Weniger Emissionen durch innovatives Düngeverfahren
Bis zu 55 Prozent weniger Ammoniak-Emissionen durch innovative Methoden: Wirtschaftsdünger, wie Gülle oder Gärreste aus Biogasanlagen ließen sich erheblich umweltschonender auf die Äcker und Wiesen ausbringen. Das zeigen erste Ergebnisse eines Verbundprojekts mit Beteiligung der Universität Hohenheim in Stuttgart.
27.12.2021
Das Projekt nimmt ein Problem ins Visier, das die Düngeverordnung von 2017 sowie deren Novelle von 2020 noch verschärft hat, da verstärkt bereits bewachsene Felder gedüngt werden, bei denen der Dünger nicht in den Boden eingearbeitet werden kann. Für das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) mit etwa 1,7 Millionen Euro geförderte Verbundprojekt erhält Dr. Reiner Ruser vom Fachgebiet Düngung und Bodenstoffhaushalt der Universität gut 360.000 Euro an Fördermitteln. Das macht es dort zu einem Schwergewicht der Forschung.
„Wirtschaftsdünger setzen nicht nur große Mengen an Ammoniak frei, das auch die menschliche Gesundheit schädigen kann. Den Pflanzen geht dadurch auch Stickstoff als wichtiger Nährstoff verloren“, erklärt Dr. Ruser. „So müssen nach der europäischen Richtlinie zur Luftreinhaltung bis 2030 die Ammoniakemissionen in Deutschland um 29 Prozent gegenüber 2005 reduziert werden.“
Außerdem trägt unter anderem aufgrund des intensiven Einsatzes von Stickstoffdünger in Deutschland die Landwirtschaft mit etwa sieben Prozent zu den gesamten Treibhausgasemissionen bei. Rund die Hälfte davon wird aus landwirtschaftlich genutzten Böden in Form von Lachgas (N2O) freigesetzt, das ein wesentlich stärkeres Treibhausgaspotenzial hat als Kohlendioxid.
Eine große Rolle bei der Freisetzung dieser Gase spielen neben der Düngermenge auch die Techniken, mit denen der Dünger auf die Äcker und Grünflächen ausgebracht wird. Wie innovative, emissionsarme Ausbringungstechniken aussehen können, untersuchen Forschende im Verbundprojekt „Minderung von Ammoniak- und Treibhausgasemissionen und Optimierung der Stickstoffproduktivität durch innovative Techniken der Gülle- und Gärresteausbringung in wachsende Bestände“ – GülleBest.
Ansäuern reduziert die Ammoniakfreisetzung
Erste Ergebnisse zeigen deutliche Unterschiede bei der Ammoniakfreisetzung. Vor allem das Ansäuern von Gülle und Gärresten erweist sich als besonders effektiv: „Wenn wir einen pH-Wert von ca. 6,0 erreichen, den üblicherweise auch der Boden aufweist, können wir die Ammoniak-Emissionen um bis zu 55 Prozent reduzieren“, sagt Dr. Ruser, Mitarbeiter von Prof. Dr. Torsten Müller im Fachgebiet Düngung und Bodenstoffhaushalt.
Auch die Befürchtung, dass es dadurch zu einer vermehrten Freisetzung von Lachgas kommen könnte, hat sich nicht bestätigt. Was ihn und seinen Doktoranden Christoph Essich, dessen Arbeitsschwerpunkt auf der Erfassung der Lachgas-Emissionen liegt, besonders freut.
Allerdings ist die Technik zur Ansäuerung in Deutschland noch nicht weit verbreitet und weitere Untersuchungen zur Optimierung der Ansäuerung, wie pH-Wert, Arbeitssicherheit im Umgang mit konzentrierter Schwefelsäure und mögliche alternative Methoden sind aus Sicht der Wissenschaftler sinnvoll.
Innovative Ausbringungstechniken können Emissionen reduzieren
Vor allem in Kombination mit der so genannten Schleppschuhtechnik ist die Ansäuerung auf Grünlandböden sehr effektiv. Dabei handelt es sich um einen Metallschuh, der das Gras zur Seite drückt, so dass die Gülle direkt auf den Boden gelangen kann. Außerdem werden im Projekt GülleBest die Schlitztechnik auf Acker- und Grünland sowie die Ausbringung über einen Schleppschlauch auf Acker untersucht. Bei der Schlitztechnik wird die Grasnarbe aufgeschnitten, bevor anschließend die Gülle injiziert wird, und Schleppschläuche ermöglichen die Ausbringung sehr dicht am Boden zwischen Weizenreihen.
Zusammen mit den Projektpartnern testen Dr. Ruser und Christoph Essich verschiedene Ansätze bei wachsenden Beständen, wie beispielsweise auf Feldern, auf denen Winterweizen oder Gras wächst, in einem Netzwerk abgestimmter Feldversuche. Zusätzlich erfassen die Forschenden die Stickstoff-Aufnahme durch die Pflanzen und beurteilen die ökonomischen und betrieblichen Vor- und Nachteile.
Bislang führen alle getesteten Techniken zu vergleichbaren Erträgen, sowohl beim Kornertrag des Winterweizens als auch bei der Biomasse-Produktion des Grünlands, unterscheiden sich aber in ihren Ammoniakemissionen. So könnten gerade bei wachsenden Kulturen innovative, emissionsarme Techniken dazu beitragen, den Nährstoffbedarf der Kulturen optimal zu bedienen und Stickstoffdünger einzusparen. Durch die Reduzierung von klima- und umweltbelastenden Emissionen im Pflanzenbau leisten sie zudem einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz.
Ziel: Ableitung von Düngeempfehlungen für möglichst viele Standorte
Übergeordnetes Ziel von GülleBest ist es, aus den gewonnenen Daten Düngeempfehlungen für organische Dünger bei unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten und Standortseigenschaften für Winterweizen und Grünland ableiten zu können. „Durch die Vorgaben der 2017 in Kraft getretenen Düngeverordnung verlagert sich die Ausbringung zunehmend ins Frühjahr und in bereits mit Pflanzen bewachsene Felder, beispielsweise mit Wintergetreide“, sagt Dr. Ruser. „Dadurch können flüssige Wirtschaftsdünger nicht in den Boden eingearbeitet werden, und die Gefahr erhöhter Ammoniakemissionen steigt.“
HINTERGRUND: „Minderung von Ammoniak- und Treibhausgasemissionen und Optimierung der Stickstoffproduktivität durch innovative Techniken der Gülle- und Gärresteausbringung in wachsende Bestände“ – GülleBest
Ziel des Verbundprojektes GülleBest ist es, innovative und emissionsarme Ausbringungstechniken zu untersuchen, um Düngeempfehlungen für unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten, Nutzpflanzen und organische Dünger treffen zu können.
Am Projekt beteiligt sind neben den Hohenheimer Forschenden die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, die Hochschule Osnabrück und die Samson Agro A/S. Die Gesamtkoordination liegt beim Thünen-Institut in Braunschweig. Projektstart war am ersten September 2018, das voraussichtliche Ende wird der 31. März 2022 sein.
Für das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) mit etwa 1,7 Millionen Euro geförderte Verbundprojekt erhält die Universität Hohenheim gut 360.000 Euro an Fördermitteln.