Innovation & Forschung
Technologien für die Morgenstadt
Eine Stadt, die ihre Energie aus regenerativen Quellen bezieht, in der Elektroautos leise durch die Straßen surren und die kaum noch Kohlendioxid freisetzt - in der Vision „Morgenstadt“ beleuchten Bundesministerin Schavan und Fraunhofer-Präsident Bullinger das Szenario einer nachhaltigen Stadt der Zukunft. Welche der dargestellten Technologien heute bereits umgesetzt werden können, zeigen Fraunhofer-Forscher auf der Kongressmesse UrbanTec vom 24. bis 26. Oktober in Köln.
20.10.2011
Auf den Straßen der Morgenstadt ist es leiser geworden: Elektroautos haben die Straße für sich erobert. Auch was das Wohnen angeht, hat sich einiges verändert: Ein ökologischer Mietspiegel gibt Vermietern Anreize, ihre Häuser energetisch zu sanieren. Nahwärmeversorgung mit Kraftwärmekopplung und Solarenergie dehnen sich systematisch auf große Teile der Stadt aus, und in der Solarbundesliga hat es die Morgenstadt auf den ersten Tabellenplatz in der Kategorie der Großstädte geschafft. Die Altbauten sind energetisch vollständig saniert- sie brauchen auch im tiefsten Winter nur wenig Heizwärme, um heimelig warm zu sein. Nicht zuletzt sorgen neue Sicherheitskonzepte für widerstandsfähige Infrastrukturen wie Bahnhöfe. Plätze und Stadtzentren bieten hohe Lebensqualität und Komfort. Und Wasch- und Spülmaschinen laufen vor allem dann, wenn die Stromtarife günstig sind. Diese Vision beschreiben Bundesministerin Annette Schavan und Fraunhofer-Präsident Prof. Dr. Hans-Jörg Bullinger in der Veröffentlichung „Morgenstadt - Eine Antwort auf den Klimawandel“ für die High-Tech-Strategie der Bundesregierung, unterstützt von neunzehn Forschern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik.
„Morgenstadt“ ist eines der Leuchtturmprojekte, derer sich Fraunhofer im Zug der High-Tech-Strategie der Bundesregierung annimmt: „Der nachhaltige Umbau unserer Städte bringt neue Herausforderungen bei Energie- und Wasserversorgung, Infrastruktur, Entsorgung und Mobilität mit sich“, sagt Bullinger. „Es gilt, trotz der unterschiedlich schnellen Innovationsgeschwindigkeiten etwa von Informations- und Kommunikationstechnologien und Versorgungsnetzen neue Lösungen zu finden und mit der vorhandenen Substanz langfristig zu planen.“ Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart, ist ebenfalls von dem Projekt überzeugt: „Die Chancen, die sich heute im Bereich erneuerbarer Energien, Elektromobilität, urbaner Produktion oder mobiler Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben, sind für die Städte der Zukunft als zentrale Lebensräume unserer Gesellschaft von immenser Bedeutung. Wir müssen alle stadtrelevanten Technologiefelder zusammenhängend und systemisch erforschen, um heutige und zukünftige Synergien und Wechselwirkungen zu identifizieren und nutzbar zu machen für die Vision einer nachhaltigen und positiven Urbanität.“
Doch wie weit ist der Weg in diese Zukunftsvision? Wie steht es um die beschriebenen Technologien? Fraunhofer-Forscher zeigen einige Forschungsergebnisse auf der Kongressmesse Urbantec vom 24. bis 26. Oktober in Köln: Sie stellen neue Demonstratoren und Entwicklungen vor, die Teil der Morgenstadt sein könnten (Halle 7, Stand A029).
Morgenstadt ist eine leise Stadt
Wummernde Presslufthämmer und kreischende Kreissägen an Baustellen rauben Anwohnern heute oft den letzten Nerv. Lärmschutzlösungen für mobile Störenfriede wie Baustellen gab es bislang nicht, Betonwände sind zu teuer und brauchen ein gutes Fundament. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart haben eine Lösung entwickelt: Ein aufblasbarer Lärmschutz. Er ist leicht, wiederverwendbar und schützt die Ohren der Anwohner ebenso zuverlässig wie eine massive Betonwand. Auch an Rennstrecken und bei Open-Air-Veranstaltungen wird der mobile Schutz eingesetzt. Doch wann lohnt sich der teure Aufbau einer Lärmschutzwand oder der Einbau eines Lärmschutzfensters? Wie hört es sich an, wenn man den Zug- oder Fluglärm um drei, fünf oder zehn Dezibel reduziert? Hier hilft eine Software des IBP, die den Krach mit und ohne Schutz simuliert - und den Anwohnern und Stadtplanern hilft, den passenden Lärmschutz zu wählen.
Energiesparsam leben
Es gibt viele Möglichkeiten Strom zu sparen: eine davon ist ein intelligenter Stromzähler, das SmartMeter, das Fraunhofer-Forscher entwickelt haben. Im Thüringer Forschungsprojekt RESIDENS installierten die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und des Fraunhofer-Anwendungszentrums Systemtechnik AST diesen Zähler in 200 Test-Haushalten. Der örtliche Stromanbieter bietet für das Projekt drei verschiedene Tarife an, abhängig von der Tageszeit. In einem Webinterface, etwa auf einem iPad, können die Testkunden tagesaktuell kontrollieren, wie viel Strom sie verbrauchen. Dabei wählen sie zwischen mehr als 300 Visualisierungsformen. Interessiert sie der Stromverbrauch im Viertelstundentakt? Oder reicht eine Auflösung von jeweils zwei Stunden? Auch eine Monatsübersicht kann der Kunde wählen: Wie viel Strom hat er im Niedrigtarif verbraucht, wie viel im Hochtarif? So bietet der Stromzähler den Kunden zum einen die Kontrolle über den Verbrauch, zum anderen einen Anreiz, die Waschmaschine oder den Trockner zu Zeiten anzustellen, in denen der Strom günstig ist. Die Mitarbeiter der TU Ilmenau führen parallel eine umfangreiche sozialwissenschaftliche Begleitforschung durch: Verändert sich das Verhalten der Verbraucher durch das SmartMetering? Messebesucher können das Kundenportal über eine iPad-App kennenlernen.
Altbauten verschlingen meist viel Energie: Die Fenster lassen viel Wärme nach draußen, die Mauern sind nicht optimal isoliert und auch über Wärmebrücken wie Rolladenkästen entschwindet die warme Heizungsluft. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE haben nun ein Konzept entwickelt, wie sich ein Beton-Hochhaus aus dem Jahr 1968 in ein modernes und umweltfreundliches Passivhaus verwandelt - vielmehr in das erste Hochhaus im Passivstandard. Eine neue thermische Hülle, Fenster mit drei Scheiben und eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung halten die Wärme in den Wohnungen. Da über die Balkonloggia rund um das Gebäude viel Wärme entweichen konnte, wurde sie in das Gebäude integriert und liegt jetzt im Wohnbereich. Sonne und frische Luft können die Bewohner auf neu errichteten Balkonen genießen. Auch die Grundrisse sind neu: Da Single-Haushalte zunehmen, entstanden aus den ursprünglich sechs Wohnungen pro Geschoss nun neun. Das erste Passiv-Hochhaus ist nur eines der sanierten Gebäude: Im Projekt „Weingarten 2020“ soll nach und nach ein Freiburger Stadtteil modernisiert werden.
Mobilität und intelligente Verkehrsinfrastrukturen
Auch was den Verkehr angeht, wird sich in der Morgenstadt vieles ändern: So ist es denkbar, dass die Straßen nicht mehr von parkenden Autos gesäumt sind, sondern die Fahrzeuge in automatischen Parkhäusern abgestellt werden. Der Fahrer fährt im Eingangsbereich des Parkhauses auf eine Transportpalette, die im Boden eingelassen ist - ähnlich wie bei einer Autowaschanlage wird er in die Spur geführt. Ist der Fahrer ausgestiegen, transportiert das System das Auto auf der Palette automatisch in das Parkhaus hinein und stellt es in einer Art Hochregallager ab. Diese Technologie bietet zahlreiche Vorteile: Parkende Autos verschwinden vom Straßenbild, die Straßen bieten wieder mehr Platz für die Anwohner. Auch sind die Autos vor Vandalismus geschützt. Elektro- und Hybridfahrzeuge können im Parkhaus betankt werden: In der Palette befindet sich eine Ladestation, deren Ladekabel entweder vom Fahrer oder künftig auch automatisch in den Tankanschluss gesteckt werden kann. Das automatische Parkhaus, das Forscher am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML entwickelt haben, ist einsatzbereit; ein erster Bau mit integrierter Ladeinfrastruktur und dezentralen Stromerzeugungs-Komponenten ist bereits in Planung.
„Morgenstadt“ ist eines der Leuchtturmprojekte, derer sich Fraunhofer im Zug der High-Tech-Strategie der Bundesregierung annimmt: „Der nachhaltige Umbau unserer Städte bringt neue Herausforderungen bei Energie- und Wasserversorgung, Infrastruktur, Entsorgung und Mobilität mit sich“, sagt Bullinger. „Es gilt, trotz der unterschiedlich schnellen Innovationsgeschwindigkeiten etwa von Informations- und Kommunikationstechnologien und Versorgungsnetzen neue Lösungen zu finden und mit der vorhandenen Substanz langfristig zu planen.“ Prof. Dr.-Ing. Dieter Spath, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart, ist ebenfalls von dem Projekt überzeugt: „Die Chancen, die sich heute im Bereich erneuerbarer Energien, Elektromobilität, urbaner Produktion oder mobiler Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben, sind für die Städte der Zukunft als zentrale Lebensräume unserer Gesellschaft von immenser Bedeutung. Wir müssen alle stadtrelevanten Technologiefelder zusammenhängend und systemisch erforschen, um heutige und zukünftige Synergien und Wechselwirkungen zu identifizieren und nutzbar zu machen für die Vision einer nachhaltigen und positiven Urbanität.“
Doch wie weit ist der Weg in diese Zukunftsvision? Wie steht es um die beschriebenen Technologien? Fraunhofer-Forscher zeigen einige Forschungsergebnisse auf der Kongressmesse Urbantec vom 24. bis 26. Oktober in Köln: Sie stellen neue Demonstratoren und Entwicklungen vor, die Teil der Morgenstadt sein könnten (Halle 7, Stand A029).
Morgenstadt ist eine leise Stadt
Wummernde Presslufthämmer und kreischende Kreissägen an Baustellen rauben Anwohnern heute oft den letzten Nerv. Lärmschutzlösungen für mobile Störenfriede wie Baustellen gab es bislang nicht, Betonwände sind zu teuer und brauchen ein gutes Fundament. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart haben eine Lösung entwickelt: Ein aufblasbarer Lärmschutz. Er ist leicht, wiederverwendbar und schützt die Ohren der Anwohner ebenso zuverlässig wie eine massive Betonwand. Auch an Rennstrecken und bei Open-Air-Veranstaltungen wird der mobile Schutz eingesetzt. Doch wann lohnt sich der teure Aufbau einer Lärmschutzwand oder der Einbau eines Lärmschutzfensters? Wie hört es sich an, wenn man den Zug- oder Fluglärm um drei, fünf oder zehn Dezibel reduziert? Hier hilft eine Software des IBP, die den Krach mit und ohne Schutz simuliert - und den Anwohnern und Stadtplanern hilft, den passenden Lärmschutz zu wählen.
Energiesparsam leben
Es gibt viele Möglichkeiten Strom zu sparen: eine davon ist ein intelligenter Stromzähler, das SmartMeter, das Fraunhofer-Forscher entwickelt haben. Im Thüringer Forschungsprojekt RESIDENS installierten die Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB und des Fraunhofer-Anwendungszentrums Systemtechnik AST diesen Zähler in 200 Test-Haushalten. Der örtliche Stromanbieter bietet für das Projekt drei verschiedene Tarife an, abhängig von der Tageszeit. In einem Webinterface, etwa auf einem iPad, können die Testkunden tagesaktuell kontrollieren, wie viel Strom sie verbrauchen. Dabei wählen sie zwischen mehr als 300 Visualisierungsformen. Interessiert sie der Stromverbrauch im Viertelstundentakt? Oder reicht eine Auflösung von jeweils zwei Stunden? Auch eine Monatsübersicht kann der Kunde wählen: Wie viel Strom hat er im Niedrigtarif verbraucht, wie viel im Hochtarif? So bietet der Stromzähler den Kunden zum einen die Kontrolle über den Verbrauch, zum anderen einen Anreiz, die Waschmaschine oder den Trockner zu Zeiten anzustellen, in denen der Strom günstig ist. Die Mitarbeiter der TU Ilmenau führen parallel eine umfangreiche sozialwissenschaftliche Begleitforschung durch: Verändert sich das Verhalten der Verbraucher durch das SmartMetering? Messebesucher können das Kundenportal über eine iPad-App kennenlernen.
Altbauten verschlingen meist viel Energie: Die Fenster lassen viel Wärme nach draußen, die Mauern sind nicht optimal isoliert und auch über Wärmebrücken wie Rolladenkästen entschwindet die warme Heizungsluft. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE haben nun ein Konzept entwickelt, wie sich ein Beton-Hochhaus aus dem Jahr 1968 in ein modernes und umweltfreundliches Passivhaus verwandelt - vielmehr in das erste Hochhaus im Passivstandard. Eine neue thermische Hülle, Fenster mit drei Scheiben und eine Lüftung mit Wärmerückgewinnung halten die Wärme in den Wohnungen. Da über die Balkonloggia rund um das Gebäude viel Wärme entweichen konnte, wurde sie in das Gebäude integriert und liegt jetzt im Wohnbereich. Sonne und frische Luft können die Bewohner auf neu errichteten Balkonen genießen. Auch die Grundrisse sind neu: Da Single-Haushalte zunehmen, entstanden aus den ursprünglich sechs Wohnungen pro Geschoss nun neun. Das erste Passiv-Hochhaus ist nur eines der sanierten Gebäude: Im Projekt „Weingarten 2020“ soll nach und nach ein Freiburger Stadtteil modernisiert werden.
Mobilität und intelligente Verkehrsinfrastrukturen
Auch was den Verkehr angeht, wird sich in der Morgenstadt vieles ändern: So ist es denkbar, dass die Straßen nicht mehr von parkenden Autos gesäumt sind, sondern die Fahrzeuge in automatischen Parkhäusern abgestellt werden. Der Fahrer fährt im Eingangsbereich des Parkhauses auf eine Transportpalette, die im Boden eingelassen ist - ähnlich wie bei einer Autowaschanlage wird er in die Spur geführt. Ist der Fahrer ausgestiegen, transportiert das System das Auto auf der Palette automatisch in das Parkhaus hinein und stellt es in einer Art Hochregallager ab. Diese Technologie bietet zahlreiche Vorteile: Parkende Autos verschwinden vom Straßenbild, die Straßen bieten wieder mehr Platz für die Anwohner. Auch sind die Autos vor Vandalismus geschützt. Elektro- und Hybridfahrzeuge können im Parkhaus betankt werden: In der Palette befindet sich eine Ladestation, deren Ladekabel entweder vom Fahrer oder künftig auch automatisch in den Tankanschluss gesteckt werden kann. Das automatische Parkhaus, das Forscher am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML entwickelt haben, ist einsatzbereit; ein erster Bau mit integrierter Ladeinfrastruktur und dezentralen Stromerzeugungs-Komponenten ist bereits in Planung.
Quelle: UD / cp