Innovation & Forschung
Bioniker revolutionieren Schiffsbeschichtung
Seitdem es die Seefahrt gibt, gilt dem Schutz der Schiffsrümpfe besondere Aufmerksamkeit. Um Seepocken, Miesmuschel andere Beläge zu vermeiden, werden traditionell giftige Beschichtungen eingesetzt. Bremer Bioniker entwickelten nun eine natürliche, umweltfreundliche Alternative.
29.04.2008
Die Römer verwendeten Bleiplatten, später setzte man Kupferplatten ein, und seit dem 20. Jahrhundert werden Schiffsrümpfe und Unterwasserkörper wie Plattformen mit giftigen Anstrichen gegen den Bewuchs von Algen und Meerestieren geschützt. Die Schiffslacke enthalten zumeist das hochtoxische Tributylzinn (TBT), dessen Einsatz nun weltweit verboten ist. Eine sehr wirksame und vor allem ungiftige Alternative zu der umweltschädlichen Chemikalie kommt nun aus dem Bionik-Forschungslabor der Hochschule Bremen: Prof. Dr. Antonia Kesel und ihr Team setzen auf einen mechanischen Schutz - nach dem Vorbild der Hai-Haut. Problemlos mit dem Pinsel lässt sich die Beschichtung auftragen. Alsbald soll das neue Produkt auf den Markt kommen.
"Chemiekonzerne, Hersteller von Lacken, Farben, Folien oder Oberflächenbeschichtungen suchen hier schon lange nach Lösungen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass der Bedarf an einer die Umwelt schonenden Antifouling-Beschichtung riesengroß ist. Zudem lässt sie sich so einfach auftragen wie ein normaler Lack," so Innovationsmanagerin Birgit Funk.
"Fouling" oder "Biofouling" heißt die unerwünschte Anlagerung von Seepocke, Miesmuschel & Co, die besonders in der Seefahrt große Probleme bereitet. Durch sie werden die Schiffe schwerer, der Strömungswiderstand nimmt zu, und damit steigt der Treibstoffverbrauch erheblich. Der bisher wirksamste und gängigste Zusatz in Antifouling-Anstrichen ist das Schwermetall TBT. Durch die Nahrungskette kann es in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort zu hormonellen Störungen führen - bis hin zur Unfruchtbarkeit. Daher hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation
(IMO) 2003 ein erstes Verbot für TBT-haltige Antifouling-Farben ausgesprochen, seit 2008 gilt ein vollständiges Gebrauchsverbot, und auch die Reste dieser giftigen Anstriche müssen nun beseitigt werden.
Die Lösung lag am Strand
Während eines Kurzurlaubes in der Bretagne kam die Idee, bei einem Strandspaziergang: Zwischen Plastikflaschen und sonstigem Müll entdeckte Prof. Dr. Antonia Kesel einen kleinen, verendeten Katzenhai, und die Bremer Biologin fragte sich, warum alles Strandgut außer dem Hai von Seepocken überwuchert war. Selbst an sehr glatten Oberflächen haften die kleinen Krebse bombenfest und können auch durch massive mechanische Belastung nicht gelöst werden. Zurück in Bremen ging die Biologin dem Phänomen nach. Von der Bio-Station Helgoland besorgte sie sich einen kleinen Katzenhai, der dort tot geborgen worden war, und begann, dessen Haut zu untersuchen: Was ist das Besondere daran? Warum wird sie, anders als zum Beispiel die Haut von Walen, nicht durch Parasiten befallen?
"Schon durch die Lupe kann man es sehen", sagt Antonia Kesel. "Wo andere Fische Schuppen haben, hat der Hai auf seiner Haut kleine Zähnchen - aus Dentin, dem härtesten Material, das bei Lebewesen vorkommt", beschreibt sie ihre Beobachtungen. Die einzelnen Zähnchen seien gegeneinander beweglich und bildeten so einen elastischen Schutzschild. Seit mehr als 200 Millionen Jahren schütze sich der Überlebenskünstler auf diese Weise, sagt Kesel. So verlieren zum Beispiel Seepocken den Halt.
Mechanischer Schutz statt chemischer Keule
Ziel der Bionikerin war es, diesen mechanischen Schutzschild mit modernen, ungiftigen Werkstoffen nachzubilden und die Eigenschaften zu übertragen. Es galt, geeignete Materialien und ein praktikables Herstellungsverfahren zu finden sowie die Produktionszeit und -kosten möglichst gering zu halten. "Die wesentliche Frage war: Wie weit kann ich diese komplexe Struktur vereinfachen und dabei noch die ihre Wirkung erhalten? Bei aller Reduzierung musste das Prinzip noch greifen", berichtet die Wissenschaftlerin. Die Kunst lag im Abstrahieren.
Während der mehrjährigen Entwicklungsphase arbeiteten Kesel und ihr Team unter anderem mit Werkstoffwissenschaftlern, Physikern, Maschinenbauern und Strömungsmechanikern zusammen. Mit "bestimmten Silikonmaterialien", so ihre Forschungen, konnte eine Oberflächenstruktur nach dem Vorbild der Haihaut hergestellt werden, und es folgten zahlreiche Studien des Siedlungsverhaltens der Seepocke an einer künstlichen Haut. Unter Realbedingungen wurde sie auf Testpanels an Schiffsrümpfen erprobt, zunächst in der Nordsee, dann auch im Mittelmeer. Das Ergebnis: Die Beschichtung auf den Testplatten reduzierte den Bewuchs um 70 Prozent.
Auch für nicht-maritime Anwendungen interessant
Auch für Anwendungen auf dem Festland ist die neue Entwicklung interessant. So sind zum Beispiel auch Rohrzuleitungen von Wärmetauschern und industriellen Kühlsystemen, die aus Seen und Flüssen mit Wasser gespeist werden, vom Fouling betroffen. Unerwünschte Bio-Filme bilden sich auch in den Rohrleitungssystemen in der Papier verarbeitenden Industrie oder in der
Lebensmitteltechnologie. Hier kämpfen unter anderem Molkereien und Brauereien mit organischen Anhaftungen. Die Reinigungsprozesse sind nicht nur aufwändig, sondern bedürfen auch toxischer Substanzen und einer anschließenden Neutralisierung der Leitungen. Die neue Beschichtung würde zu erheblichen Erleichterungen führen und den Einsatz schädlicher Chemikalien reduzieren.
"Chemiekonzerne, Hersteller von Lacken, Farben, Folien oder Oberflächenbeschichtungen suchen hier schon lange nach Lösungen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass der Bedarf an einer die Umwelt schonenden Antifouling-Beschichtung riesengroß ist. Zudem lässt sie sich so einfach auftragen wie ein normaler Lack," so Innovationsmanagerin Birgit Funk.
"Fouling" oder "Biofouling" heißt die unerwünschte Anlagerung von Seepocke, Miesmuschel & Co, die besonders in der Seefahrt große Probleme bereitet. Durch sie werden die Schiffe schwerer, der Strömungswiderstand nimmt zu, und damit steigt der Treibstoffverbrauch erheblich. Der bisher wirksamste und gängigste Zusatz in Antifouling-Anstrichen ist das Schwermetall TBT. Durch die Nahrungskette kann es in den menschlichen oder tierischen Organismus gelangen und dort zu hormonellen Störungen führen - bis hin zur Unfruchtbarkeit. Daher hat die Internationale Seeschifffahrts-Organisation
(IMO) 2003 ein erstes Verbot für TBT-haltige Antifouling-Farben ausgesprochen, seit 2008 gilt ein vollständiges Gebrauchsverbot, und auch die Reste dieser giftigen Anstriche müssen nun beseitigt werden.
Die Lösung lag am Strand
Während eines Kurzurlaubes in der Bretagne kam die Idee, bei einem Strandspaziergang: Zwischen Plastikflaschen und sonstigem Müll entdeckte Prof. Dr. Antonia Kesel einen kleinen, verendeten Katzenhai, und die Bremer Biologin fragte sich, warum alles Strandgut außer dem Hai von Seepocken überwuchert war. Selbst an sehr glatten Oberflächen haften die kleinen Krebse bombenfest und können auch durch massive mechanische Belastung nicht gelöst werden. Zurück in Bremen ging die Biologin dem Phänomen nach. Von der Bio-Station Helgoland besorgte sie sich einen kleinen Katzenhai, der dort tot geborgen worden war, und begann, dessen Haut zu untersuchen: Was ist das Besondere daran? Warum wird sie, anders als zum Beispiel die Haut von Walen, nicht durch Parasiten befallen?
"Schon durch die Lupe kann man es sehen", sagt Antonia Kesel. "Wo andere Fische Schuppen haben, hat der Hai auf seiner Haut kleine Zähnchen - aus Dentin, dem härtesten Material, das bei Lebewesen vorkommt", beschreibt sie ihre Beobachtungen. Die einzelnen Zähnchen seien gegeneinander beweglich und bildeten so einen elastischen Schutzschild. Seit mehr als 200 Millionen Jahren schütze sich der Überlebenskünstler auf diese Weise, sagt Kesel. So verlieren zum Beispiel Seepocken den Halt.
Mechanischer Schutz statt chemischer Keule
Ziel der Bionikerin war es, diesen mechanischen Schutzschild mit modernen, ungiftigen Werkstoffen nachzubilden und die Eigenschaften zu übertragen. Es galt, geeignete Materialien und ein praktikables Herstellungsverfahren zu finden sowie die Produktionszeit und -kosten möglichst gering zu halten. "Die wesentliche Frage war: Wie weit kann ich diese komplexe Struktur vereinfachen und dabei noch die ihre Wirkung erhalten? Bei aller Reduzierung musste das Prinzip noch greifen", berichtet die Wissenschaftlerin. Die Kunst lag im Abstrahieren.
Während der mehrjährigen Entwicklungsphase arbeiteten Kesel und ihr Team unter anderem mit Werkstoffwissenschaftlern, Physikern, Maschinenbauern und Strömungsmechanikern zusammen. Mit "bestimmten Silikonmaterialien", so ihre Forschungen, konnte eine Oberflächenstruktur nach dem Vorbild der Haihaut hergestellt werden, und es folgten zahlreiche Studien des Siedlungsverhaltens der Seepocke an einer künstlichen Haut. Unter Realbedingungen wurde sie auf Testpanels an Schiffsrümpfen erprobt, zunächst in der Nordsee, dann auch im Mittelmeer. Das Ergebnis: Die Beschichtung auf den Testplatten reduzierte den Bewuchs um 70 Prozent.
Auch für nicht-maritime Anwendungen interessant
Auch für Anwendungen auf dem Festland ist die neue Entwicklung interessant. So sind zum Beispiel auch Rohrzuleitungen von Wärmetauschern und industriellen Kühlsystemen, die aus Seen und Flüssen mit Wasser gespeist werden, vom Fouling betroffen. Unerwünschte Bio-Filme bilden sich auch in den Rohrleitungssystemen in der Papier verarbeitenden Industrie oder in der
Lebensmitteltechnologie. Hier kämpfen unter anderem Molkereien und Brauereien mit organischen Anhaftungen. Die Reinigungsprozesse sind nicht nur aufwändig, sondern bedürfen auch toxischer Substanzen und einer anschließenden Neutralisierung der Leitungen. Die neue Beschichtung würde zu erheblichen Erleichterungen führen und den Einsatz schädlicher Chemikalien reduzieren.
Quelle: UD