Innovation & Forschung

Satellitenschwärme sollen das All erobern

In naher Zukunft sollen große Schwärme kleiner erdnaher Satelliten das Internet in andere Sphären heben. Zahlreiche Konzerne treiben Projekte voran, um diese Technologie für Mobilitätsanwendungen und das Internet der Dinge zu nutzen. Start-ups aus der Branche sind bei Investoren besonders begehrt. Erst jüngst hat sich beispielsweise Porsche an einem Hersteller von Kleinraketen beteiligt.

07.10.2021

Satellitenschwärme sollen das All erobern

Der schnellste für den Straßenverkehr zugelassene Porsche ist das Modell 911 GT2 RS. Vor einigen Jahren raste der bis zu 340 Kilometern pro Stunde schnelle Bolide in Rekordzeit durch die Nürburgring-Nordschleife. Ende Juli dieses Jahres stieß der Sportwagenhersteller allerdings in ganz andere Geschwindigkeitsdimensionen vor. Da gab die Porsche Automobil Holding SE bekannt, dass sie sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich am Trägerraketenhersteller Isar Aerospace Technologies GmbH beteiligt hat. Und Raketen müssen laut der Europäischen Raumfahrtagentur ESA mindestens 28.000 Kilometer pro Stunde schnell werden, um in eine Erdumlaufbahn vorzustoßen.

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Bei dem Investment geht es der Porsche Automobil Holding, deren wichtigste Anlage die Mehrheitsbeteiligung an VW ist, allerdings nicht um die Geschwindigkeit. Vielmehr baut die Holding-Gesellschaft ein Beteiligungs-Portfolio rund um die vernetzte Mobilität auf. So hält sie unter anderem 100 Prozent der PTV Planung Transport Verkehr AG. Diese Gesellschaft ist nach Porsche-Angaben ein weltweit führender Anbieter von Software für die Verkehrsplanung und Transportlogistik. Eine Minderheitenbeteiligung hält Porsche wiederum am US-Unternehmen Inrix, das Cloud-basierte Dienste für die vernetzte Mobilität anbietet. Porsche-Beteiligungsvorstand Lutz Meschke hebt bezogen auf das Investment in Isar Aerospace hervor, dass der kostengünstige und flexible Zugang zum Weltall künftig entscheidend für viele Innovationen in der Industrie – so etwa in den Bereichen Konnektivität und Erdbeobachtung – sein werde.

Mikrolauncher beflügeln die Fantasie vieler Investoren

Die Hoffnungen der Investoren ruhen bei Isar Aerospace vor allem auf der Entwicklung kleiner, kostengünstiger und weitgehend automatisiert hergestellter Raketen – sogenannten Mikrolaunchern. Allein in der Finanzierungsrunde, an der sich auch Porsche beteiligte, erlöste das Ottobrunner Unternehmen 75 Millionen US-Dollar. Insgesamt hat es bereits Investorengelder von 180 Millionen US-Dollar eingesammelt. Außerdem stellt die ESA weitere elf Millionen Euro bereit, weil Isar Aerospace sich in der Hauptrunde des Mikrolauncher-Wettbewerbs der Deutschen Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) durchgesetzt hat.

Gebraucht werden die Raketen für den Aufbau neuer Kommunikations- und Mobilitätsnetzwerke mit kleinen Satelliten im sogenannten Low Earth Orbit (LEO), dem der Erde besonders nahen Weltraumbereich in 160 bis 2.000 Kilometer Entfernung. Die „German Offshore Spaceport Alliance“ (GOSA) schätzt, dass bis 2028 viermal mehr Satelliten – insgesamt über 12.000 – ins All geschossen werden als im gesamten vergangenen Jahrzehnt. 86 Prozent davon seien Klein-Satelliten, die maximal zehn Kilogramm wiegen und im LEO ihre Kreise ziehen sollen. „Wiederverwendbare Trägersysteme, neue Antriebssysteme mit Flüssigsauerstoff (LOX) und Flüssigmethan (LCH4) und weltweite Pläne zum Aufbau großer Satellitenkonstellationen werden unsere Vorstellungen vom Zugang ins All verändern“, ist sich das DLR sicher.

Isar Aerospace ist mit der Entwicklung seiner Mikrolauncher, die dann LEO-Satelliten transportieren sollen, bereits relativ weit. Die ersten beiden Spectrum-Raketen sollen zu Demonstrationsflügen in den Jahren 2022 bis 2023 starten. Dabei können sie laut spektrum.de jeweils Lasten bis zu einer Tonne transportieren. Damit böten sie mehr Kapazität als die Kleinraketen des Elon-Musk-Unternehmens SpaceX, hebt Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, hervor.

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Tausende kleiner Satelliten sorgen für stabiles Internet

Die neuen Satelliten-Konstellationen im LEO – pro Umlaufbahn werden, so spektrum.de, sechs bis zwölf Satelliten, die jeweils zwischen 50 und 200 Kilogramm wiegen, eingesetzt – sollen dann beispielsweise für dauerhaft stabile Internet-Zugänge sorgen. Dieses Ziel verfolgt etwa „Starlink“ von SpaceX, das künftig den Tesla-Elektroautos autonomes Fahren ermöglichen soll, berichtet tagesschau.de. Allein für dieses System sollen in der Endausbaustufe 42.000 Orbiter ins All geschossen werden, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer Studie. Aber auch Amazon treibe aktiv die Entwicklung einer LEO-Satellitenflotte mit mehr als 3.000 Geräten voran. Des Weiteren berichtet die SWP über Pläne chinesischer, britischer und kanadischer Unternehmen. Viele kleinere Anbieter planten wiederum eigene kleine Satellitenkonstellationen, um die Leistungsfähigkeit des Internets der Dinge zu steigern.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten gibt es in der Telemedizin und beim Remote-Learning. Das Technologieunternehmen Merck hat etwa „smarte“ Antennen auf Flüssigkristallbasis entwickelt, mit denen die Signale aus dem LEO besonders zuverlässig empfangen werden können. Gerade in Regionen, die bislang schlecht ans Internet angebunden sind, ließe sich mit dieser ressourcenschonenden Technologie eine Infrastruktur aufbauen, um Schüler und Lehrer über große Distanzen miteinander zu verbinden oder auch Krankenhäusern in entfernten Regionen virtuelle Expertenunterstützung zukommen zu lassen.

Risiken für die Sicherheit und Resilienz der Infrastruktur

Die Stiftung Wissenschaft und Politik warnt in ihrer Untersuchung vor Risiken für die globale Internet-Governance, wenn das ultraschnelle Satelliten-Internet – erreichbar sind demzufolge Datenübertragungskapazitäten von insgesamt bis zu 816 Terabit pro Sekunde – in die Hände weniger global agierender Privatunternehmen geriete. Dadurch könnten der Zugang ganzer Weltregionen zum Netz wie auch die Sicherheit und Resilienz der Infrastruktur beeinträchtigt werden.

Handlungsbedarf angesichts der massiv investierenden globalen Konzerne sieht offenbar auch die Bundesregierung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier kündigte Anfang September eine „New-Space-Kleinsatelliten-Initiative“ zur Förderung deutscher Unternehmen an. „Die New Space Kleinsatelliten Initiative ist eine optimale Ergänzung zum bereits etablierten New Space Mikrolauncher Wettbewerb. So schaffen wir eine geschlossene Wertschöpfungskette in Deutschland“, meint auch Thomas Jarzombek.

Die schöne neue Raketenwelt hat mindestens eine Schattenseite: Weltraumschrott. Dieser gefährdet die Funktionsfähigkeit künftiger orbitaler Kommunikations- und Sicherheitsnetze, meint etwa der Generaldirektor der Europäischen Raumfahrtagentur ESA, Josef Aschbacher. Bestimmte Umlaufbahnen drohen bereits unbrauchbar zu werden, berichtet der MDR. Die ESA nennt dazu Zahlen: Bis zu 2.000 ausgediente Satelliten umkreisen derzeit die Erde und müssen zurückgeholt werden. Noch gefährlicher sind aber Trümmer gesprengter Satelliten oder Raketen. Geschätzte 150 Millionen Fragmente von mehr als einem Millimeter Größe rasen durchs All. Etwa 30.000 davon sind sogar mehr als zehn Zentimeter groß.

Für mehr Sicherheit könnten Mini-Antriebe sorgen, die das Dresdener Start-up Morpheus Space entwickelt. Damit sollen die eigentlich antriebslosen Kleinsatelliten ausgestattet werden, damit sie sich selbsttätig mit anderen Trabanten zu Schwärmen organisieren können. Dank der Antriebe könnten sie aber auch nahenden Trümmern ausweichen. Am Ende der Mission wird der Antrieb die Kleinsatelliten dann übrigens in die Atmosphäre lenken, wo sie verglühen.

Quelle: UmweltDialog
 

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