Innovation & Forschung

Großer Sprung in der Quantenphysik

Die Wissenschaft dringt immer weiter in die Welt der Atome und Moleküle vor. Dabei stößt sie auch öfter an Grenzen. Um dynamische Abläufe auf der Ebene von mikrophysikalischen Objekten zu verfolgen und darzustellen, mussten Forscher bislang auf theoretische Formeln und aufwändige Computersimulationen zurückgreifen. Damit lassen sich solche Prozesse jedoch nur annähernd beschreiben und kaum vorhersagen. Eine neue Messmethode verhilft der Quantenphysik nun zu einem revolutionären Durchbruch - mit weit reichenden Folgen für andere Forschungs- und Anwendungsbereiche.

20.10.2006

Wer schon einmal Billard gespielt hat, kennt das Problem. Zielt man mit der weißen Kugel auf eine andere Billardkugel, lässt sich anhand der Stoßrichtung und Geschwindigkeit recht genau bestimmen, wohin die anvisierte Kugel rollt. Stößt man aber die weiße Kugel in einen Pulk mehrerer Kugeln, ist das Ergebnis nicht mehr vorhersehbar. Ähnlich ist es bei mikrophysikalischen Objekten, den so genannten Quanten. Auch hier konnte man bisher kaum nachvollziehen, wie sich Atome und Moleküle nach dem Beschuss mit Elektronen, Ionen oder Laserstrahlen verhalten. Sind mehr als zwei Elementarteilchen in den Zusammenprall verwickelt, so ist mit herkömmlicher Messtechnik nicht feststellbar, welcher Atomkern und welches Elektron sich wie schnell in welche Richtung bewegt. Das von Joachim Ullrich (49) und Robert Moshammer (45) am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg entwickelte Reaktionsmikroskop ermöglicht dagegen erstmals eine genaue Beobachtung von Mehrteilchenemissionen. Eine Bahn brechende Erfindung, denn mit ihr lässt sich künftig genau erforschen, wie chemische Bindungen entstehen oder aufbrechen, wie Atome und Moleküle auf starke Laserstrahlung reagieren oder wie Materie und Antimaterie sich gegenseitig beeinflussen. Für die Entwicklung ihrer neuartigen Mikroskoptechnik und deren vielseitige Anwendungsmöglichkeiten in der Grundlagenforschung erhielten die beiden Wissenschaftler in diesem Jahr den renommierten Philip-Morris-Forschungspreis.
 
Das Reaktionsmikroskop - Eine milliardenfache Verbesserung
 
Physiker schießen mit Ionen, Elektronen oder Laserstrahlen auf Atome und Moleküle, um Einblicke in die Dynamik, Kräfteverhältnisse und Wechselwirkungen atomarer Reaktionen zu erhalten. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sind konkret von Nutzen, etwa bei der Behandlung von Krebs. Durch die Bestrahlung von Tumoren sollen Moleküle im Krebsgewebe zerstört werden. Doch wie verhalten sich die Bruchstücke nach dem Crash, schädigen sie letztlich vielleicht sogar gesundes Gewebe? Die bisherigen Methoden zur Beobachtung solcher Vorgänge im Mikrokosmos der Quantenteilchen waren weder präzise noch effizient. So lassen sich durch Detektoren, die um den Ort des Zusammenpralls platziert sind, nicht alle der in unterschiedlichste Richtungen fliegenden Teilchen und hierbei vor allem die extrem schnellen Elektronen erfassen. Das Reaktionsmikroskop ist dagegen so konstruiert, dass sämtliche bei einer Quantenreaktion beteiligten Teilchen von Detektoren registriert werden. Angesichts der hier beschriebenen Dimensionen eine milliardenfache Verbesserung. Der Clou bei dieser neuen Messtechnik: Die Ionen und Elektronen werden direkt nach dem Crash mit magnetischen und elektrischen Feldern eingefangen und auf Detektoren gelenkt. Diese registrieren Einschlagort und -zeitpunkt der Teilchen. Anhand der gemessenen Flugdauer und Restenergie lässt sich die ursprüngliche Flugbahn und Geschwindigkeit aller Bruchstücke nach der Kollision berechnen. Mit diesen Ergebnissen über Emissionsrichtung und -stärke der Teilchen direkt nach der Reaktion können die Forscher nun den gesamten Stoßvorgang der Quanten detailliert rekonstruieren. Die Fähigkeit, atomare Reaktionen und chemische Bindungen genau zu beobachten, lässt die Vision zu, diese Vorgänge auch gezielt steuern zu können. Joachim Ullrich: „Wir sind nun in der Lage, ein Molekülbild im Laserfeld zu sehen, zu verstehen und in der Zukunft vielleicht auch zu beeinflussen.“
Quelle: UD
 
Newsletter

Unsere Verantwortung/Mitgliedschaften

Logo
Serverlabel
The Global Compact
Englisch
Gold Community
Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
Caring for Climate

© macondo publishing GmbH
  Alle Rechte vorbehalten.

 
Lasche