwert. Heute sind es durchschnittlich nur noch 10 bis 15 Prozent.
Nachhaltige Ernährung von Garnelen
Über die Zeit hat Evonik seine Forschungsarbeit von den Salmoniden auf die nachhaltige Zucht von Garnelen und Krustentieren ausgeweitet. Die Herausforderung dabei: Diese haben ein völlig anderes Fressverhalten und Verdauungssystem als Fische. Während der Raubfisch Lachs sein Futter schnappt, sobald es in das Wasser eintritt, fressen Garnelen sehr langsam am Gewässergrund. Stark wasserlösliche Komponenten werden deshalb aus dem Futterpellet ausgewaschen, bevor sie von der Garnele aufgenommen werden können (Widerspruch zu Subziel 14.1). Außerdem muss das Methionin genau dann zur Verfügung stehen, wenn die in der Proteinverdauung freigesetzten Aminosäuren anfallen.
Evonik ist es gelungen, diese Anforderung der richtigen Mengen zum richtigen Zeitpunkt zu knacken. Dazu kommt ein schwer wasserlösliches Dipeptid zum Einsatz, das aus zwei Methioninmolekülen besteht. Dieses muss im Organismus der Garnele zunächst aufgespalten werden, wodurch das Methionin zusammen mit anderen Verdauungsprodukten für die Proteinsynthese genutzt wird. Der Einsatz des Dipeptids AQUAVI® Met-Met hat neben dem niedrigeren Verbrauch an Fischmehl weitere Vorteile: Er senkt die Futterkosten und trägt zu verbesserter Wasserreinheit bei. Ergebnis sind gesündere Garnelen und geringere Umweltbelastungen. Die erste Produktionsanlage für AQUAVI® Met-Met ging im Jahr 2016 am Evonik-Standort Antwerpen (Belgien) in Betrieb.
Biotechnologische Herstellung von Fischfutter schont marine Rohstoffe
Ein weiterer Schritt der Evonik-Forscher war es, den Einsatz von Fischöl im Futter vollständig zu ersetzen, mit Fokus auf die Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure). Dazu brachten Evonik und die niederländische DSM ihre sich ergänzenden Kompetenzen in eine Entwicklungspartnerschaft ein. DSM hat große Erfahrung in der Kultivierung mariner Organismen und im Bereich der Biotechnologie, Evonik in der industriellen Produktion von Aminosäuren in großvolumigen Fermentationsprozessen.
In dieser Partnerschaft werden Omega-3-Fettsäuren auf nachhaltige Weise biotechnologisch produziert – mit Hilfe von Meeresalgen. Konkret: 1 Kilogramm des Algenöls ersetzt bis zu 60 Kilogramm Wildfang. Das ermöglicht es, die wachsenden Mengen in der Zucht einzulösen, ohne dadurch Fischbestände und Artenvielfalt der Meere zusätzlich zu gefährden (Subziel 14.4).
Die Herstellung der algenbasierten Omega-3-Fettsäuren haben DSM und Evonik in dem neuen Unternehmen Veramaris V.O.F. gebündelt. An dem Joint Venture, das seinen Sitz auf dem DSM Biotech Campus in Delft (Niederlande) hat, sind beide Partner zu jeweils 50 Prozent beteiligt. Der Bau einer ersten Produktionsanlage am Standort Blair (Nebraska, USA) hat bereits begonnen und kommt planmäßig voran. Das Investment liegt bei rund 200 Millionen US-Dollar. Kommerzielle Mengen des Algenöls werden von 2019 an erhältlich sein. Die jährliche Produktionskapazität soll anfangs etwa 15 Prozent der aktuellen Jahresnachfrage nach EPA und DHA in der gesamten Lachszuchtindustrie decken. Auf diese Weise leistet Veramaris einen nachhaltigen Beitrag, die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage nach Omega-3-Fettsäuren zu schließen.
Dieser Artikel ist im Original im Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2018" zum Thema "Wirtschaft und Menschenrechte" erschienen.