Innovation & Forschung

Innovative Geschäftsideen rund um Pflanzenkohle

Masterstudierende der FH Kiel haben Geschäftsideen zur Verbesserung der CO2-Bilanz in der Land- und Ernährungswirtschaft entwickelt. Die Umwandlung (Pyrolyse) von Pflanzen zu Kohle bindet dauerhaft CO2 aus der Atmosphäre. Die dabei entstehende Pflanzenkohle fördert die Gesundheit von Nutztieren und die Fähigkeit von Böden, Wasser und Nährstoffe zu speichern. Außerdem kann das Verfahren der Pyrolyse für die Energiegewinnung genutzt werden.

19.07.2021

Innovative Geschäftsideen rund um Pflanzenkohle
Die Geschäftsideen und Businesspläne der Studierenden sehen unter anderem die Nutzung des regionalen Knick-Holzes vor.

Innovative Geschäftsideen rund um Pflanzenkohle

Studierende der Fachhochschule Kiel haben im Rahmen ihres Masterstudiums Agrarmanagement Geschäftsideen rund um Pflanzenkohle entwickelt. Der Weltklimarat sieht in der thermo-chemischen Umwandlung (Pyrolyse) von Pflanzen zu Kohle eine Chance, dauerhaft CO2 aus der Atmosphäre zu binden. Die dabei entstehende Pflanzenkohle kann vielseitig eingesetzt werden: Als Zusatz zum Tierfutter fördert sie die Gesundheit von Nutztieren, in Böden eingebracht verbessert sie deren Fähigkeit, Wasser und Nährstoffe zu speichern. Und sie kann für die Gewinnung grüner Energie genutzt werden. Ein Paradebeispiel hierfür ist Stockholm: In der schwedischen Hauptstadt wird Biomasse in Kleingärten und öffentlichen Parks gesammelt, um sie mittels Pyrolyse in Pflanzenkohle zu verwandeln. Das dabei entstehende Pyrolysegas wird verbrannt und heizt mit seiner Abwärme rund 400 Haushalte; die Pflanzenkohle wird als Bodensubstrat in Gärten und Grünanlagen eingesetzt.

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Trotz ihres auch wirtschaftlichen Potenzials spielt Pflanzenkohle in Deutschland als Erwerbs- oder Energiequelle in der Landwirtschaft bislang kaum eine Rolle. „Insbesondere die Land- und Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein könnte durch die Pflanzenkohle ein deutliches Stück klimaaktiver zu werden“, betont Holger Thiele, Professor für Agrarökonomie an der FH Kiel. Wie dies konkret aussehen könnte, haben Prof. Thiele und seine Masterstudent*innen im vergangenen Semester untersucht. Unterstützt von Christoph Thomsen von der Initiative Modellregion klimapositiv: „Als Klimaschützer schlägt mein Herz für die Pflanzenkohle. Und als Projektmanager reizen mich die vielen Zahnrädchen, die für ein gutes Gesamtprojekt ineinandergreifen müssen, von der Biomassebeschaffung über die Nutzung der Abwärme bis hin zur Pflanzenkohlevermarktung.“

Gleich zwei Studierendengruppen wollen Knickholz für die Produktion von Pflanzenkohle nutzen. Knicks sind bepflanzte Wälle und ein typischer Bestandteil der schleswig-holsteinischen Kulturlandschaft. Das regionale Knicknetz umfasst rund 60.000 Kilometer Länge und ist einmalig in Deutschland und Europa. Die Landwirt*innen in Schleswig-Holstein pflegen die Knicks und müssen sie alle zehn bis 15 Jahre stark zurückschneiden. Die Gruppe „Knickkohle“ mit Karen Reiter, Nadine Sievert und Sören Staupe möchte den Holzschnitt zu Pflanzenkohle veredeln. „Wir sind alle in der Landwirtschaft tätig und wissen aus eigener Erfahrung, dass das Knickholz für die landwirtschaftlichen Betriebe unbrauchbar ist und durch den Schnitt nur Kosten anfallen. In der Regel wird das schlicht auf einen Haufen geschoben und verbrannt. Ein klimaschädliches Verfahren, das CO2 freisetzt und damit dem Klima schadet“, erklärt Nadine Sievert. Würde das Holz in einem gesteuerten Prozess verkohlt werden, könnte Kohlenstoff in der Pflanzenkohle gebunden werden. Langfristig könnten ein Holzkraftwerk aufgebaut und Strom, Wärme, Pflanzenkohle und CO2-Zertfikate vertrieben werden. Die genaue Investitionssumme für ein solches Kraftwerk zu beziffern, das jährlich mit einigen 1000 Tonnen Knickholz bespeist werden könnte, sei schwierig, räumt Nadine Sievert ein: „Wir haben eine grobe Projektfinanzierung durchgeführt, hatten für einen Businessplan aber zu wenig Zeit. Die Branche ist jung und dynamisch, einiges beruht auf Annahmen. Aber wir sind von der Grundidee überzeugt und sehen die Notwendigkeit, für die globale Herausforderung des Klimawandels regionale Lösungen zu finden, auch mit gezielten Negativ-Emissionstechnologien wie der Herstellung von Pflanzenkohle.“

Die Gruppe „Klimakohle“ untersuchte ebenfalls die Pyrolyse von Knickholz aus Schleswig-Holstein. Vanessa Christian, Monika Ketelsen und Annette Plüschau können sich außerdem vorstellen, durch einen Zertifizierungsprozess CO2-Zertifikate zu verkaufen. „Unser Business-Case sieht vor, die Kohle mit einem CO2-Zertifikat versehen an die Milchbäuerinnen und -bauern der NordseeMilch eG in Witzwort weiterzugegeben, die die Pflanzenkohle zur CO2-Bindung in den Boden einarbeiten“, so Monika Ketelsen. Dadurch könnte deren Milch klimaneutral werden und einen höheren Milchpreis erzielen.

Nils Suhr, Jan-Niklas Steep und Samuel Friedl sind für die Realisierung ihrer Gründungsidee nicht von hohen Investitionen, sondern vor allem von der weiteren politischen Entwicklung im Bereich der Erneuerbaren Energien abhängig. Mit ihrer Nordkohle-Beratung GmbH wollen sie Landwirt*innen beim Einstieg in die Produktion von Pflanzenkohle beraten. Hierbei haben sie die Betreiber*innen von Biogasanlagen im Blick, die künftig nicht mehr durch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte EEG-Umlage gefördert werden. Tatsächlich ist mit der Gesetzesnovelle von 2014 die zukünftige Bezahlung von Biogasenergie nur noch über Ausschreibungen und damit deutlich unterhalb der bisherigen Preise möglich. Ihre Vision: Statt einer unwirtschaftlichen Weiternutzung könnten in vielen Fällen Biogasanlagen im ländlichen Raum zur Pflanzenkohleanlagen umgebaut werden, wie Nils Suhr erläutert: „Diese Technologie bietet einen möglichen Lösungsansatz, damit Deutschland seine Klimaschutzziele realisieren kann. Doch dafür müssten die Düngemittelverordnung und das Kreislaufwirtschaftsgesetz novelliert werden. So könnte der Einsatzbereich von Pflanzenkohle auch aus anderen Ausgangsstoffen vor allem in der Landwirtschaft erweitert werden.“ Die Chancen dafür stehen nicht schlecht, die EU möchte das Thema mit ihrer für 2022 geplanten Novelle der Düngemittelverordnung angehen.

„Es hat Spaß gemacht, die Studierenden bei den Case-Studies als Mentor zu unterstützen“, bilanziert Christoph Thomsen von der Modellregion klimapositiv und wagt den Blick nach vorne: „Die Ergebnisse der Business-Cases stimmen mich sehr zuversichtlich, dass in den kommenden Jahren eine ganze Reihe an Pflanzenkohle-Projekten entsteht, die Klimaschutz und heimischer Landwirtschaft gleichermaßen nützen.“ Diese Einschätzung teilt Holger Thiele als Projektinitiator: „Wir planen weitere innovative Klimakonzepte an der Fachhochschule Kiel, und unsere Studierenden werden in der nächsten Zeit einen Teil ihrer Geschäftsmodelle in die Praxis umsetzen.“

Quelle: UD/fo
 

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