Die Papierbranche muss mit der Zeit gehen
Weltweit wird immer mehr Papier, Pappe und Karton produziert. Zugleich erlebt die Branche einen Globalisierungs- und Konzentrationsschub. Dabei verlieren grafische Papiere an Bedeutung, während Verpackungspapiere boomen. Unternehmen wie Antalis reagieren auf die neuen Herausforderungen mit nachhaltigen Produkt-Innovationen.
23.11.2020
Die Papierbranche wandelt sich. Die Nachfrage nach grafischen Papieren für die Zeitungs- und Zeitschriftenproduktion sinkt stark. Noch vor 20 Jahren sah das Geschäft ganz anders aus, erinnert sich Zeit Online: „Um das Jahr 2000 herum wussten die Verlage nicht mehr, wohin mit all den Anzeigen, der Bereich grafisches Papier boomte – und viele Papierhersteller bauten neue Anlagen.“ Diese Zeiten sind vorbei.
Zwar wird immer mehr Papier produziert – allein im Jahr 2018 waren es weltweit 420 Milliarden Tonnen Papier, Pappe und Karton, berichtet der Verband Deutscher Papierfabriken (VDP). Aber, so Zeit Online: „In allen Bereichen hat sich die Produktion seit Mitte der 1990er Jahre nahezu verdoppelt – nur für die grafischen Papiere gilt das nicht.“ Der Produktionszuwachs betrifft außerdem vor allem Verpackungspapiere. Davon werden mittlerweile mit fast 250 Milliarden Tonnen im Jahr fast doppelt so viele produziert wie von grafischen Papieren. Selbst als die Corona-Krise dieses Jahr die Papierproduktion bremste, betraf es laut VDP wieder besonders stark die grafischen Papiere.
China ist der größte Papierproduzent
Mehr als ein Viertel allen Papiers wird in China produziert – mehrheitlich Verpackungspapier und -pappe für den eigenen Markt. Insgesamt ist der Papiermarkt stark globalisiert und konzentriert sich zunehmend. Auf 40 Prozent Marktanteil bringen es nach Einschätzung des Druckerei-Informationsdiensts UmDEX die 20 größten Papierhersteller. An deren Spitze steht die chinesische Holding Nine Dragons Paper, gefolgt von International Paper aus den USA, dem japanischen Konzern Oji Paper und UPM aus Finnland.
Deutschland wird laut VDP-Papier-Kompass zwar als viertgrößter Papierproduzent der Welt geführt. Der Jahresausstoß ist mit knapp 23 Milliarden Tonnen aber bescheiden. Der hiesige Markt ist weiterhin mittelständisch geprägt und lebt zu etwa 60 Prozent vom Export. Zudem befänden sich 54 Prozent der deutschen Papierindustrie in ausländischer Hand, schätzt UmDEX: „Die meisten Unternehmen sind international verflochten, allesamt betreiben wenigstens internationale Produktionsstandorte.“ Neben UPM sind etwa der irische Smurfit-Kappa-Konzern, der österreichische Verpackungspapierspezialist Mondi und Sappi aus Südafrika in Deutschland vertreten.
Übernahmen und Insolvenzen in den vergangenen Jahren
Gerade in den vergangenen Jahren kam es zu zahlreichen Übernahmen. Die alteingesessenen Papierfabriken Scheufelen und Feldmühle Uetersen meldeten beispielsweise Insolvenz an. Feldmühle wird immerhin in verkleinerter Form weitergeführt. In schwedische Hände gelangte 2018 die Papierfabrik Zanders. Der mittlerweile insolvente französische Papierkonzern Sequana Capital entließ seine auch in Deutschland aktive Tochter ArjoWiggins in ein Management-Buy-out.
Ähnliche Umbrüche gab es auch im Papiergroßhandel. So war unter anderem Antalis von den Turbulenzen der Holdinggesellschaft Sequana betroffen. Im Juli 2020 gab Antalis schließlich bekannt, dass die Aktienmehrheit vom japanischen Konzern Kokusai Pulp & Paper übernommen wurde.
Noch stärker ins Gewicht fällt aber die Bildung von INAPA Deutschland als Ergebnis der Fusion der Papier-Union mit Papyrus. Die in Portugal beheimatete INAPA-Gruppe ist nun mit einem Marktanteil von etwa 40 Prozent ein weiteres Schwergewicht auf dem deutschen Markt neben der etwa gleichstarken Hamburger IGEPA Group. Der Bundesverband Druck und Medien (bvdm) attestiert beiden Papiergroßhändlern eine „konsolidierte Marktmacht“, die zu höheren Preisen führen könne.
Hersteller und Händler reagieren mit nachhaltigen Innovationen
Viele Hersteller und Händler müssen sich also angesichts der Marktveränderungen neu positionieren. So reagierte das ehemalige UPM-Werk in Schwedt an der Oder, das 2016 von der benachbarten Leipa Group übernommen wurde, auf die Krise der grafischen Papiere und ersetzte laut Zeit Online eine Papiermaschine für Zeitungsdruckpapier durch eine Anlage für die Wellpappenproduktion.
Vor allem aber investieren viele Anbieter in Produkt-Innovationen, oft zum Thema Nachhaltigkeit. „Papiermühlen und -großhändler waren noch nie so innovativ wie heute“, meint UmDEX-Blogger Jürgen Zietlow. Alle Hersteller und Großhändler hätten mittlerweile umfangreiche Sortimente an nachhaltigen Papiersorten im Angebot – vom Recyclingpapier mit dem „Blauen Engel“ bis zu Frischpapier aus nachhaltiger Forstwirtschaft mit FSC- oder PEFC-Zertifizierung.
Ausgangspunkt für Innovationen können durchaus auch gesellschaftliche Trends wie der Veganismus sein. So hat IGEPA beispielsweise zertifiziert vegane Papiere von Sappi im Angebot. Es ist nämlich nicht selbstverständlich, dass Papier vegan ist, wie vegan-news.de weiß: Manche Oberflächenveredelungen enthalten Gelatine, oder es werden kaseinhaltige Bindemittel verwendet.
Auf die steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen und veganen Materialien reagiert Antalis Schweiz wiederum mit den Sortimenten „GrasBox“, „GrasBag“ und „GrasPapier“ für den heimischen Markt. Die GrasBox-Kartonprodukte bestehen zu 30 Prozent aus Grasfasern aus lokalem Anbau und werden mit Recyclingfasern kombiniert. „Die Herstellung erfolgt ohne Chemie, und es werden dafür lediglich zwei Liter Wasser pro Tonne und drei Prozent Energie im Vergleich zu herkömmlichem Zellstoff verbraucht. Insgesamt entfallen bei der Produktion der Grasfaser-Pellets rund 50 bis 75 Prozent der CO2-Emissionen“, schreibt Antalis.
Antalis vergibt grüne Sterne für ökologische Papiere
Auch Antalis Deutschland hat viele umweltfreundliche Papiere im Portfolio. Die Frechener haben außerdem mit dem „Green Star“ ein neuartiges Ordnungssystem für die ökologischen Eigenschaften der Papiere ersonnen. Höchstbewertete Papiere mit fünf grünen Sternen tragen das EU-Ecolabel und bestehen zu mindestens der Hälfte aus Recyclingpapier. Die verbleibenden Frischfasern sind FSC- oder PEFC.
Ein solches Produkt ist beispielsweise das von Mondi hergestellte Nautilus-Sortiment aus ungestrichenen Papieren. Auch diverse Recyclingpapiermarken von ArjoWiggins, wie Conqueror, Keaykolour oder Rives, bietet Antalis an. Erst zum Jahresbeginn wurde wiederum das CO2-neutrale, besonders weiße und glatte „Xerox Recycled Supreme“ aus 100-Prozent Post-Consumer-Altpapier ins Sortiment aufgenommen. Nicht vermeidbare CO2-Emissionen dabei gleicht Antalis aus, indem Wasserkraftwerke im brasilianischen Pesqueiro unterstützt werden.
Mit seinem grünen Angebot wirbt Antalis bei seinen Kunden auch für mehr Vertrauen in umweltfreundliche Papiere. Dass deren Einsatz durchaus wirtschaftlich sein kann, hatten Antalis, ArjoWiggins Graphic und EcoAct bereits 2015 in einer gemeinsamen Studie herausgefunden. Ermittelt wurden damals durchschnittliche Mehrkosten von 0,1 bis 3,7 Prozent für Recyclingpapier gegenüber vergleichbaren Frischfaser-Produkten.