Klimaspatz Piaf signalisiert, ob die Luft rein ist
Derzeit sitzt ein digitaler Vogel namens "Piaf" im Büro von Svenja Schulze und misst die Luftqualität im Raum. Der Raumklima-Assistent erfasst den CO2-Wert, die Temperatur und die relative Luftfeuchte und signalisiert, wenn das gesundheitliche Wohlbefinden wegen verminderter Luftqualität sinkt und gelüftet werden sollte.
22.03.2019
Ob in der Büropflanze, am Telefon oder auf dem Monitor: Der Klimaspatz „Piaf“ sitzt derzeit im Büro von insgesamt 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) – auch bei Bundesumweltministerin Svenja Schulze. Diese freut sich über den neuen digitalen Begleiter: „Frischere Luft und dabei Energie sparen – das sorgt für gutes Klima im Büro. Der kleine Vogel macht automatisch darauf aufmerksam, wenn die Luft zu stickig und Heizenergie verschwendet wird. Das zeigt beispielhaft, wie die Digitalisierung den Umweltschutz voranbringen kann.“ Das BMU ist dabei nicht nur Mitinitiator des Projekts, sondern wird selbst zum Vorbild und Forschungsobjekt.
Der Raumklima-Assistent „Piaf“ – was übrigens französisch „Spatz“ bedeutet – ist ein digitales Messsystem in Vogelform. Dieses hilft, ein besseres Gefühl für das Raumklima zu bekommen. Der Vogel misst kontinuierlich die Raumluftqualität und meldet sich, sobald etwas nicht stimmt. Ist die Raumluftqualität zu schlecht, atmet der Vogel schneller und die Kehle des Vogels leuchtet rot. Sobald ausreichend gelüftet wurde, zwitschert er und zeigt eine blau gefärbte Brust.
Die Idee, dem Raumklima-Assistenten die Gestalt eines Vogels zu geben, hatte die Düsseldorfer Designerin Dr. Christina Zimmer. Im Ruhrgebiet wurden Kanarienvögel früher zum Symbol für die Luftqualität. Sie signalisierten Bergleuten gefährliche Konzentrationen von Kohlenmonoxid – dann mussten sie unverzüglich den Stollen verlassen. Auf dieses Symbol griffen die Projektpartner nun zurück – dieses Mal mit einer digitalen Variante.
Energieeinsparungen von bis zu 20 Prozent
Dr. Carolin Baedeker, Projektleiterin und stellvertretende Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut, erklärt: „Alltägliche Routinen und Verhaltensmuster der Nutzenden eines öffentlichen Gebäudes wie Angestellte, Facility Management und Haustechnik beeinflussen den Gebäudebetrieb maßgeblich. Das muss man vor dem Hintergrund der Energieeffizienz genauer betrachten. Da ist noch viel Luft nach oben – bis zu 20 Prozent Energieeinsparung ist möglich.“
Menschen wollen das Raumklima individuell beeinflussen und oft ist dabei die Fensterlüftung das Manko für Energieeffizienzbestrebungen: Sinkt die Raumtemperatur, erhöhen die Anlagensysteme die Heizleistung. In der Heizperiode soll das Fenster nicht zu lange offen stehen, um Lüftungsverluste zu reduzieren. Wenn aber das geöffnete Fenster in Vergessenheit gerät, entweicht unnötig viel Wärme. Wenig zu lüften ist allerdings insbesondere in Gebäuden ohne Lüftungsanlage keine Lösung. Denn schlechte Luftqualität senkt das Wohlbefinden und verringert die persönliche Leistungsfähigkeit.
Prof. Dr. Viktor Grinewitschus von der EBZ Business School ergänzt: „Die aktuellen Konzepte der Gebäudeautomation haben die Potenziale einer nutzerzentrierten Betriebsführung nicht oder nur unzureichend erkannt und umgesetzt. Ohne einen intensiven Dialog mit den Gebäudenutzern ist das Wechsel- und Zusammenspiel zwischen Anlagentechnik, Gebäudemanagement und Nutzer/-innenverhalten nicht im Sinne einer hohen Energieeffizienz zu organisieren.“ Das Projektteam gestaltet diesen Dialog mit den Kommunikationsdesignern Aaron Wolber und Jonathan Handt neu. Es werden die Bedürfnisse aller relevanten Akteure aufgegriffen und konsequent die verfügbaren Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik sowie Mikroelektronik für die Umsetzung der Lösungen genutzt.
„Technik dient dem Menschen“
Prof. Dr. Christa Liedtke, Leiterin der Abteilung Nachhaltiges Produzieren und Konsumieren am Wuppertal Institut und Professorin an der Folkwang Universität der Künste, sagt: „Die Bedürfnisse der Menschen wertzuschätzen und nicht – wie bisher oft geschehen – als Störfaktor zu sehen, ist unser Gestaltungskonzept. Design bietet einen Perspektivwechsel; die Technik dient dem Menschen, nicht umgekehrt. Sie erleichtert die Umsetzung von eigenen Handlungszielen und macht in der Bedienung Spaß.“
Forscherinnen und Forscher des Wuppertal Instituts und der EBZ Business School untersuchen diese Potenziale derzeit im Projekt „Entwicklung einer Strategie zur Unterstützung des Energiesparverhaltens von Nutzern/-innen in Büro- und Verwaltungsgebäuden“ im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) in Berlin, welches vom Bauministerium (BMI) und dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) gefördert wird.
Die Entwicklung und der Einsatz von „Piaf“ ist ein gutes Beispiel der Living Lab-Forschung, die das Wuppertal Institut unter anderem in Kooperation mit der EBZ Business School seit rund zehn Jahren verfolgt.