Innovation & Forschung

Roboterfische ersetzen Tierversuche

Wissenschaftler der Universität Magdeburg arbeiten in den kommenden drei Jahren daran, vom Gesetzgeber geforderte Tierversuche in europäischen Wasserkraftwerken künftig durch Roboterfische zu ersetzen. Die künstlichen Ersatzfische sollen Informationen über Strömungsbedingungen und zu erwartende Schädigungen von Fischen in europäischen Flusskraftwerken geben.

04.07.2019

Roboterfische ersetzen Tierversuche
Der Wasserkanal dient den Forschenden dazu, erste Tests an Prototypen des Roboterfisches durchzuführen. Bisher wird er genutzt, um Modelle von umweltverträglichen Wasserturbinen zu testen.

Bisher werden laut Datenbank des Bundesinstituts für Risikobewertung an Wasserkraftwerken Tierversuche mit jährlich bis zu 450.000 Fischen durchgeführt, um deren Passage von Turbinen zu evaluieren und so die Fischverträglichkeit der Anlage zu testen.

Ziel des ab März 2019 mit 1,4 Millionen Euro vom Bund geförderten Forschungsprojektes „Reduktion von Tierversuchen zum Schädigungsrisiko bei Turbinenpassagen durch Einsatz von Roboterfischen, Strömungssimulationen und Vorhersagemodellen RETERO“ ist es, teilautonome Robotersysteme und Simulationsmodelle zu entwickeln, die den Einsatz lebender Fische für Gutachten reduzieren und langfristig vermeiden sollen.

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Der interdisziplinäre Forschungsverbund verknüpft Kompetenzen aus Biologie, Ethohydraulik, Wasserbau, Strömungsmechanik, Leistungs-, Mikroelektronik und Informationstechnik. Projektpartner der Universität Magdeburg sind das Institut für Wasserbau und Technische Hydromechanik der TU Dresden, das Institut für Gewässerökologie und Fischereibiologie Jena und das Unternehmen SJE Ecohydraulic Engineering GmbH in Stuttgart. Ein weiterer internationaler Partner ist das Centre for Biorobotics der Technischen Universität Tallin in Estland.

Fischschutzsysteme an Wasserkraftwerken

„Die Behörden schreiben aufgrund der Europäische Wasserrahmenrichtlinie vor, für Wasserkraftanlagen an Fließgewässern per Gutachten nachzuweisen, dass die Anlagen für Fische und andere Flussfauna passierbar sind“, erläutert Stefan Hoerner vom Institut für Thermodynamik und Strömungsmechanik der Universität Magdeburg. „Dafür wurden allein 2015 450.000 Fische, meist aus Wildfängen, eingesetzt.“ Für die Tiere bedeute das extremen Stress und die Mortalität liegt wenn es sehr gut läuft bei rund zehn Prozent. 

„Der Gesetzgeber sieht zwar Fischschutzsysteme an Wasserkraftwerken vor, diese sind aber häufig nicht voll funktionsfähig und es fehlen geeignete Abstiegsalternativen, so dass noch immer sehr viele Fische den Weg über die Turbine in das Unterwasser nehmen“, so der Strömungsmechaniker und Elektroingenieur weiter. „Darüber hinaus sitzen an den Anlagen mit Vorliebe Raubfische oder Reiher und warten auf unkompliziert zu jagende Beute.“

Entwicklung von „Ersatzfischen“

Bis zum Jahr 2022 wollen Stefan Hoerner und sein Team gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Elektrische Energiesysteme der Universität elektronische „Ersatzfische“ entwickeln, die sich arttypisch verhalten. Notwendige Daten für die Simulation fischgerechten Verhaltens der autonomen Robotersysteme liefern Testläufe von mit Sensoren ausgestatteten lebenden Fischen.

Auch die künftigen Roboterfische werden eine Fülle an Druck- und Beschleunigungssensoren besitzen. Die damit bei ihrem Einsatz in Wasserkraftwerken erfassten Daten erlauben es den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern dann, ohne Tierversuche Vorhersagen und Hochrechnungen zu Schädigungsrisiken zu treffen.

Mehr Informationen finden Sie hier

Hintergrund

Wasserkraft als älteste und größte regenerative Energiequelle deckt laut Informationen der Bundesregierung global ungefähr 16 Prozent der Stromproduktion ab. Allein in Deutschland gibt es 7.000 kleinere und 400 große Laufwasserkraftwerke, die die Wanderkorridore der Fische unterbrechen. 

Neben den bekannten Arten wie Aal und Lachs migrieren nahezu alle Fische zumindest innerhalb der Flüsse, um sich fortzupflanzen oder zwischen Teillebensräumen zu wechseln. Die Europäische Wasserrahmenrichtline und ihre nationale Umsetzung, das Wasserhaushaltsgesetz und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie fordern, die Durchgängigkeit aller Fließgewässer wiederherzustellen. Betreiber von Wasserkraftwerken müssen nachweisen, dass sie die Fischpopulationen nicht nachhaltig schädigen nicht verhindern. 

An der Universität Magdeburg wird bereits seit mehreren Jahren an ökologisch verträglichen Wasserkraftlösungen im Rahmen des Wachstumskerns„FlussStromPlus“ geforscht. Mehr Informationen unter 

Quelle: UD/fo
 

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