Revolutionäre Technologie verwertet Zuckerrohrreststoffe effizienter
Ein internationales Forschungsprojekt unter Beteiligung der TH Köln hat eine innovative Technologie entwickelt, die die Nutzung von Zuckerrohrreststoffen in brasilianischen Agrarbetrieben optimiert. Das Projekt revolutioniert den Ernteprozess und ermöglicht eine effiziente Verwertung der Bagasse durch Pyrolyse.
28.02.2024
Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Schlüter vom Institute for Technology and Resources Management in the Tropics and Subtropics (ITT) der TH Köln, erklärt: „Pro verarbeiteter Tonne Zuckerrohr bleiben etwa 150 bis 300 Kilogramm an ausgepressten, zerfaserten Stängeln übrig, die sogenannte Bagasse. Bei keiner anderen Kulturpflanze fällt so viel Biomasse an. In der Mehrzahl der zuckerrohrverarbeitenden Betriebe wird diese ineffizient im Zucker- und Alkoholherstellungsprozess verbrannt. Um die Bagasse höherwertig weiterzuverwenden, muss der gesamte Prozess ab der Ernte neu gedacht werden. Das war unsere Aufgabe“. In diesem Zusammenhang arbeitete die Hochschule mit einer Reihe von brasilianischen und deutschen Partnern zusammen.
Erntemaschine als Grundlage für höherwertige Nutzung
In früheren Projekten hatte die Hochschule bereits eine Erntemaschine entwickelt, die insbesondere für bäuerliche Kleinbetriebe geeignet ist. Diese Betriebe haben bisher die Praxis, kontrolliert ihre Felder abzubrennen, um die scharfen Blätter des Zuckerrohrs zu entfernen und danach das Zuckerrohr manuell mit der Machete zu ernten. Auf großen Betrieben werden üblicherweise schwere Vollernter eingesetzt, die die Zuckerrohrstangen zerstückeln. Das vereinfacht die Logistik in der hoch mechanisierten Ernte zwar , bringt aber auch Nachteile mit sich. „Unsere Maschine geht einen anderen Weg: Sie greift die Zuckerrohrstange, entfernt die Blätter mit Bürsten, schneidet die Stange an der Basis ab und legt sie ab. Auf diese Weise ist kein Feuer nötig und die Stangen bleiben intakt. Da kein Saft austritt, ist der Zuckerertrag hoch“, erklärt Carl-Friedrich Gaese, Projektmitarbeiter des ITT.
Die bestehende Technologie wurde von den Projektpartnern weiterentwickelt, wobei vor allem die Komplexität des Prototyps reduziert wurde, um ihn einfacher bedienbar zu machen. Die Schumacher Group, ein Projektpartner, entwarf zudem ein neues Schnittsystem, das die Pflanze weniger stark verletzt. So dringen weniger Krankheitserreger in die Schnittstellen ein, wodurch die Regeneration bis zur nächsten Ernte verbessert wird. Die Maschine ist als Anhänger für den Traktor konzipiert, wiegt nur etwa eine Tonne und verursacht deutlich weniger Bodenverdichtung als herkömmliche Erntemaschinen, die bis zu 16 Tonnen wiegen können.
Biokoks durch Pyrolyse
Die Neuentwicklung sorgt zusätzlich dafür, dass die Stängel deutlich weniger mit Erde verunreinigt sind. Das erleichtert die angestrebte Weiterverarbeitung der Bagasse mittels Pyrolyse „Bei der Pyrolyse werden organische Substanzen ohne Sauerstoffzufuhr stark erhitzt und dabei gespalten ohne zu verbrennen. Das Ergebnis ist unter anderem Biokoks. Unser Partner REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH hat eine Anlage errichtet, die diese Behandlung in einem vor Ort sinnvollen Maßstab erlaubt“, so Prof. Dr. Frank Rögener vom Institut für Anlagen- und Verfahrenstechnik der TH Köln. Dieses Biokoks können die Bäuerinnen und Bauern dann als Dünger einsetzen. Alternativ kann es auch deutlich effizienter verbrannt werden als die Bagasse selbst. Die Anwendung von Biokoks als Adsorber in der Wasseraufbereitung ist, nach einer weiteren physikalisch-chemischen Behandlung, ebenfalls möglich.
Das Produkt, das durch die Veredelung mittels Pyrolyse entsteht, ist als Pellet oder Brikett leicht zu transportieren. Darüber hinaus gibt es dafür einen internationalen Markt. Die Technologie ist für brasilianische Zuckerrohrfabriken nicht neu, denn sie wird teilweise bereits zur Herstellung von Pyrolyseöl eingesetzt. „Durch unsere Forschungen ist es uns gelungen, einen Prozess von der Ernte bis zum fertigen Produkt aufzubauen. Dessen Wirtschaftlichkeit wurde in einer Masterarbeit an unserer Hochschule bestätigt“, weiß Schlüter.
Erschwerte Forschungsbedingngen durch Corona-Pandemie
Nicht alle Aspekte des Projekes konnten, aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und der dadurch erschwerten Importmöglichkeiten nach Brasilien, unter tatsächlichen Bedingungen getestet werden. Die Pyrolyse wurde daher mit in Deutschland importierter Bagasse aus Brasilien ausprobiert, während die innovative Erntetechnologie lediglich in einem älteren Versuchsaufbau zum Einsatz kam. Es war nicht möglich, die Pyrolyse in bestehende Betriebe in Brasilien zu integrieren.
Über das Projekt
Das Forschungsprojekt „TRABBIO. Transformation brasilianischer Biorestmassen zu umschlagsfähigen Stoff- und Energieträgern“ wurde von April 2019 bis März 2023 unter Leitung der REW Regenerative Energie Wirtschaftssysteme GmbH durchgeführt. Neben der TH Köln waren auf deutscher Seite das Clausthaler Umwelttechnik Forschungszentrum CUTEC der Technischen Universität Clausthal, die TÜV Rheinland Energy GmbH und die Schumacher Group beteiligt. Brasilianische Partner waren unter anderem die Ländliche Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRRJ), die Zuckerrohrkooperative COAGRO, die nationale Agrarforschungseinrichtung für Böden Embrapa solos und das Staatministerium für Landwirtschaft des Bundesstaates Rio de Janeiro. Gefördert wurde das Vorhaben mit einem Gesamtvolumen von 3,14 Millionen Euro über das Programm „CLIENT II – Internationale Partnerschaften für Nachhaltige Innovationen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).