Corona: höhere Arbeitsbelastung, vor allem für Frauen
Die Corona-Pandemie hat auch den Druck auf die Beschäftigten in Deutschland verstärkt: Mehr als die Hälfte (52 Prozent) klagt darüber, dass die Arbeitsbelastung für sie seit Beginn der Pandemie zugenommen hat. Bei knapp jedem Fünften hat sie sogar stark zugenommen. Insbesondere Frauen im Angestelltenverhältnis bekommen das zu spüren: 59 Prozent von ihnen berichten von einer gestiegenen Belastung seit Covid-19 sich ausgebreitet hat – bei den Männern liegt der Anteil nur bei 45 Prozent.
20.10.2021
Dabei war auch schon ohne die Umwälzungen durch die weltweite Pandemie die Belastung der Beschäftigten gestiegen: Für 62 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat der Druck, dem sie sich im Arbeitsalltag ausgesetzt sehen, in den vergangenen fünf Jahren zugenommen. Bei 20 Prozent hat er sogar stark zugenommen. Frauen verspüren auch insgesamt einen größeren Druck: Während für 23 Prozent von ihnen die Arbeitsbelastung stark gestiegen ist, beträgt der Anteil bei den männlichen Beschäftigten nur 18 Prozent.
Dennoch ist die Zufriedenheit und Motivation der Arbeitnehmer*innen insgesamt hoch: 90 Prozent sind zufrieden mit ihrer Arbeit - die Hälfte (49 Prozent) ist sogar uneingeschränkt zufrieden. Und gut drei von vier Beschäftigten (78 Prozent) geben an, motiviert bei der Arbeit zu sein. Damit sind Motivation und Zufriedenheit höher als in der Umfrage vor zwei Jahren, aber deutlich niedriger als in den Umfragen zuvor.
Das sind Ergebnisse der alle zwei Jahre durchgeführten EY-Jobstudie, für die mehr als 1.550 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland repräsentativ befragt wurden.
Jan-Rainer Hinz, Mitglied der Geschäftsführung, Personalleiter (Chief Human Resources Officer) und Arbeitsdirektor von EY in Deutschland: „Das vergangene Jahr hat vielen Unternehmen und damit auch ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einiges abverlangt: Durch die Corona-Pandemie fielen Teams aus, Lieferketten gerieten unter Druck, Beschäftigte mussten von heute auf morgen von zu Hause arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder betreuen – nicht zu vergessen die Existenzangst in so manchem Betrieb.“
Markus Heinen, Leiter des Geschäftsfeldes Personalberatungsdienstleistungen bei EY in Deutschland, ergänzt: „Die Veränderungen haben schon vor dem Ausbruch der Pandemie begonnen, vor allem mit der voranschreitenden Digitalisierung und der Transformation ganzer Geschäftsbereiche. Aber die Anforderungen an die Beschäftigten ändern sich in einem immer höheren Tempo: Sie müssen flexibel und anpassungsfähig sein. Für Unternehmen heißt das wiederum, dass sie dafür den nötigen Rahmen bieten müssen: Flexible Arbeitszeitmodelle, mobiles Arbeiten, aber auch moderne und niedrigschwellige Weiter- und Fortbildungsprogramme gehören dazu.“
Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterm Strich besser geworden
Immerhin hat sich unterm Strich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sogar leicht verbessert: Während 27 Prozent der Befragten berichten, dass es ihnen leichter fällt, beides unter einen Hut zu bekommen, klagen 20 Prozent darüber, dass ihnen dies schwerer fällt. Der häufigste Grund für diejenigen, denen die Work-Life-Balance schwerer fällt, sind mehr Arbeitsstunden. 59 Prozent der Männer und 54 Prozent der Frauen klagen darüber. Mehr Verantwortung bei der Arbeit ist aus Sicht von 57 Prozent der männlichen und 47 Prozent der weiblichen Befragten ein wesentlicher Grund.
Gehalt und Karriere scheinen allerdings immer mehr in den Hintergrund zu rücken: Nur noch 37 Prozent der Männer und 29 Prozent der Frauen lassen sich durch ein hohes Gehalt motivieren. Gute Karrierechancen treiben sogar nur zwölf Prozent der Männer und elf Prozent der Frauen an. Beide Geschlechter fühlen sich dagegen durch ein gutes Verhältnis zu Kolleginnen und Kollegen am meisten motiviert (Männer: 72 Prozent; Frauen: 78 Prozent). Flexible Arbeitszeitmodelle wirken auf die Hälfte der Frauen motivierend und auf 41 Prozent der Männer.
Heinen ist überzeugt, dass das Krisenjahr 2020 für die Arbeitswelt auch Chancen bedeutet: „Ebenso wie diese Krise Innovationssprünge für Prozesse und Produkte möglich machte, könnte sie auch die Möglichkeit bieten, ein generelles Umdenken zu fördern: wenn es beispielsweise um die Flexibilisierung von Arbeit, die Nachhaltigkeit im Unternehmen oder um Frauen und Karriere geht. Wenn uns das letzte Jahr eines gelehrt hat, dann insbesondere, dass Unternehmen resilient auf Veränderungen reagieren können und dass vieles möglich ist – wenn man es will.“
Jüngere Beschäftigte wenig zufrieden und motiviert
Ausgerechnet die jüngeren Beschäftigten sind im Vergleich wenig motiviert und zufrieden. Nur 40 Prozent der 25- bis 34-Jährigen bezeichnen sich als zufrieden – der schlechteste Wert unter allen Altersgruppen. Hochmotiviert sind nur 27 Prozent von ihnen, nur bei den 35- bis 44-Jährigen ist die Motivation noch schlechter (22 Prozent). Die älteren Arbeitnehmer*innen ab 55 Jahre sind dagegen besonders motiviert und zufrieden. Von den Beschäftigten ab 65 Jahre, die also kurz vor der Rente stehen, sind sogar 83 Prozent zufrieden und 41 Prozent hochmotiviert – Spitzenwerte unter allen Altersstufen.
Der Wunsch nach mehr Freizeit ist unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in Deutschland deutlich ausgeprägt: 23 Prozent würden im Tausch für mehr Freizeit auf Teile ihres Gehaltes verzichten. Weitere 24 Prozent würden dies zumindest in Erwägung ziehen. Die größte Bereitschaft zum Gehaltsverzicht zeigen die 35- bis 44-Jährigen mit 27 Prozent.
„Die Einstellung zur Arbeit hat sich im Generationenvergleich deutlich verändert“, hat Hinz beobachtet. „Die jüngeren Generationen definieren sich nicht mehr so sehr über den Job wie das noch die älteren getan haben. Stattdessen werden Werte wie Familie, Freunde und Freizeit wichtiger. Moderne Arbeitgeber müssen den jüngeren Beschäftigten mehr bieten als nur Karriereoptionen. Viele wollen sich zudem zu einem Team zugehörig fühlen und das Gefühl haben, an einem lohnenswerten Ziel mitzuarbeiten – ein persönlicher Purpose sozusagen. Wichtig ist aber, dass dieser Purpose keine leere Hülle bleibt, sondern mit konkretem Handeln auch umgesetzt wird.“