Die neue Normalität nach Covid-19
In einem aktuellen Bericht untersucht Zukunftsforscher Ray Hammond, wie sich im Jahr 2021 die persönliche Mobilität, das Zuhause, die Gesundheitsversorgung und das Reisen aufgrund von COVID-19 ändern könnten.
14.08.2020
Ob die Post-Corona-Ära besser oder schlechter wird, dazu äußert sich Hammond selbstredend nicht. Sie wird nur anders, und vor allem als erwartet. Soviel ist sicher.
Einschneidende Veränderungen sieht Hammond vor allem in vier Lebensbereichen: der persönlichen Mobilität, dem Zuhause, der Gesundheitsversorgung und dem Reisen.
Persönliche Mobilität: Von Pop-Up Radwegen, Bikesharing und E-Scootern
Das Fahrrad ist das Fortbewegungsmittel der Stunde. Nicht erst seit Corona. Von 2018 auf 2019 verzeichnete die Fahrradbranche ein Plus von rund 34 Prozent. Und da wegen der erhöhten Ansteckungsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln in der Krise noch mehr Menschen aufs Fahrrad umsatteln, sind vielerorts die Lager der Fahrradläden leergekauft. Laut Hammond wird der Trend zum Pedelec vor allem in urbanen Gebieten auch anhalten. Flankiert von immer mehr Bike-Sharing- und E-Scooter-Angeboten könnte sich so die städtische Mobilität grundsätzlich wandeln. Ein Trend, den Stadtplaner im Auge haben. In den kommenden Jahren soll in vielen deutschen Städten die Straßen-Infrastruktur zu Gunsten des Radfahrens optimiert werden. Und nicht nur in Berlin hat das Corona-Virus sogenannte Pop-Up-Radwege hervorgebracht. Städte wie Stuttgart, München und Nürnberg haben die Idee kopiert und Autospuren zu temporären Radwegen umfunktioniert. Kommt das an, wird sicherlich aus manchem Kurzzeitprojekt eine Dauerlösung erwachsen. Denn grundsätzlich soll Radfahren attraktiver werden – der Umwelt und der innerstädtischen Luftqualität zuliebe.
Multifunktional: Das eigene Zuhause als digitale Festung
Homeoffice – für rund 20 Prozent der deutschen Arbeitnehmer sieht so die neue Arbeitsnormalität aus. Und Hammond ist überzeugt: Was sich am Anfang der Pandemie wie ein Provisorium anfühlte, könnte sich für viele Menschen als Dauerlösung etablieren. Wie beispielsweise für Mitarbeiter*innen des US-Konzerns Twitter, die auch nach Ende der Corona-Krise uneingeschränkt im Homeoffice arbeiten dürfen. Außerdem geht aus Hammonds Bericht hervor, dass sich unser Zuhause mehr und mehr in eine digitale Festung verwandeln könnte. Zum einen sorgen immer kleinere, leistungsfähigere und günstigere Sensoren für Sicherheit, gleichzeitig wird es durch den Boom von Liefer- und Video-Services immer weniger notwendig, die eigenen vier Wände zu verlassen. Denn die Krise hat gezeigt, ob Fitnesstraining, Therapie oder Universitäts-Kurs, dank Kameras und schnellen Datenleitungen ist eine gemeinsame physische Anwesenheit bei vielen Tätigkeiten nicht mehr zwingend notwendig.
Chance nutzen: Digitale Gesundheit
Das trifft auch auf unser Gesundheitswesen zu. Laut Hammond wird der digitale Arztbesuch schon bald zur Norm. Eine Entwicklung, die bei der Bevölkerung auf Zuspruch trifft. Aus einer Studie des Digitalverbands Bitkom geht hervor, dass 93 Prozent der Befragten einen Ausbau der digitalen Gesundheitsversorgung befürworten. Dabei reichen die Anwendungsbereiche von Telemedizin über die elektronische Patientenakte, Krankenhaus- und Praxis-IT bis zur Nutzung von künstlicher Intelligenz. Kein Wunder, dass Digital-Health-Companies wie der amerikanische Telemedizin-Dienstleister Telladoc zu den Gewinnern der Corona-Krise zählen. Der Aktienkurs des Unternehmens verdoppelte sich seit Februar 2020. Hammond geht sogar noch weiter und prophezeit, dass die Digitalisierung des Gesundheitssystems sogar unser Pflegesystem wandeln könnte. Weg von den überlasteten Pflege- und Altenheimen, hin zu mehr Betreuung im eigenen Zuhause. Hier werden mit Gesundheitsüberwachung und Videoverbindungen ausgestattete Räume eine Fernbetreuung durch medizinisches Fachpersonal ermöglichen und so Familien entsprechend beraten und entlasten.
Reiseverhalten mit neuen Umweltauflagen
Die Corona-Krise hat die Reisefreiheit der Menschen eingeschränkt wie nie zuvor. Hammond glaubt, dass die Tourismusbranche dadurch an einem Wendepunkt steht, da die Menschen ihr Reiseverhalten nachhaltig ändern werden. Wann beispielsweise die Menschen wieder ohne Bedenken Kreuzfahrten und Langstreckenflüge buchen werden steht in den Sternen. Vielleicht werden hier sogar nie wieder Werte der Prä-Corona-Zeit erreicht. Gleichzeitig hinterfragen viele Firmen die Notwendigkeit von Geschäftsreisen. Gerade Inlandsflüge zum schnellen Meeting werden in Zukunft sicherlich vermehrt eingespart und durch Videokonferenzen ersetzt. Die Airlines wird das hart treffen. Manche Regierungen nutzen dabei die Gunst der Stunde und vergeben an die in Not geratenen Fluglinien Kredite nur gegen Umweltauflagen. So muss zum Beispiel Air France ihre Inlandsverbindungen im Gegenzug zu den Staatshilfen stark einschränken. Auch die vom deutschen Staat mit neun Milliarden Euro unterstützte Lufthansa musste garantieren, dass sie in Zukunft der Bahn nicht mehr mit Dumpingpreisen ihres Tochterunternehmens Eurowings Konkurrenz machen wird.